HSV-Ikone Magath bereit für Bundestrainer-Job: Bin „in der Lage“ dazu

Felix Magath gehört zu den Chefkritikern des deutschen Fußballs. Seine Ernennung zum Bundestrainer wäre eine Riesenüberraschung. Foto: Andreas Gora/dpa
Hansi Flick ist Geschichte. Einen Tag nach seiner Demission wird es immer wilder um seine Nachfolge. Interimschef Rudi Völler hat klare Absichten, ein Kandidat spring sofort ab - und dann muss auch noch gegen Frankreich gespielt werden.
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Der frühere Bundesliga-Trainer Felix Magath sieht sich selbst als einen geeigneten Kandidaten für das Amt des Bundestrainers und traut sich die Aufgabe zu. Der Deutsche Fußball-Bund brauche nun einen Coach, der in der Lage sei, die „völlig verunsicherte Nationalmannschaft“ wieder aufzubauen, sagte der 70-Jährige dem NDR. „Und ich denke mal, dass ich (...) in der Lage bin, verunsicherte Mannschaften wieder aufzurichten und ihnen so viel Vertrauen zu geben, dass sie wieder in der Lage waren, wieder sehr gute Leistungen zu bringen“, sagte der ehemalige Bayern-Trainer.
Zuvor hatte unter anderem Ex-Nationalspieler Dietmar Hamann Magath als möglichen neuen Bundestrainer ins Gespräch gebracht. „Genau so einen Mann brauchen wir. Und ich könnte mir vorstellen, dass Felix das sofort machen würde“, sagte der Sky-Experte der Deutschen Presse-Agentur. Der DFB hatte den bisherigen Bundestrainer Hansi Flick am Sonntag von dessen Aufgaben entbunden, interimsmäßig hat ein Team um Sportdirektor Rudi Völler, Hannes Wolf und Sandro Wagner übernommen. Ein Flick-Nachfolger wird gesucht. Auch Stefan Effenberg hatte sich für Magath ausgesprochen.
„Ich weiß nicht, welches Anforderungsprofil der DFB für diese Position erstellt hat“, sagte Magath. „Aber meiner Meinung nach ist es ja ganz eindeutig so, dass wir im Fußball jetzt dringend jemanden brauchen, der diese völlig verunsicherte Mannschaft, die gar nicht mehr in der Lage ist, an ihr Leistungsvermögen heranzukommen, wieder zusammenfügt.“
Diese Aufgabe traue er sich zu. Magath war als Trainer zweimal mit dem FC Bayern und einmal mit dem VfL Wolfsburg Meister geworden. Zuletzt hatte er Mitte März 2022 den damaligen Bundesligisten Hertha BSC übernommen. Die Berliner konnte er in der Relegation vor dem Abstieg bewahren, anschließend verließ er den Verein.
Völler hilft nur einmal aus: Nicht „die Hose voll haben”
Völler nimmt indes die unerwünschte Rolle als Nothelfer auf der Trainerbank mit Herzblut und vollem Einsatz an, aber nur „als einmalige Sache”. Das stellte der DFB-Sportdirektor schon 27 Stunden vor der Herkules-Aufgabe gegen Angstgegner Frankreich mit WM-Torschützenkönig Kylian Mbappé klar.
„Ich weiß, ich kann mal aushelfen”, sagte der 63-Jährige. Und er gab den „wunderbaren Fans”, die am Dienstagabend (21 Uhr/ARD) im Dortmunder Stadion sein werden, auch ein Versprechen. „Ich würde am liebsten ein tolles Ergebnis versprechen, aber das geht ja nicht”, sagte Völler. Versprechen könne er aber für das Spiel eins nach Hansi Flick, dass „die Einstellung stimmen wird. Die Spieler brennen.”

Rudi Völler (M) schließt den Job als Teamchef bis zur Heim-EM für sich aus.
Eine Ansage an das weiterhin von Ilkay Gündogan als Kapitän angeführte Team hatte Völler schon nach dem „blamablen” 1:4 gegen Japan ausgerufen, als er noch gar nicht als Interims-Teamchef sprach. „Keiner darf die Hose voll haben.” Ob Deutschland Außenseiter gegen Frankreich sei, beantwortete Gündogan derweil mit einem Wort: „Ja!” Trotzdem sei es „an der Zeit, mal ein ordentliches Ergebnis zu erzielen”.
„Wir müssen versuchen, Kredit zurückzugewinnen”
Bei seinem Comeback auf der DFB-Trainerbank 19 Jahre nach seinem Rücktritt will Völler den Absturz der Nationalmannschaft stoppen und im Idealfall einen Stimmungsumschwung im Lande herbeiführen. Und dafür nimmt der einstige Fan-Liebling die Spieler, die unter Flick nicht mehr liefern konnten (oder wollten?), besonders in die Pflicht. „Wir müssen versuchen, Kredit zurückzugewinnen”, mahnte Völler. Er glaubt, dass ein Team mit vielen in Champions-League-Partien bewährten Profis wie Gündogan, Marc-André ter Stegen, Antonio Rüdiger oder Joshua Kimmich einfach mehr leisten kann und muss als bei den mittlerweile fünf sieglosen Länderspielen in der Endzeitatmosphäre unter Flick.
