Hohe Kosten, gesunkene Preise: Wie steht‘s um die Bauern in der Wesermarsch?

Die Milchviehbetriebe in der Wesermarsch sind immer Schwankungen ausgesetzt und müssen mit vielen Unwägbarkeiten leben. Foto: Jens Büttner
Hendrik Lübben, Vorsitzender des Milchausschusses des Kreislandvolkverbands, wirft einen Blick auf die aktuelle Situation in der Milchviehwirtschaft. Existenzbedrohend sei sie nicht, sagt er, schwierig aber schon. Die Einzelheiten.
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Von Detlef Glückselig
Wie geht es den Milchviehbetrieben in der Wesermarsch? Wie haben sich die Preise entwickelt? Welche Auswirkungen hatten die Wetterkapriolen der vergangenen Monate für die Landwirte? Und welchen Perspektiven sieht die Branche entgegen?
Die Kreiszeitung hat die Wahl von Jannes Bergsma aus Eckwarden zum stellvertretenden Vorsitzenden der Molkerei Ammerland eG zum Anlass genommen, sich nach der aktuellen Situation in der Landwirtschaft zu erkundigen. Hendrik Lübben, Vorsitzender des Milchausschusses des Kreislandvolkverbands Wesermarsch, hat den Überblick.
2022 war die „Zeit der verrückten Preise“
Dass sie von Schwankungen auf dem Weltmarkt betroffen sind, Angebot und Nachfrage die Preise bestimmen und das Wetter eine unbekannte Größe darstellt, das sind die Landwirte gewohnt. Eine Krise wie den Krieg in der Ukraine jedoch nicht. Wenn Hendrik Lübben auf das Jahr 2022 zurückblickt, dann blickt er auf eine „Zeit der verrückten Preise“, wie er es nennt. Der Krieg hat wie überall auch in der Landwirtschaft die Kosten in die Höhe getrieben. Gleichzeitig stiegen aber auch die Preise für landwirtschaftliche Produkte. Letzteres ist inzwischen vorbei.
Während die Kosten weiterhin hoch sind, haben sich die Märkte laut Hendrik Lübben in diesem Jahr reguliert - was bedeutet, dass der Milchpreis gesunken ist. Das hat zum Glück noch nicht das Niveau der Jahre erreicht, als die Landwirte auf die Straße gingen, weil der Liter Milch nur eben über 20 Cent brachte. Doch auch den jetzigen Preisverfall merken die Bauern. Zahlten die Molkereien im vergangenen Jahr noch 60 Cent, so seien es jetzt 40 Cent oder sogar darunter, berichtet Hendrik Lübben. Das Drittel weniger macht sich im Portemonnaie bemerkbar.
Hendrik Lübben: Situation schwierig, aber nicht existenzbedrohend
Die Situation, die sich aus der aktuellen Entwicklung von Kosten und Preisen ergibt, bezeichnet der Vorsitzende des Milchausschusses als schwierig, aber nicht existenzbedrohend. Zumal es in anderen Bereichen nicht schlecht aussah und -sieht.
Ihre Maisernte hatten viele Landwirte während der langen Trockenphase im Frühjahr und Frühsommer schon fast abgeschrieben. Der Regen setzte gerade noch rechtzeitig ein, dass der Mais letztlich doch gut wuchs.
Beim Grünland war der erste Schnitt laut Hendrik Lübben gut; beim zweiten ließ die Menge zu wünschen übrig, weil es zu trocken war; und beim dritten kämpften die Landwirte mit dem Regen. Insgesamt werde das, was bereits eingefahren ist, und das, was noch folgt, aber ausreichen, so dass die Bauern voraussichtlich für den Winter kein Futter zukaufen müssen, rechnet der Milchausschussvorsitzende.
Zu viel Regen: Qualitätsverluste bei der Getreideernte
Das ungünstige Verhältnis vom Euro zum Dollar macht es den Landwirten nicht leichter. Bei der Getreideernte war wiederum der viele Regen das Problem - er führte zu großen Qualitätsverlusten, die sich nun vor allem auf die Preise für Brotgetreide auswirken.
Ihre Erwartungen für den Herbst müssen die Landwirte nach Einschätzung von Hendrik Lübben allgemein zurückschrauben. Das Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage entwickelt sich zu ihren Ungunsten. Die Energiekosten, die Preise auf dem Dünger-Markt und die Entwicklung in der Ukraine bleiben Unsicherheitsfaktoren.
Die Entwicklung der Milchviehwirtschaft in Zahlen
Zahlen zur Entwicklung der Milchviehwirtschaft in der Wesermarsch kann Andrea Vogt liefern, die beim Kreislandvolkverband für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist. Sie zeigen unter anderem, dass die Zahl der Betriebe kontinuierlich sinkt.
Anzahl der landwirtschaftlichen Betriebe mit Milchkühen in der Wesermarsch
2010: 576 Betriebe mit 48.161 Milchkühen
2016: 489 Betriebe mit 54.083 Milchkühen
2020: 411 Betriebe mit 49.834 Milchkühe
Nutzung der landwirtschaftlichen Fläche
2016: 56.615 Hektar gesamte landwirtschaftlich genutzte Fläche, davon 7.325 Hektar Ackerland und 49.268 Hektar Dauergrünland.
2020: 56.692 Hektar gesamte landwirtschaftlich genutzte Fläche, davon 7.596 Hektar Ackerland und 49.080 Hektar Dauergrünland.
Betriebe mit ökologischem Landbau
2010: 49 Betriebe, davon 44 Betriebe mit ökologisch bewirtschaftetem Viehbestand.
2020: 51 Betriebe mit 4.378 Hektar ökologisch bewirtschafteter Fläche, davon 41 Betriebe mit ökologisch bewirtschaftetem Viehbestand (4397 Milchkühe).