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Abschiedstour

Kabarettisten im Interview: „Bei Alma Hoppe lacht nicht nur der Kopf, sondern auch der Bauch“

Nach 39 Jahren ist nun Schluss für Jan-Peter Petersen (links) und Nils Loenicker. Das aktuelle Programm „Finale Arrabbiata“ ist das letzte gemeinsame für das Kabarett-Duo Alma Hoppe. Fotos: Alma Hoppe

Nach 39 Jahren ist nun Schluss für Jan-Peter Petersen (links) und Nils Loenicker. Das aktuelle Programm „Finale Arrabbiata“ ist das letzte gemeinsame für das Kabarett-Duo Alma Hoppe. Fotos: Alma Hoppe

Bald ist Schluss mit lustig - nach dann 39 Jahren. Das aktuelle Programm „Finale Arrabbiata“ ist das letzte gemeinsame für das Kabarett-Duo Alma Hoppe.

Von Markus Lorenz Samstag, 10.12.2022, 18:00 Uhr

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Wir treffen uns im Foyer ihres Lustspielhauses in Eppendorf, ausgerechnet ein früheres Gemeindehaus. Mal ernst, mal spaßig blicken Jan-Peter Petersen (64) und Nils Loenicker (62) im Doppelinterview auf Jahrzehnte politisch ambitionierten Klamauks zurück. Und sie erzählen, warum es trotzdem auch weiterhin reichlich zu lachen geben wird. Alle drei in der Runde sind in etwa der gleiche Jahrgang - wir verständigen uns auf das Du.

TAGEBLATT: Nils, Alma Hoppe trennt sich nach mehr als 38 Jahren. Könnt Ihr Eure Witze nicht mehr hören?

Loenicker: Das ist nicht der Grund. Jedes Projekt endet mal, und der Lebensweg geht in eine andere Richtung. Mein Hunger auf der Bühne ist gestillt. Dabei hat auch die Corona-Zeit eine Rolle gespielt, die hat mich ganz schön berührt. Ich will nicht mehr müssen müssen.

Petersen: Ich mache weiterhin Kabarett. Und auch das Lustspielhaus gibt es natürlich weiter. Ich gehe gut gelaunt in das, was da kommt.

Was machst Du künftig, Nils?

Loenicker: Ein bisschen trete ich noch als „Bauer Hader“ auf. In erster Linie werde ich aber eine kleine Wein-Lounge eröffnen. In Belau in der Nähe von Plön, mit Außenterrasse und Seeblick. Das war immer mein Traum.

Ihr seid das mit Abstand bekannteste und erfolgreichste Hamburger Kabarett-Duo. Habt Ihr mal Eure Zuschauer zusammengezählt?

Petersen: Das nicht, aber die Vorstellungen. Es waren mehr als 5500 im Lustspielhaus und auf Tournee, da kann es gut sein, dass wir nach all der Zeit siebenstellig sind.

Welche Politiker habt Ihr am liebsten verulkt?

Loenicker: Früher Helmut Kohl, die „Birne“, aber auch Horst Seehofer und Edmund Stoiber - der, der im Transrapid vom Münchner Hauptbahnhof zum Flughafen zehn Minuten brauchte (lacht).

Petersen: Wen wir beide aktuell gleichermaßen nicht mögen, ist Wolfgang Kubicki. Es gibt keinen Politiker, den wir ätzender finden, zu ihm äußern wir uns … sehr gern (lacht). Er ist die Stradivari unter den Arschgeigen.

Loenicker: Und der ganze Saal lacht sofort mit. Wenn man den Namen Kubicki nur nennt, geht’s schon los. Der ist zum Abschuss freigegeben (beide lachen).

Was ist mit Olaf Scholz?

Petersen: Auch über den kannst Du Dich ganz einfach lustig machen, weil er auf diese typische Art und Weise redet. Der große Charismatiker ist er ja nicht. Klar verarschen wir auch Olaf Scholz.

Wie denn?

Petersen: Na ja, Scholz tritt bei internationalen Konferenzen als Stimmungskanone auf.

Loenicker: Oder wir erklären, warum Scholz seine Aktentasche immer bei sich hat.

Nämlich?

Loenicker: Weil darin nur ein einziger Zettel liegt, auf dem steht: „Ich bin Kanzler“ - damit er das nicht auch noch vergisst. Übrigens kriegt auch Friedrich Merz sein Fett weg. Das ist ein ganz schlimmer Finger.

Bekommt Ihr böse Anrufe oder E-Mails von Politikern, wenn Ihr sie auf die Schippe nehmt?

Petersen: Eigentlich nicht. Je wichtiger sie sind, desto dicker ist deren Fell.

Deutsches Kabarett ist immer links, Ihr seid es auch. Wie politisch ist Alma Hoppe?

