Gimpel: Warum der gelehrige Vogel als Tölpel betrachtet wird

Das Gimpelmännchen ist ein Prachtkerl und einer der schönsten heimischen Vögel. Foto: Reinhard Paulin
Der Gimpel ist ein guter Sänger und ein gelehriger Vogel - und wird trotz seiner Lernfähigkeit und Geschicklichkeit als Tölpel betrachtet.
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Landkreis. Ein Gimpelmännchen erscheint im Garten. Dazu das Weibchen. Das Männchen: ein Prachtkerl und einer der schönsten unserer heimischen Vögel. Das ebenmäßig rosarote Bauchgefieder leuchtet weit und ist ein wahrer Blickfang.
Das Rot brachte ihm seinen Namen Dompfaff ein, denn auch Talare der Geistlichen prangen zu Pfingsten in kräftigem Rot. Die schwarze Kopfkappe des Gimpels wirkt edel und anmutig. Der hell graubraune Bauch des Weibchens dagegen macht den Vogel eher unauffällig. Der runde, massig wirkende Körper lässt den Gimpel kräftig erscheinen. Deshalb wird er in England bullfinch genannt.
Wegen Schönheit und Lernfähigkeit interessant
Die Bezeichnung Gimpel dagegen stellt sprachlich eine Verbindung zum Tölpel her; also einem Vogel, dem es am geschickten und intelligenten Verhalten mangelt. Doch seine Schönheit und Lernfähigkeit mögen dazu geführt haben, dass sich Menschen seit Jahrhunderten für ihn interessierten.
Schon frühzeitig wurde erkannt, dass handzahme Gimpel zum Gesang abgerichtet werden können. Ferdinand von Pernau verfasste bereits 1720 eine umfangreiche Anleitung zu Fang, „Zahmmachung“ und Dressur.
In Brehms „Thierleben“ von 1866 ist zu lesen: „Die jungen Gimpel werden früh aus dem Neste genommen und gelehrt. Die züchterische Kunst besteht darin, dass vom ersten Tage an der Lehrer das zu lernende Lied regelmäßig vorträgt.“ Gimpel können auf den Menschen geprägt werden und leicht Liedstrophen erlernen. Ihre Gesangskünste hatten Erfolg. Denn „aus dem Thüringer Walde wurden Gimpel nach Berlin, Petersburg, Amsterdam, London, Wien, ja selbst nach Amerika gebracht“.
Gimpel dürfen heute nicht mehr gefangen werden
Der Ehrgeiz der Züchter schien früher groß zu sein: „Man hat versucht, Gimpel mit Drehorgeln zu lehren, aber nur wenig Erfolg erzielt.“ Da waren die Jungvögel wohl doch irritiert und überfordert. Heute dürfen Vögel nicht mehr gefangen werden. Die Käfighaltung von Gimpeln gehört der Vergangenheit an.
Doch warum wurde der gelehrige Gimpel als Tölpel betrachtet? Das mag mit dem Laufen im engen Käfig zusammenhängen. „Der Gang des Gimpels ist hüpfend und auf der Erde ziemlich ungeschickt“, so zu lesen in Brehms „Thierleben“. Tatsächlich turnt ein Gimpel nicht so flink wie eine Meise. Aber er frisst die Samen von Brennnesseln, Disteln, Weißdorn oder Vogelbeeren. Dazu muss er durchaus geschickt und kein Tölpel sein. Oft nutzt er seine Fähigkeit zum Rüttelflug.
Der Gimpel frisst gern Knospen von Obstbäumen
Knospen dagegen sind leichter zu erreichen. Besonders im Frühjahr sucht der Gimpel sie zielgerichtet. Die von Obstbäumen mag er für sein Leben gern. Innerhalb einer Minute vermag er mehr als 30 von ihnen zu verspeisen. So hatte der in Freiheit lebende Gimpel nicht immer Freunde und wurde als Knospenfresser gejagt. Das war mit Leimruten und Lockvögeln leicht möglich. Brehm schrieb: „Es ist nicht zu leugnen, dass er ein argloser und den Nachstellungen des Menschen keineswegs gewachsener Vogel ist.“ Und weiter: Man „kann ihn im Walde leicht anlocken. (…) Schon ein ausgestopfter Vogel seiner Art thut die Dienste.“
Nach jahrhundertlanger Käfighaltung sollten wir heute alles über den Gimpel wissen. Dennoch ist nicht alles über ihn bekannt. Ein Beispiel: Wir entdecken Gimpel meistens als Paar vereint. Es scheint, als führten sie eine lebenslange Ehe. Doch das ist nicht erwiesen.