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Pandemie

Corona-Herbstwelle voll da: Landkreis mit dringender Empfehlung

Bundesweit hat die Sieben-Tage-Inzidenz binnen einer Woche von 466 auf 577,5 angezogen. Montage: dpa/tip

Bundesweit hat die Sieben-Tage-Inzidenz binnen einer Woche von 466 auf 577,5 angezogen. Montage: dpa/tip

Über 500 Neuinfektionen binnen eines Tages im Kreis Stade, große Sprünge in der Inzidenz, wieder mehr Patienten in den Elbe Kliniken: Die befürchtete Corona-Welle könnte schwerer ausfallen als erwartet - auch wegen neuer Omikron-Varianten.

Freitag, 07.10.2022, 10:00 Uhr

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Die Inzidenz im Kreis Stade ist zum Freitag erneut sprunghaft angestiegen. Das Robert Koch-Institut (RKI) vermeldet einen Sieben-Tage-Wert von 730,8 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner (Stand: 7. Oktober, 3.14 Uhr). Zum Vergleich: Am Vortag hatte die Inzidenz noch bei 606,3 gelegen, in der Vorwoche bei 484,3. Die erwartete Herbstwelle ist damit voll da - und das bundesweit.

Deutschlandweit vermeldet das RKI eine Inzidenz von 577,5 (Vortag: 462,4; Vorwoche: 466). Die Landkreise mit den höchsten Inzidenzen in Bayern, dem Saarland und Hessen kommen aktuell auf Inzidenzwerte jenseits der 1000. Die Gesundheitsämter in Deutschland meldeten dem RKI zuletzt 174.112 Corona-Neuinfektionen (Vorwoche: 96.367) und 117 Todesfälle (Vorwoche: 140) innerhalb eines Tages.

Und: Tatsächlich dürfte die Inzidenz um ein Vielfaches höher liegen, da längst nicht mehr jeder Infizierte einen positiven Corona-Test auch mit einem PCR-Test bestätigen lässt. In die Statistik gehen aber nur positive PCR-Tests ein.

Corona-Welle: Über 500 Neuinfektionen binnen eines Tages im Kreis Stade

Das Kreis-Gesundheitsamt meldete dem RKI erstmals seit der Sommerwelle wieder 520 bestätigte Corona-Fälle binnen eines Tages. Damit werden im Kreis 1509 Neuinfektionen binnen einer Woche verzeichnet. Insgesamt wurden seit Pandemie-Beginn 82.657 Menschen nachweislich positiv auf das Coronavirus getestet.

Der Kreis Stade spricht in einer Mitteilung von "einem enormen Anstieg" der positiven Corona-Zahlen um rund 50 Prozent binnen einer Woche. „Die Pandemie ist längst nicht vorbei“, sagt Kreis-Dezernentin Susanne Brahmst und appelliert: „Um die Ansteckungsgefahr zu reduzieren, sollten wir in Innenräumen freiwillig wieder eine medizinische Maske tragen.“ Dies sei beim Einkaufen, im Kino und Theater oder zum Beispiel bei beruflichen Zusammenkünften mit vielen Menschen sinnvoll. Damit schütze man sich und andere.

Brahmst verweist auf die AHA-Regeln. Neben dem Tragen von Masken sollten das Abstandhalten, die Handhygiene sowie das regelmäßige Lüften von Räumen wieder mehr beachtet werden.

Eine Sorge: zunehmender Personalausfall – vor allem in der kritische Infrastruktur wie Kliniken. Zudem dohten bei zu vielen erkrankten Lehrern und Schülern Distanzlernen statt Präsenzunterricht.

Testpflicht für Schüler bei Corona-Verdacht wieder gestrichen

Corona wird wieder aus einer Liste besonders ansteckender Infektionskrankheiten im Infektionsschutzgesetz gestrichen, für die ein Betretungsverbot etwa in Schulen oder Kitas gilt. Das beschloss der Bundesrat am Freitag in Berlin. Covid-19 war erst vor kurzem im Zuge der Verabschiedung der zum 1. Oktober in Kraft getretenen neuen Corona-Regeln in diese Liste aufgenommen worden. Dort stehen unter anderem auch die Pest, Cholera, Krätze, Masern, Röteln oder Keuchhusten.

Rechtliche Folge wäre gewesen, dass Lehrkräfte, Erzieher, Schüler oder Kita-Kinder bei Verdacht auf eine Corona-Infektion oder nach einer Corona-Erkrankung nur mit einem negativen Test wieder in die Einrichtung dürfen.