„Die Spieler können es ja auch, die kommen alle aus Topclubs, zeigen da auch ihre Leistung - und das erwarte ich auch am Dienstag”, sagte Völler. Mit dem Bus reiste der DFB-Tross am Montag aus Wolfsburg nach Dortmund. Dort musste Völler unterstützt von U20-Auswahlcoach Hannes Wolf und Ex-Nationalspieler Sandro die verunsicherte, aber womöglich jetzt auch von Zweifeln und Ballast befreite Mannschaft in nur einem Training auf die Franzosen vorbereiten. Ausfallen könnte Lokalmatador Niklas Süle, der wegen der bevorstehenden Geburt seines zweiten Kindes das Team zumindest vorübergehend verließ.
Völler will Team nicht komplett umkrempeln
Dazu sind einige Spieler, die Völler nicht namentlich benannte, angeschlagen. „Ein, zwei, drei Änderungen”, kündigte er an, alles umkrempeln werde er nicht. Er sprach von „Impulsen”, die er mit seinen Helfern setzen wolle. „Wir haben ein Spiel gegen die im Moment beste Mannschaft in Europa. Das wird natürlich schwierig”, sagte Völler. Aber er fügte einen Satz im Selbstverständnis des Weltmeisters von 1990 hinzu: „Wir sind immer noch Deutschland.”
Völler will mit den weiteren DFB-Entscheidern um Präsident Bernd Neuendorf „relativ schnell” eine Nachfolgelösung für Flick präsentieren: „Das ist die Hauptaufgabe.” Namen von Jürgen Klopp bis Julian Nagelsmann werden gehandelt, egal wie wahr und vor allem wie realistisch sie sind. Groß ist der Kandidatenkreis kurz nach Saisonbeginn nicht. Völler könnte dem Verband mit einem Ergebnis- und Leistungs-Lichtblick gegen Frankreich wertvolle Zeit verschaffen, etwas Druck rausnehmen. Im Oktober geht das DFB-Team auf USA-Reise.
Kein Rangnick-Interesse an Flick-Nachfolge
Ralf Rangnick steht nicht als möglicher Nachfolger zur Verfügung. Der 65-Jährige antwortete am Montag in Windischgarsten in einem Interview dem ORF auf die Frage, ob er für eine Anfrage des Deutschen Fußball-Bundes bereitstehen würde mit: „Nein.“
Er habe sich vor 14 Monaten dazu entschieden, in Österreich als Teamchef zu arbeiten und die Mannschaft so vorzubereiten, dass sie sich für die EM im kommenden Jahr in Deutschland qualifizieren und dort auch eine gute Rolle spielen würden, erklärte Rangnick. „Alles andere ist für mich kein Thema“, sagte er.
Die Suche nach dem Flick-Nachfolger ist beim DFB auch eine Frage des Geldes. Flick hatte vor gut zwei Jahren einen Vertrag bis nach der EM 2024 unterschrieben, der auch noch gültig ist. Es ist deshalb möglich, dass der DFB bei der Unterschrift des Neuen zunächst zweimal den Posten „Bundestrainer“ finanzieren muss.
Der DFB beziffert in seinem Finanzbericht nicht das genaue Gehalt des wichtigsten Angestellten, der Posten wird zur großen „Haushaltsgruppe 6“ mit etlichen anderen zusammengefasst. „Insgesamt betragen die Personalkosten des DFB 59,67 Millionen Euro“, heißt es im letzten Finanzbericht zu allen knapp 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern „inklusive Sportlicher Leitung und Trainerstab“.
Der Bericht hatte die enorm angespannte Finanzlage des Verbands aufgezeigt. Auch wegen nötiger Steuerrückstellungen betrug das Minus 33,5 Millionen Euro. Im Sommer erarbeitete der Verband einen Konsolidierungsplan, um das vorhandene strukturelle Defizit von derzeit jährlich 19,5 Millionen Euro auf zumindest 4,5 Millionen Euro zu reduzieren.
DFB-Team braucht Sicherheit und Stabilität
Die Spieler sind nun am Zug, Flick fällt als Alibi weg. Gündogan sprach von „einem Mix aus Trauer, Frust, Enttäuschung” in der Mannschaft: „Ich habe als Spieler das Gefühl, Hansi im Stich gelassen zu haben”, sagte der 32-Jährige. Doch der Blick geht nach vorne. Kimmich verneinte mit Blick auf die große Herausforderung gegen die Équipe Tricolore Angst („Null!”) und gab stattdessen die Marschroute aus: „Es geht nicht darum, dass wir schön spielen und über Passstafetten ins Spiel kommen. Es ist jetzt wichtig, dass wir andere Attribute auf den Platz bringen, Leidenschaft und so. Darum geht es jetzt.” Gündogan ergänzte: „Zunächst mal wollen wir unsere individuellen Fehler abstellen.”
Zum Aufbaugegner taugen die Franzosen mit ihrer eingespielten Mannschaft und ihren zahlreichen Offensiv-Könnern wie Mbappé, Antoine Griezmann, Ousmane Dembélé, Randal Kolo Mouani, Marcus Thuram oder auch Bayerns Kingsley Coman sicher nicht. Mit makellosen fünf Siegen und 11:0 Toren ist die Équipe von Nationaltrainer Didier Deschamps in ihre EM-Qualifikationsgruppe gestartet, darunter ein 4:0 gegen die Niederlande.
Die letzte Niederlage und die letzten Gegentore gab es beim 3:3 im packenden WM-Finale von Katar gegen Argentinien und Lionel Messi mit der Niederlage erst im Elfmeterschießen. Da wird auch ein Völler-Comeback nicht reichen. „Dass es so schwierig ist, hätte ich mir auch nicht vorgestellt in den letzten Wochen und Monaten”, stöhnte der Aushilfscoach. (dpa)