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Ein Dorfladen als Rettung für den Einkauf und Klönschnack auf dem Land

Mario Eckhardt, Mitgründern vom Dorfladen «Vorratskammer», kauft verschiedene Produkte ein. Weil es keine Einkaufsmöglichkeit im Ort gibt, gründen mehrere Familien ein ehrenamtlich geführtes Geschäft für Mitglieder.

Mario Eckhardt, Mitgründern vom Dorfladen «Vorratskammer», kauft verschiedene Produkte ein. Weil es keine Einkaufsmöglichkeit im Ort gibt, gründen mehrere Familien ein ehrenamtlich geführtes Geschäft für Mitglieder. Foto: Philipp Schulze/dpa

In Wendisch Evern bei Lüneburg entsteht ein besonderer Dorfladen. Weil es keine Einkaufsmöglichkeit im Ort mehr gibt, gründen mehrere Familien ein ehrenamtlich geführtes Geschäft für Mitglieder.

Von Britta Körber (Text) und Philipp Schulze (Foto) Mittwoch, 21.08.2024, 09:50 Uhr

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Vor einiger Zeit hat der letzte Laden in Wendisch Evern dichtgemacht, eine Kneipe gibt es schon lange nicht mehr. Zum Einkaufen ist das nahe gelegene Lüneburg nicht allzu weit - aber nicht alle Bürgerinnen und Bürger sind mobil. In die Lücke stößt seit Juni die Vorratskammer - ein Dorfladen ohne Bedienung nur für Mitglieder. „Das ist eine tolle Idee unserer engagierten Neubürger“, sagt Bürgermeister Rainer Leppel (SPD). „Sie hatten einen Superstart und das Konzept scheint sich gut zu etablieren.“

Eine Gruppe von Zugezogenen kümmert sich ehrenamtlich um die Bestückung der regionalen Verkaufsstation in einer alten Scheune, die auch in viel Eigenarbeit umgebaut wurde. 14 Monate mussten sie zunächst auf die Baugenehmigung warten. Mehr als 100.000 Euro kostete die Instandsetzung. 40.000 Euro betrug der Zuschuss von EU, Land Niedersachsen und der Gemeinde, ein Crowdfunding brachte 12.000 Euro. Den Rest finanzierte das Team und muss wieder erwirtschaftet werden.

 Einkaufen an der Selbstbedienungskasse: Weil kein Verkaufspersonal bezahlt werden muss, können die Preise niedrig gehalten werden.

Einkaufen an der Selbstbedienungskasse: Weil kein Verkaufspersonal bezahlt werden muss, können die Preise niedrig gehalten werden. Foto: Philipp Schulze/dpa

Der Landwirt, dem der Hof gehört, gehört zu den sieben Gesellschaftern und vermietet gern an die ehrenamtliche Gruppe. „Das Ganze beruht auf Vertrauen“, sagt Projektmanagerin Hannah Rothfuchs, „aber die Mitglieder sind besonders motiviert, diesen Laden zu erhalten.“

Einkauf auf Vertrauensbasis

Das Besondere: Für 15 Euro pro Person oder 25 pro Mehrpersonen-Haushalt im Monat gibt es einen Chip zum Öffnen der Tür - Pizza Margherita, Toilettenpapier und frische Bioprodukte können an sieben Tagen 24 Stunden geshoppt werden. Samstags sogar frische Brötchen. Inzwischen sind 120 Haushalte dabei, jeden Freitag ist Schnuppertag. Bezahlt wird ausschließlich mit Karte über ein modernes Kassensystem. Eine Kamera zur Überwachung soll vor Missbrauch schützen.

"Neu im Sortiment" und "Produktauswahl" steht unter anderem auf einer Tafel im Dorfladen «Vorratskammer».

"Neu im Sortiment" und "Produktauswahl" steht unter anderem auf einer Tafel im Dorfladen «Vorratskammer». Foto: Philipp Schulze/dpa

Bisher gab es noch keine negativen Erlebnisse. Im Gegenteil: Einige Mitglieder fragen immer wieder vorsichtig, ob sie beim Einräumen der Regale helfen dürfen. Eine Minijobberin ist die einzige bezahlte Kraft, die die Waren von zwei Bio-Großhändlern annimmt. Zudem kommen Kartoffeln und Rindfleisch von den Bauern in der Nachbarschaft. Auf einem Schwarzen Brett können Wünsche notiert werden. Von manchem Alteingesessenen werden sie auch kritisch beäugt. „Wir sind nicht dogmatisch, es muss nicht jeder Mitglied werden“, sagt Rothfuchs.

Weil sie kein Verkaufspersonal bezahlen müssen, können die Preise niedrig gehalten werden. Überschüsse sollen in den Betrieb zurückfließen, erzählt der 40 Jahre alte Mitgründer Mario Eckhardt.

„Es macht total Spaß, aber unsere Energie ist auch endlich“, meint Mitgesellschafterin Isabelle Wetzel, die für ihren fünfköpfigen Haushalt selbst einkauft. Draußen vor Tür schleckt ein Kunde auf einer kleinen Bank ein Eis, demnächst soll eine Rundbank hinzukommen. Und Wetzel träumt sogar von einem Café als Ort der Begegnung - ein Treffpunkt scheint es auch so schon geworden zu sein.

Regional einkaufen ist gefragt

„Das Thema Regionalität ist da, auch im Supermarkt“, beobachtet Sabine Hoppe von der Landwirtschaftskammer. Und der Trend zur Selbstbedienung werde stärker, vielfach sehe man einzelne oder mehrere Automaten - auch auf Höfen oder in Häuschen. 2023 gab es nach Angaben der Kammer 4140 Hofläden in Niedersachsen, 2020 offiziell 2620. Das liege an einer Änderung der Erhebungsmethode, sagte die Beraterin für die Direktvermarktung landwirtschaftlicher Produkte von der Kammer in Hannover. In der Realität sei die Zahl wohl ähnlich geblieben.

Seit dem Ukraine-Krieg hätten viele Landwirte in der Direktvermarktung eine Kaufrückhaltung bemerkt, diese Talsohle scheine aber durchschritten zu sein, sagt Hoppe. Zudem gebe es ein großes Problem im ländlichen Raum für Menschen, die nicht mobil seien. Ihnen kämen diese Verkaufsstationen entgegen.

 Kunden unterhalten sich vor dem Dorfladen «Vorratskammer».

Kunden unterhalten sich vor dem Dorfladen «Vorratskammer». Foto: Philipp Schulze/dpa

In ihrem Buch „Hofläden rund um Lüneburg – regionalverliebt und gut verdaulich“ beschreiben Carolin George und Berit Neß, wie unterschiedlich die kleinen Shops sind. Meist dienen sie als Visitenkarte für das Besondere der Höfe - mal ist es der Ziegenkäse, mal das selbst gemahlene Bio-Mehl und mal der Weinanbau. „Auf den Höfen macht Shoppen noch glücklich“, lautet das Fazit von Autorin George, die mehr als 40 davon beschrieben hat. (dpa)

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