175 Straftaten: Das wurde bei den Bauerndemos angezeigt – Mehrere Verletzte

Ein Traktor blockiert die Autobahnzufahrt der A31 in Richtung Meppen. Foto: Lars Penning/dpa/Archivbild
Bei den Trecker-Demos in Niedersachsen ist es am Montag zu einer Reihe von Straftaten gekommen. In Stader Nachbarkreis wurden sieben Menschen verletzt.
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Hannover/Tostedt. Während die Bauernproteste in Niedersachsen weiter zu Verkehrsbehinderungen führen, hat das Innenministerium die Aktionen vom Montag als überwiegend friedlich bezeichnet.
Laut einer ersten Bilanz seien im Zusammenhang mit den Protesten am Montag 175 Straftaten und rund 240 Ordnungswidrigkeiten angezeigt worden, teilte das Ministerium am Dienstag mit. Bei den Straftaten handele es sich vornehmlich um Nötigungen und gefährliche Eingriffe in den Straßenverkehr. Auch Situationen, bei denen Autofahrer die Demonstranten gefährdeten, seien in dieser Zahl enthalten.
Mehrere Menschen bei Demonstrationen im Landkreis Harburg verletzt
Wie Jan Krüger, Sprecher der Polizeiinspektion Harburg, am Dienstag mitteilt, kamen bei den gestrigen Protesten im Landkreis Harburg drei Menschen zu Schaden. Im Raum Tostedt hatten die Landwirte mit ihren Treckern die B75 lahmgelegt. Einige Demonstrationsteilnehmer waren zu Fuß unterwegs - für sie wurde es gefährlich.
Wie Zeugen den Polizeibeamten berichteten, sei gegen 10.10 Uhr ein Audi A6 auf mehrere Demonstranten zugefahren. Ein Mann habe noch rechtzeitig zur Seite springen können, zwei weitere Männer seien im Vorbeifahren von dem Pkw touchiert und leicht verletzt worden. Eine medizinische Behandlung sei jedoch nicht erforderlich gewesen.
Das Kennzeichen des Fahrzeugs wurde der Polizei mitgeteilt, die jetzt ein Strafverfahren wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr eingeleitet hat.
Nur etwa zehn Minuten später umfuhr ein 60-jähriger Mann mit seinem VW-Transporter stehende Fahrzeuge. Wie Polizeisprecher Jan Krüger berichtet, traf er dabei einen 56-jährigen Demonstrationsteilnehmer am Knie. Auch gegen diesen Beschuldigten wurde ein Strafverfahren eingeleitet.
Von einem linken Außenspiegel an der Hand getroffen wurde nach Angaben der Polizei ein 46-jähriger Mann. Ein 74-jähriger Dacia-Fahrer habe gegen 13.45 Uhr versucht, an einer Traktorblockade vorbeizufahren, und dabei die Hand des Mannes gestreift. Der Fahrer schildert den Vorfall jedoch anders: Der Mann habe im Vorbeifahren selbst gegen den Spiegel geschlagen.
Die Ermittlungen der Polizei dauern an.
Verletzte und Fahrerflucht im Landkreis Cuxhaven
Im Kreis Cuxhaven kam es am Montag ebenfalls zu zwei Fällen, die polizeilich aufgenommen wurden. Unabhängig voneinander sind an zwei verschiedenen Örtlichkeiten zwei Verkehrsteilnehmer mit ihren Pkw durch die Blockaden hindurchgefahren und haben dabei umstehende Landwirte angefahren. Nach Angaben der Polizei wurden dadurch vier Landwirte leicht verletzt.
Einer der beiden Autofahrer ist flüchtig und entsprechende Strafverfahren wurden eingeleitet.
Ein weiteres Problem, was die Polizei auf Trab hielt, waren unangemeldete Demonstrationen im Kreis Cuxhaven.
