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Tourismus

Europa-Projekte in Niedersachsen: Vom Touristenmagnet zur Elbwolle

Blick auf den begehbaren Skywalk auf der historischen Dömitzer Eisenbahnbrücke an der Elbe.

Blick auf den begehbaren Skywalk auf der historischen Dömitzer Eisenbahnbrücke an der Elbe. Foto: Björn Vogt/dpa

Mit Geldern aus EU-Töpfen werden viele Initiativen unterstützt. In ländlichen Regionen wie dem Wendland sind es nicht nur Vorzeigeprojekte, die sich entwickeln.

Von dpa Sonntag, 21.07.2024, 16:00 Uhr

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Für die Gestaltung der Dömitzer Eisenbahnbrücke als Skywalk im Biosphärenreservat sind fast acht Millionen Euro investiert worden. Die Summe musste das Land Niedersachsen nicht allein aufbringen, ein Großteil stammte bis zur Eröffnung des touristischen Wahrzeichens im August 2023 aus EU-Geldern. Die europäische Strukturpolitik zielt darauf ab, wirtschaftliche und soziale Ungleichheiten zwischen Regionen zu verringern. Deshalb werden auch kleinere Projekte in strukturschwachen Regionen gefördert.

Im dünn besiedelten Wendland sind das Einzelbetriebe wie die Lehm-Laden GmbH in Hitzacker als ökologischer Baustoffhändler (188.110 Euro), Kenners Landlust mit Baumhaushotel als Lernort in der Göhrde (1,17 Millionen Euro) oder auch Coworking-Orte.

Ute Luft hat in Weitsche bei Lüchow eine Werkstatt zum Stricken mit Schafwolle eingerichtet. Alle ihre Modelle für Pullis, Schals und Mützen haben Tiernamen. Pullunder Nachtigall, Kleid Lerche und Pullover Habicht sollen wegen des dichten Garns wasserabweisend und temperaturausgleichend sein. Sie sind allerdings deutlich teurer als kurzlebige Modeprodukte aus Kunstfaser.

Schäfer bleiben auf ihrer Wolle sitzen

Seit Jahren heißt es von den Schafhaltern entlang den Elbdeichen unisono: Die Schurwolle können wir nicht verkaufen, sie ist nichts mehr wert. Die 57-Jährige zahlt einen guten Preis, sie kauft für 3,20 bis 3,50 Euro pro Kilo Rohwolle direkt von Schäfern, die ihre Tiere am Deich halten. „Das ist der Preis, den man normalerweise für das Fleisch bezahlt“, erzählt Luft, die die Züchter in der Region unterstützen will.

Mit Geldern aus EU-Töpfen werden viele Initiativen unterstützt. So auch Ute Luft die sich in Lüchow eine Werkstatt zum Stricken mit Schafwolle eingerichtet hat.

Mit Geldern aus EU-Töpfen werden viele Initiativen unterstützt. So auch Ute Luft die sich in Lüchow eine Werkstatt zum Stricken mit Schafwolle eingerichtet hat. Foto: Philipp Schulze/dpa

„Die natürliche Funktionsfaser trocknet schnell, knittert kaum, ist selbstreinigend und nimmt kaum Geruch an“, schreibt Ute Luft auf ihrer Webseite elbwolle.de. Nach dem Kauf wird die Wolle in eine polnische Wäscherei geschickt, dann in einer deutschen Spinnerei gesponnen und gefärbt, bevor sie in die überdimensionale 3D-Strickmaschine auf dem weitläufigen Hof in Lüchow kommt. Inklusive Software und Schulung kostete die Anschaffung des Geräts, das einen kleinen Raum füllt, etwa 90.000 Euro.

Keine Chance ohne EU-Mittel

Das hätte die Unternehmerin ohne EU-Förderung nicht geschafft, sagt sie. Zumal sie während der Corona-Pandemie nicht auf Messen ausstellen konnte. Für die Entwicklung von Naturschutzprodukten gab es rund 60.000 Euro aus Brüssel.

„Das ist ein sehr konsequent aufgebauter Betrieb in Richtung Nachhaltigkeit, Textilwirtschaft von der Ressource aus denken“, sagt Sigrun Kreuser von der Agentur Wendlandleben. Auch die Vermittlungsagentur wurde mit EU-Geldern unterstützt, sie gewinnt und vernetzt Fachkräfte für den Zuzug in den schwach besiedelten Landkreis Lüchow-Dannenberg.

Niedersachsens Europa- und Regionalministerin Wiebke Osigus verlangt von der EU eine aktive Politik für die Räume abseits der großen Städte. „Wir brauchen europaweit starke ländliche Regionen, denn dort entscheidet sich der Erfolg der grünen und digitalen Transformation des gesamten Kontinents“, sagte die SPD-Politikerin kürzlich. Niedersachsen erhält aus den für die regionale Entwicklung wichtigen Fonds in den Jahren 2021 bis 2027 rund 2,9 Milliarden Euro.

Über die Brexit-Anpassungsreserve bekommt das Bundesland zudem für die Erschließung von Logistikflächen in Cuxhaven für den Frachtverkehr von und nach Großbritannien mehrere Millionen Euro für die Abmilderung der Folgen des Austritts des Vereinigten Königreichs aus der EU.

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