Petersen: Wir haben Kabarett immer politisch verstanden. Aber der Mix macht’s. Wir bieten auch stets Gesellschaftssatire, aktuell zum Beispiel zu Nahrungsmittelunverträglichkeiten. In der Nummer macht ein Gast den Kellner fertig, weil er ständig die Bestellung ändert. Und der Kellner rächt sich dann. Früher sind wir wegen dieser Mischung aus komödiantischen, albernen Teilen und politischem Kabarett zerrissen worden. Aber gerade diese Mixtur hat uns ein sehr breit aufgestelltes Publikum beschert.

Loenicker: Wir sagen immer: Bei Alma Hoppe lacht nicht nur der Kopf, sondern auch der Bauch.

Darf man sich im Kabarett über alles lustig machen?

Petersen: Wenn’s um Minderheiten oder Behinderte geht, betrittst Du schnell sensibles Gelände. Wir legen uns da zwar keinen Maulkorb um, aber die Pointe muss schon verdammt gut gesetzt sein. Die Wahrscheinlichkeit, jemanden zu verletzen, ist bei solchen Themen sehr groß.

Loenicker: Heikel wird’s immer, wenn es um Kirche und Glauben geht. Wir sind überzeugte Atheisten, und es gibt Menschen, die fühlen sich schnell in ihrem Glauben gekränkt. Ein sehr schmaler Grat. Anderseits: Wenn man was missverstehen will, dann missversteht man es. Und mancher hört auch nicht richtig zu. Die Falle im Kabarett schnappt nämlich am Ende zu, nicht vorne.

Petersen: Wir haben übrigens die Erfahrung gemacht, dass es einen hohen Reiz hat, ins eigene Lager zu schießen - also auf die alten Linken. Die sind besonders humorresistent.

Passiert es, dass Menschen empört aufstehen und die Vorstellung verlassen?

Petersen: Passiert ist alles schon mal, aber sehr selten. In der Regel kommen ja Leute ins Kabarett, die wissen, was sie erwartet.

Thematisch also keine Tabus. Macht Ihr Witze über den Ukraine-Krieg?

Petersen: Ja, aber es war am Anfang sehr schwierig, das einzuordnen. Wir machen im aktuellen Programm „Finale Arrabbiata“ die deutschen Waffenlieferungen zum Thema. Wir haben da eine ganz klare Haltung.

Welche?

Petersen: Ich reflektiere darüber, was der Krieg mit mir altem Pazifisten anstellt. Es ist ein Dilemma, auf der einen Seite zu sagen, wir müssen einen atomaren Krieg vermeiden. Auf der anderen Seite ist es schwer, zu entscheiden, wann Regierungen welche Waffen und wie viele liefern sollen. Ich find’s zu einfach, zu sagen: „Wir müssen.“ Viele Leute sehen auf einmal in militärischen Mitteln die Lösung eines Konflikts. Das ist nicht meine Meinung.

Diese Abfolge großer Krisen muss ein Eldorado für Kabarettisten sein, oder?

Petersen: Dass für uns alle die sicher geglaubten persönlichen Gewissheiten weggebrochen sind, nehmen wir jedenfalls als inhaltlichen Rahmen. Denn an dem Punkt holt man die meisten Menschen ab. Mir geht es ja selbst so: Wenn ich zu einem Thema etwas schreiben und dazu eine Distanz entwickeln kann, fühl’ ich mich schon besser. Ein bisschen Abstand zu dem zu bekommen, was dich nervt - das kann sich der Besucher bei uns abholen.

Loenicker: Sprüche wie „Lachen ist gesund“ und „Humor ist, wenn man trotzdem lacht“ kommen ja nicht von ungefähr. Wir machen zeitnahe Reflexion der Aktualität. Das erwarten die Leute und das bekommen sie von uns.

Manche sagen, Hamburger haben keinen Humor. Was sagt Ihr?

Petersen: Quatsch. Man sagt den Hamburgern ja nach, sie lachen viel nach innen. Das Hamburger Publikum ist jedenfalls sehr schnell und reaktionsfreudig.

Ihr wart immer auch viel in Norddeutschland unterwegs. Sind die Zuschauer da anders?

Loenicker: Nein. Unsere Hochburgen sind Elmshorn, Bargteheide, Wedel und andere Orte. Vor allem da ist das Publikum einfach unheimlich toll. Die lieben uns und feiern uns jedes Mal ab.

Als Ihr 1984 angefangen habt, gab es den Begriff Comedy noch nicht. Heute bevölkern Comedians Fernsehsendungen und Bühnen. Ärgert Ihr Euch, dass ihr 20 Jahre zu früh dran wart?

Petersen: Nein, wir sind nicht futterneidisch. Comedy ist was anderes als Kabarett. Für uns gehörte Kabarett nie zum Mainstream, und damit hatten wir immer ein sehr treues Publikum, das eben auch eher nicht Mainstream ist. Und wir sind glücklich, in einer Zeit angefangen zu haben, als Ensembles und Duos noch verbreitet waren. Die sind aufgrund der Anforderungen des Fernsehens inzwischen praktisch alle verschwunden. Comedians lassen wir weiterhin bewusst nicht bei uns im Lustspielhaus spielen.

