Krankenstand belastet Firmen – Zweite Grippewelle im Umlauf

Grippe oder Covid-19? Dies können Ärzte mit einem Test klären. Foto: Christin Klose/dpa-tmn
Schnupfen, Husten, Grippe, Bronchitis - die Zahl der Atemwegserkrankungen hat drastisch zugenommen. Das macht sich in erheblichen Mehrausgaben der Arbeitgeber für die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall bemerkbar.
Premium-Zugriff auf tageblatt.de für nur 0,99 €
Jetzt sichern!
Von Birgit Marschall
Die Unternehmen in Deutschland haben wegen des deutlich erhöhten Krankenstands für Lohnfortzahlungen an ihre erkrankten Mitarbeiter im vergangenen Jahr einen zweistelligen Milliardenbetrag zusätzlich ausgeben müssen. Das geht aus einer noch unveröffentlichten Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) hervor. Demnach kostete die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall im Jahr 2021 rund 77 Milliarden Euro. „Aufgrund des erhöhten Krankenstands ist für 2022 mit einer deutlichen Steigerung zu rechnen.
Vorsichtig geschätzt muss davon auszugegangen werden, dass die Arbeitgeber in Deutschland zuletzt einen zweistelligen Milliardenbetrag zusätzlich für die Fortzahlung des Entgelts ihrer erkrankten Mitarbeiter aufwenden mussten“, heißt es in der Studie. Insgesamt kostete die Lohnfortzahlung im Jahr 2022 demnach mindestens 87 Milliarden Euro, wenn nicht gar mehr als 90 Milliarden.
Krankenstand steigt um 30 Prozent
Vor allem erheblich mehr Atemwegserkrankungen haben den Krankenstand im vergangenen Jahr in die Höhe schießen lassen. In einer monatlichen Stichprobe des Dachverbands der Betriebskrankenkassen (BKK) wird die Entwicklung des Krankenstands unter den beschäftigten Mitgliedern zeitnah dokumentiert. Danach stieg der Krankenstand 2022 um rund 30 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Im Mittel fehlten den Unternehmen rund sechs Prozent aller Beschäftigten. In den vorherigen Jahren waren es stets deutlich weniger als fünf Prozent. „Zerlegt man die Krankenstandsquote in den Beitrag einzelner Krankheitsarten, dann wird deutlich, dass mit jahresdurchschnittlich 1,35 Prozentpunkten vor allem die Atemwegserkrankungen zu dieser Entwicklung beigetragen haben. Der Anteil dieser Diagnosegruppe am gesamten Krankenstand lag im vergangenen Jahr bei 23 Prozent und damit mehr als doppelt so hoch wie 2021“, so das Institut der deutschen Wirtschaft.
Medizinisch lasse sich der Anstieg der Atemwegserkrankungen mit den Kontaktbeschränkungen und der Maskenpflicht während der Corona-Jahre erklären, die die Immunsysteme der Menschen geschwächt hätten. Laut dem Robert Koch-Institut „führten in den vergangenen Monaten Influenza- und Respiratorische Synzytialviren (RS-Viren) zu einem starken Anstieg des Krankheitsgeschehens“, heißt es in der Studie.
Zugleich habe sich zuletzt die Medikamentenknappheit vor allem wegen der „außerordentlich hohen Nachfrage“ zunehmend bemerkbar gemacht.
Zweite Grippewelle der Saison in Deutschland hat begonnen
In Deutschland hat eine zweite Grippewelle in dieser Saison begonnen. Nach der Definition des Robert Koch-Instituts (RKI) wird der Beginn rückblickend auf die Woche bis 5. März datiert, wie aus dem wöchentlichen Bericht zu akuten Atemwegserkrankungen hervorgeht. Die zweite Grippewelle sei durch die Zirkulation von Influenza-B-Viren ausgelöst worden. Damit geht die Grippesaison in Deutschland ungewöhnlich weiter.
In dieser Saison gab es nach RKI-Daten bereits eine außergewöhnlich frühe Grippewelle vor dem Jahreswechsel. Diese wurde durch Influenzaviren des Subtyps A(H3N2) verursacht. Diese Welle wurde durch die Weihnachtsferien relativ schnell ausgebremst, so dass die Kriterien für das Ende der Welle schon in der ersten Kalenderwoche 2023 erfüllt waren. Im Vergleich zum Beginn der ersten Grippewelle steige die Influenza-Aktivität zurzeit langsamer und geringer an.
Anstieg an Influenza-B-Viren
In den bisherigen saisonalen Grippewellen kam es häufig nach der Zirkulation von Influenza-A-Viren zu Beginn der Welle im weiteren Verlauf zu einem Anstieg des Anteils an Influenza-B-Viren. „Dies ging aber fließend ineinander über“, hatte das RKI kürzlich auf dpa-Anfrage erklärt. Durch Influenza B sei es dann zu einer Verlängerung der Grippewelle gekommen, aber nicht zu einer Unterbrechung mit einem so deutlichen Abfall der Influenza-Aktivität wie in dieser Saison um den Jahreswechsel.
Maßgeblich für die Einschätzung sind Ergebnisse aus einem Überwachungssystem, bei dem Proben von Menschen mit akuten Atemwegserkrankungen untersucht werden. Routinemäßig wird dabei nach verschiedenen Erregern geschaut, etwa Rhinoviren, Sars-CoV-2 und Influenza.
Die jährliche Grippewelle begann in den Jahren vor Corona laut RKI meist im Januar und dauerte drei bis vier Monate. In den vergangenen beiden Saisons veränderten die Pandemie und die dagegen getroffenen Maßnahmen den gewohnten Verlauf jedoch stark: 2020/21 fiel die Grippewelle weltweit aus. Und auch 2021/22 kam es in Deutschland nicht zu einer Welle im gewohnten Maßstab, die Meldezahlen gingen erst nach den Osterferien und damit sehr spät etwas in die Höhe. (mkr/dpa)