Das hatten Kinder- und Jugendärzte und auch das Land Niedersachsen massiv kritisiert und als Benachteiligung im Vergleich zu Erwachsenen bezeichnet, da diese nach fünf Tagen Isolation auch ohne Test wieder am öffentlichen Leben teilnehmen dürfen und auch bei einem Corona-Verdacht, etwa bei Husten, niemandem per Test nachweisen müssten, dass es sich dabei nicht um Corona handelt. 

Wieder mehr Covid-19-Patienten in den Elbe Kliniken

Die Infektionszahlen schlagen dabei auch voll auf die Krankenhäuser durch, wo immer mehr Patienten mit Covid-19 isoliert werden müssen. Dabei ist nicht beschrieben, ob die Menschen wegen ihrer Corona-Erkrankung im Krankenhaus behandelt werden oder wegen anderer Beschwerden und Eingriffe - sie jedoch Corona-positiv getestet worden sind.

In den Elbe Kliniken in Stade und Buxtehude werden mit Stand vom Freitag 43 Patienten mit Covid-19 stationär behandelt. Das sind erneut fünf mehr als am Vortag. Unverändert drei von ihnen liegen auf der Intensivstation (Quelle: FRL Stade/IVENA). Die Zahl der Verstorbenen an oder mit dem Coronavirus im Kreis blieb unverändert bei 243 Personen.

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Inzidenzwerte in den Nachbarkreisen

  • Cuxhaven: 765 (Vortag: 670,3)
  • Harburg: 617 (Vortag: 422,1)
  • Rotenburg: 617,6 (Vortag: 467,3)

(Stand: 7. Oktober, 3.14 Uhr, Quelle: RKI)

Niedersachsenweit liegt die Inzidenz bei 609,6 - nach 501,3 vor einer Woche. Als maßgebliche Zahl zur Bewertung der Corona-Lage in Niedersachsen gilt jedoch die Hospitalisierungsinzidenz. Sie gibt an, wie viele Patientinnen und Patienten je 100.000 Einwohnerinnen und Einwohner innerhalb von sieben Tagen neu mit einer Corona-Infektion in Krankenhäusern aufgenommen wurden. Laut Landesregierung lag dieser Wert am Freitag bei 12,8 (Vortag: 12,2). Landesweit waren unverändert 3,9 Prozent der Intensivbetten mit Covid-19-Kranken belegt.

Laut dem niedersächsischen Corona-Fahrplan für Herbst und Winter soll es zu einer Verschärfung der Corona-Schutzmaßnahmen kommen, wenn die Hospitalisierungsinzidenz über 15 liegt und gleichzeitig mehr als 10 Prozent der Intensivbetten mit Covid-Patienten belegt sind. 

RKI: Anstieg schwerer Corona-Fälle deutet sich an

Im Zuge der Corona-Herbstwelle weist das RKI auf die schwierige Interpretation bestimmter Daten zur Krankheitsschwere hin. Bei den schwer verlaufenden Atemwegsinfektionen, die im Krankenhaus behandelt werden müssen, deute sich zwar ein Anstieg der Fallzahlen an, heißt es im Wochenbericht des RKI. Die Autoren schränken allerdings ein, dass „hier auch Fälle mit aufgeführt werden, die aufgrund einer anderen Erkrankung ins Krankenhaus kommen oder intensivmedizinisch behandelt werden müssen und bei denen die Sars-CoV-2-Diagnose nicht im Vordergrund der Erkrankung bzw. Behandlung steht”.

Unter anderem führt das RKI einen starken Anstieg der Zahl der Intensivpatienten im Zusammenhang mit Covid-19 an, von rund 860 in der vorvergangenen Woche auf rund 1310 am Mittwoch.

Das RKI blickt im Bericht stets auch noch auf eine weitere Datenquelle, bei der etwa Patienten mit Corona-Zufallsbefund nicht ins Gewicht fallen sollen: Dabei habe sich ein Anstieg bisher nur in der Altersgruppe ab 80 Jahren bis zur vorvergangenen Woche angedeutet, hieß es.

Corona-Schub durch weitere Omikron-Sublinien befürchtet

Zudem befürchtet das RKI eine Ausbreitung weiterer Omikron-Sublinien wie etwa BA.2.75.2 oder BQ.1.1. Solche Erreger drohen der Herbstwelle weitere Wucht zu verleihen, wie einige Forscher warnen.