Warum nicht?

Petersen: Witze erzählen allein reicht uns nicht. Wir haben andere Maßstäbe. Wir wollen das Image des Theaters als Ort für Kabarett erhalten.

Hat sich Humor über die Jahrzehnte verändert?

Loenicker: Es gibt auf jeden Fall mehr Aufreger. Menschen posten heute ganz schnell ganz viele Reaktionen. Wir hatten ein Programm mit dem Titel „Chinesen zum Frühstück“. Da kam sofort der Vorwurf des Rassismus.

Petersen: Diese Leute hatten das Programm aber nie gesehen. Solche Befindlichkeiten haben deutlich zugenommen. Zugleich ist der Humor in den Jahrzehnten auch robuster geworden. Es darf kräftig gepoltert werden, was früher nicht möglich gewesen wäre. Andererseits: Es gibt auch feineren Humor, etwa aus der Poetry-Slam-Szene.

Hat Corona die Existenz Eures Theaters in Gefahr gebracht?

Petersen: Wir wollen nicht klagen. Der Senat hat den Bestand der Privattheater in der Krise sichergestellt. Dafür sind wir sehr dankbar, denn in anderen Bundesländern war das sehr viel komplizierter. Wir haben die Krisen bisher ganz gut überstanden.

Wie geht es nach dem Ende des letzten gemeinsamen Programms von Alma Hoppe im März 2023 weiter?

Petersen: Ich trete weiterhin als Solist auf und starte mein neues Programm im nächsten September. Mit meinem ältesten Sohn Max Beier und Katie Freudenschuss bringen wir außerdem Ende 2023 einen satirischen Jahresrückblick auf die Bühne. Ansonsten werden im Lustspielhaus weiterhin die großen Nasen der Kabarettszene auftreten, mit mehr Gastauftritten als bisher.

Verschwindet der Name Alma Hoppe?

Petersen: Für das Theater bleibt er, aber solo trete ich unter meinem eigenen Namen auf. Alma ohne Hoppe - das ist keine Option.

Bitte ergänzen Sie...

Was ich immer noch mal machen möchte, ist … Loenicker: … eine Wein-Lounge eröffnen.

Luxus ist für mich… Loenicker: …selbstbestimmt zu arbeiten. Petersen: …feiern.

Wenn ich einen Tag Bundeskanzler wäre, … Loenicker: …würde ich das Überholverbot für Lkw einführen. Petersen: …würde ich mir den Terminkalender zeigen lassen und dann sagen: Ich hab‘ leider keine Zeit.

Geld bedeutet mir… Loenicker: Haben ist besser als brauchen. Petersen: …Mittel zum Zweck.

Ich könnte gut verzichten auf…

Loenicker: …Nazis. Petersen: …frühes Aufstehen.

An diesem Ort in Hamburg fallen mir die besten Pointen ein… Loenicker: …im Wald. Petersen: …in meiner Dusche.

Gendern finde ich… Loenicker: …überflüssig. Petersen: …interessant und eine Gelegenheit, sich mal neue Gedanken zu machen.

Zur Person

Seit 1984 treten Jan-Peter Petersen und Nils Loenicker als Kabarett-Duo Alma Hoppe auf. Ab 1988 gab es im Kabarett-Lokal „Mon Marthe“ (Eppendorf) eine feste Spielstätte, seit 1994 betreiben sie ihr eigenes Privattheater „Alma Hoppes Lustspielhaus“ an der Ludolfstraße, ebenfalls in Eppendorf.

Beide sind in Hamburg geboren und fanden ihre Berufung auf Umwegen. Petersen, Jahrgang 1958, ist ausgebildeter Elektriker und brach ein Jurastudium ab. Loenicker, Jahrgang 1960, lernte Informationselektroniker bei den HEW und spielte Laientheater bei der Gewerkschaft, wo ihn Petersen „entdeckte“. Der Name Alma Hoppe geht auf eine Saftfabrik und die einst größte Süßmosterei Norddeutschlands in Neuenkirchen (Hadelner Land) zurück - ein tieferer Sinn habe in dieser Wahl aber nie gelegen, erinnern sich beide.

Petersen schreibt einen Großteil der Texte für die gemeinsamen Programme, während sein Bühnenkumpel seit Jahren auch als „Bauer Hader“ erfolgreich durch Norddeutschland tourt.

Jan-Peter Petersen hat vier Söhne und lebt in Hamburg-Alsterdorf. Nils Loenicker wohnt mit seiner Ehefrau in Schmalensee (Kreis Segeberg) nahe Bornhöved in Schleswig-Holstein.

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