Carsten Bode, Pressesprecher der Polizeiinspektion Cuxhaven berichtet: „Wir wissen nicht genau, wie viele Demonstrationen nicht angemeldet waren. Es waren einfach zu viele.“ Die Blockaden am Cuxhavener Autobahnkreisel und in der Papenstraße waren neben den Konvois die einzigen, die angemeldet waren. „Von den Blockaden auf der Autobahn 27 war keine einzige angemeldet. Es war zwar ein Abfahren von der Autobahn möglich, aber die Zufahrten waren komplett lahmgelegt“, beschreibt Bode die Situation. Trotz der unangemeldeten Proteste kamen die Polizeibeamten vor Ort mit den Verantwortlichen schnell ins Gespräch und konnten die Situationen entschärfen.
Bauern mobilisieren in Niedersachsen fast 30.000 Demo-Teilnehmer
Landesweit habe es am Montag 609 Protestaktionen mit rund 27.500 Teilnehmern und etwa 24.000 Fahrzeugen gegeben, hieß es. Die Demonstranten hätten sich überwiegend kooperativ verhalten. Rettungsgassen seien weitestgehend freigehalten worden. Die Polizei habe jedoch auch 262 Platzverweise ausgesprochen. Je eine Person sei in Gewahrsam beziehungsweise vorläufig festgenommen worden.
„Bisher verlaufen die Proteste weitgehend friedlich“, sagte Innenministerin Daniela Behrens (SPD). „Ich appelliere an alle Beteiligten, auch in den kommenden Tagen die Ruhe zu bewahren.“ Insbesondere Aktionen auf Autobahnen seien hochgefährlich und unbedingt zu unterlassen. Gleichzeitig sei es durch nichts zu rechtfertigen, dass Verkehrsteilnehmer versuchten, die Proteste zu umfahren oder gar zu durchfahren, und somit Gefährdungen und Verletzungen mindestens in Kauf nähmen, sagte die Ministerin.
Verfassungsschutz gibt Entwarnung
Der Verfassungsschutz erklärte auf der Plattform X, vormals Twitter, eine organisierte Teilnahme von Rechtsextremisten an den Bauernprotesten könne in Niedersachsen bisher nicht beobachtet werden. Vereinzelt habe es Versuche von Rechtsextremisten und sogenannten Reichsbürgern gegeben, sich unter die Proteste zu mischen. Die Demos seien davon aber nicht geprägt gewesen.
In Friesoythe (Landkreis Cloppenburg) hatte ein 45 Jahre alter Autofahrer einen Protestteilnehmer angefahren. Der 35-Jährige wurde am Montag verletzt per Hubschrauber in ein Krankenhaus gebracht, konnte die Klinik wenig später aber wieder verlassen. Der Autofahrer wurde vorläufig festgenommen. Gegen ihn wird wegen des Verdachts der versuchten Tötung ermittelt.
In Sande (Landkreis Friesland) soll ein Autofahrer einen 23 Jahre alten Traktorfahrer laut Polizei ins Gesicht geschlagen haben. Im Raum Tostedt (Landkreis Harburg) kam es Polizeiangaben zufolge zu gleich drei Vorfällen, bei denen Autofahrer zu Fuß gehende Demonstrationsteilnehmer leicht verletzt haben sollen.
Mehrere Treckerfahrer wurden angezeigt
Auf Seiten der Demonstranten wurden gegen mehrere Treckerfahrer Strafverfahren eingeleitet, weil sie mit Blockaden auf Autobahnen den Verkehr gefährdeten, unter anderem auf der A1 bei Vechta.
Wegen der Bauernproteste kam es auch am Dienstag wieder in einigen Orten zu Verkehrsbehinderungen. Unter anderem in Wolfsburg, Verden, Meppen und im Kreis Diepholz meldete die Polizei Blockaden und Schleichfahrten mit Trecker-Konvois. In Leer waren zeitweise auch Autobahnauffahrten betroffen.
Die Landwirtschaft will ihre Proteste die ganze Woche über fortsetzen. Auslöser für die Demos waren Pläne der Bundesregierung, Subventionen für die Branche zu kürzen. Einen Teil davon hat die Ampel-Koalition bereits zurückgenommen, die Rückvergütung für Agrardiesel soll nun schrittweise gestrichen werden.