Historisches Urteil: Fünf Jahre Haft für Sarkozy

Sarkozy nennt das Urteil einen Skandal. Foto: Christophe Ena/AP/dpa
Frankreichs früherem Präsidenten Nicolas Sarkozy drohen Jahre im Gefängnis. Er selbst nennt das Urteil der Libyen-Affäre einen Skandal. Warum es beispiellos ist.
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Paris. Es ist ein beispielloses Urteil: In der Affäre um mutmaßliche Wahlkampfgelder aus Libyen verurteilte ein Pariser Strafgericht Frankreichs Ex-Präsidenten Nicolas Sarkozy zu fünf Jahren Haft. Noch nie erhielt ein früheres Staatsoberhaupt in der jüngeren französischen Geschichte eine so harte Strafe. Es ist ein Schlag ins Gesicht des 70 Jahre alten Konservativen Sarkozy, der in dem Mammutverfahren stets seine Unschuld beteuert hatte. Er reagierte aufgebracht und kündigte Berufung an. Auch wenn der Schuldspruch noch nicht rechtskräftig ist, dürfte Sarkozy die Haft schon bald antreten müssen.
Historisch ist das Urteil auch, weil die Justiz mit dem Prozess auch Machenschaften für bewiesen hält, die das Format einer Staatsaffäre haben. Zwar sah das Pariser Strafgericht keine Belege dafür, dass es tatsächlich eine illegale Finanzhilfe für Sarkozys Präsidentschaftswahlkampf 2007 aus Libyen gab. Es ging in seiner Urteilsbegründung aber davon aus, dass der Konservative und enge Vertraute auf jeden Fall versucht haben, sich Gelder des libyschen Machthabers Muammar Gaddafis zu Wahlkampfzwecken zu verschaffen.
Richterin sieht „außerordentliche Schwere der Tat“
Die Vorsitzende Richterin Nathalie Gavarino sagte, dass Sarkozy als damaliger Innenminister sowie seine engen Mitarbeiter und politischen Unterstützer, die ihm unterstanden und die in seinem Namen handelten, versucht hätten, in Libyen um eine Finanzierung des Wahlkampfs zu bitten.
Damit habe Sarkozy sich der Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung schuldig gemacht, „einem Vergehen gegen die Nation, den Staat und die öffentliche Ordnung“. Gavarino sprach von einer „außerordentlichen Schwere“ der Tat. Von den Vorwürfen der Bestechlichkeit und der illegalen Wahlkampffinanzierung sprach das Gericht Sarkozy hingegen frei.

Die Staatsanwaltschaft hatte von einem Korruptionspakt zwischen Sarkozy und Gaddafi gesprochen. (Archivbild) Foto: epa Maya Vidon/EPA/dpa
Sarkozy empört über hartes Urteil
Entsprechend hart fiel das Urteil des Gerichts aus. Das Gericht erließ gegen Sarkozy einen Haftbefehl. Das Datum des Haftantritts soll bei einer Vorladung festgesetzt werden. Zudem verordnete das Gericht eine vorläufige Vollstreckung des Urteils. Dies bedeutet, dass Sarkozy die Haft auch dann antreten muss, wenn er in Berufung geht. Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft konnte kurz nach dem Urteil nicht sagen, ob Sarkozy speziell gegen diese Maßnahmen vorgehen kann. Grundsätzlich können Verurteilte, die 70 Jahre oder älter sind, Haftabwandlungen beantragen.
Sarkozy reagierte empört auf den Schuldspruch. Noch im Gerichtsgebäude sprach er von einer „unerträglichen Ungerechtigkeit“ und einem Skandal. Der Hass gegen ihn kenne keine Grenzen. „Ich bin unschuldig und
natürlich werde ich Berufung einlegen.“ Wenn er im Gefängnis schlafen müsse, dann „mit erhobenem Haupt“, sagte er. „Ich werde bis zu meinem letzten Atemzug kämpfen, um meine vollständige Unschuld zu beweisen.“
Anklage warf Sarkozy Korruptionspakt mit Gaddafi vor
In der Libyen-Affäre ging es um den Vorwurf, dass für Sarkozys Präsidentschaftswahlkampf 2007 illegal Geld von der Staatsführung des damaligen libyschen Machthabers Gaddafi geflossen sein soll. Ein Zeuge hatte 2016 ausgesagt, er habe Ende 2006 oder Anfang 2007 mehrere in Libyen vorbereitete Koffer mit insgesamt fünf Millionen Euro ins Pariser Innenministerium gebracht, das damals von Sarkozy geführt wurde.
Laut Anklage schloss der spätere Präsident einen Korruptionspakt mit Gaddafi. Vertraute Sarkozys sollen die angeblichen Geldflüsse über Mittelsmänner eingefädelt haben. Viele Aussagen dazu hielt das Gericht aber für widersprüchlich und verwertete sie nicht. Auch die angebliche Abgabe von Millionensummen in Koffern sei nicht nachweisbar.
Weitere Haftstrafen verhängt
Neben dem einstigen Staatsoberhaupt waren zwölf weitere Menschen in dem politisch brisanten Verfahren angeklagt - unter ihnen auch drei frühere Minister. Gegen den mitangeklagten ehemaligen Innenminister Claude Guéant verhängte das Gericht sechs Jahre Haft, gegen den ehemaligen Innenminister Brice Hortefeux zwei Jahre Haft. Der ebenfalls angeklagte ehemalige Arbeitsminister Éric Woerth wurde freigesprochen.
Das dreimonatige Mammutverfahren folgte auf mehr als zehn Jahre dauernde Ermittlungen. Ins Rollen gekommen waren die Untersuchungen, nachdem die Familie Gaddafis selbst behauptet hatte, den Wahlkampf des Konservativen finanziert zu haben. In dem spektakulären Prozess ging es dann unter anderem um ominöse Geheimtreffen und Tagebucheinträge eines Gaddafi-Vertrauten.
Seit Jahren kämpft Sarkozy mit der Justiz
Für Sarkozy ist das Urteil wohl die bisher größte Niederlage in seinem seit Jahren andauernden Kampf mit der Justiz. Immerhin droht ihm tatsächlich Gefängnis, auch wenn er von zentralen Anklagepunkten freigesprochen wurde. Bereits in zwei anderen Fällen war der einstige Hoffnungsträger von Frankreichs bürgerlicher Rechten verurteilt worden, einmal davon rechtskräftig. Der bisherige Tiefpunkt war, dass Sarkozy gut drei Monate lang eine Fußfessel tragen musste und sein Haus nur zu bestimmten Zeiten verlassen durfte. Nun wurde er wohl unterboten.

Trotz eines teilweisen Freispruchs erhält Sarkozy eine harte Strafe. Foto: Michel Euler/AP/dpa