Denn manche dieser Varianten weisen ein derart verändertes Erbgut auf, dass sie Antikörpern von Geimpften und Genesenen besser entgehen können als die bisher vorherrschenden Varianten. Dadurch könnten sie sich schneller verbreiten. 

In der vorvergangenen Woche zeigte sich noch, dass nach wie vor die Omikron-Sublinie BA.5 das Geschehen bestimmt. Seit Wochen liegen deren Anteile bei 95 bis 97 Prozent. Bei der Sublinie BA.2.75 und Abkömmlingen davon ist laut RKI zwar seit Juni weltweit eine zunehmende Ausbreitung beobachtet worden. Noch immer liegt der Anteil in der Stichprobe für Deutschland aber bei weniger als 1 Prozent.

Der Charité-Impfstoffforscher Leif Sander schrieb auf Twitter: Neben der BA.5-Herbstwelle, die sich derzeit rasch aufbaue, werde man es wohl recht sicher bald mit einer Variante zu tun bekommen, die der bestehenden Immunantwort stark ausweicht: „Der Winter kommt & er wird anscheinend echt anstrengend.”

Viele positive Corona-Fälle: Personalausfälle drohen

Die sogenannte Immunflucht bedeutet aber nicht, dass zwangsläufig auch die Krankheitsverläufe wieder schwerer werden und man quasi am Beginn einer neuen Pandemie steht. Die Immunologin Christine Falk teilte auf Anfrage mit, dass die Mutationen von BQ.1.1 zwar auf eine möglicherweise effektivere Ansteckung schließen ließen, aber nicht auf ein Unterlaufen aller Abwehrlinien. Allein auf das Spike-Protein bezogen gebe es keine Hinweise auf eine Veränderung der Krankheitslast.

Der Schutz vor schwerer Erkrankung - er dürfte laut Immunologen bei immungesunden Menschen mit den empfohlenen Impfungen in der Regel standhalten. Als problematisch sehen Fachleute vielmehr die drohenden Personalausfälle an, wenn sich sehr viele Menschen auf einmal anstecken.

FFP2-Maskenpflicht für Pflegeheimbewohner bleibt

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach sowie Vertreter der Pflegebranche und Krankenkassen haben die seit 1. Oktober geltenden FFP2-Maskenpflichten für Pflegeheimbewohner verteidigt. Der SPD-Politiker verwies auf hohe Corona-Infektionsrisiken in Gemeinschaftsräumen der Einrichtungen. „Wenn dann einer infiziert ist und hat eine hohe Viruslast, dann ist das eine sehr schlechte Nachricht für die gesamte Einrichtung.“ Lauterbach sprach von einer extrem gefährlichen Situation.

Die neuen Regeln sehen vor, dass Pflegeheimbewohner grundsätzlich FFP2-Masken tragen müssen, außer „in den für ihren dauerhaften Aufenthalt bestimmten Räumlichkeiten“. Die Maske darf demnach nur im Zimmer ab und muss beispielsweise in Gemeinschaftsräumen getragen werden. Unter anderem die Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen (Bagso) hatte das kritisiert und von einem „erheblichen Einschnitt“ in die Lebensqualität der Pflegebedürftigen gesprochen.

Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, wiederholte seine Kritik an den Vorgaben: Der Bundesgesundheitsminister setze auf eine radikale Maskenpflicht und greife damit massiv in die verfassungsgemäßen Grundrechte der 810.000 Pflegeheimbewohner ein, sagte er am Donnerstag. „Zutiefst wird ignoriert, dass die Lebensgestaltung der pflegebedürftigen Menschen auch in gemeinschaftlich genutzten Räumen stattfindet. Gemeinschaftsküchen, Aufenthalts- und Fernsehräume sind Teil der Privatwohnung.“ (dpa/tip)

Die Sieben-Tage-Inzidenz im Kreis Stade liegt 779,7 Neuinfektionen weiterhin über dem Bundesschnitt (661,3). Foto: dpa-Bildfunk

Die Sieben-Tage-Inzidenz im Kreis Stade liegt 779,7 Neuinfektionen weiterhin über dem Bundesschnitt (661,3). Foto: dpa-Bildfunk

Die Intensivstationen der Elbe Kliniken sind voll – aber nicht wegen der Corona-Fälle. Gleichwohl müssen Kapazitäten wegen Corona freigehalten werden. Foto: Hajduk

Die Intensivstationen der Elbe Kliniken sind voll – aber nicht wegen der Corona-Fälle. Gleichwohl müssen Kapazitäten wegen Corona freigehalten werden. Foto: Hajduk

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