Marktführer Tchibo kündigt Kaffee-Preissprung an

Geröstete Kaffeebohnen liegen auf einem Tisch. Foto: Fabian Sommer/dpa
Diese Erhöhung in den Supermärkten werden Verbraucher merken. Ab Mitte April wird das Lieblingsgetränk hierzulande teurer. Mit diesen Preisen ist zu rechnen.
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Hamburg. Die Verbraucher in Deutschland werden bei ihrem liebsten Getränk tiefer in die Tasche greifen müssen. Marktführer Tchibo reagiert auf höhere Weltmarktpreise und steigende Kosten und passt die Preise für Röstkaffee an, wie das Unternehmen am Dienstag in Hamburg ankündigte. „Im vergangenen Jahr sind viele Kosten weiter gestiegen, auch für Rohkaffee“, hieß es. „Um unseren Kundinnen und Kunden weiterhin die gewohnt hohe Tchibo-Qualität zu bieten, müssen nun auch wir handeln. Wir haben lange gezögert“, sagte Tchibo-Sprecher Arnd Liedtke. Zum 15. April sollen die Preise je nach Sorte und Herkunftsland zwischen 50 Cent und 1 Euro pro Pfund erhöht werden.
Marktführer Tchibo erhöht Mitte April die Kaffeepreise
Tchibo berichtet in aller Regel als einziger Anbieter über seine Preisgestaltung und gilt als Signalgeber in der Branche. Denn der Handelskonzern verkauft seine Produkte über eigene Filialen und Depots sowie online unmittelbar an Endverbraucher und kann deshalb auch seine Endpreise festlegen. Andere Kaffeeröster liefern ihre Produkte an den Lebensmittel-Einzelhandel, der seinerseits die Endpreise festlegt. Handelsunternehmen äußern sich allerdings ungern zu ihren Verkaufspreisen für Kaffee, und auch die Tchibo-Konkurrenz ist beim Thema Preise schmallippig.
Zuletzt hatte Tchibo im Februar 2022 die Kaffeepreise erhöht. Damals waren Kaffeebohnen der hierzulande besonders beliebten Sorte Arabica, die mehr als die Hälfte der internationalen Produktion ausmachen, auf ein Zehn-Jahres-Hoch gestiegen. Seitdem waren sie zwar zwischenzeitlich gefallen, ziehen seit Herbst vorigen Jahres aber wieder spürbar an. Für Februar berichtete die Internationale Kaffee-Organisation ICO in ihrem jüngsten Marktbericht einen durchschnittlichen Preis von knapp 182 US-Cent für Rohkaffee je US-Pfund (454 Gramm). Durchschnittlich lag dieser für die vergangenen zwölf Monate bei 167 US-Cent.
Verband befürchtet möglichen Kaffeemangel ab 2025
Die Kaffeebranche in Deutschland sieht die Kaffeeversorgung ab dem kommenden Jahr infolge einer neuen EU-Verordnung nicht mehr sicher gewährleistet. „Uns droht eine Unterversorgung auf dem deutschen und europäischen Markt. Die Preise für den dann noch verfügbaren Kaffee werden signifikant steigen“, teilte der Deutsche Kaffeeverband zuvor mit. Dem widerspricht die EU-Kommission. Auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur hieß es bei der Behörde, es seien keine Tatsachen bekannt, dass die Verordnung Lebensmittelpreise anheizen würde. Man rechne mit sehr begrenzten Auswirkungen auf die Preise der von der Verordnung abgedeckten Rohstoffe.
Holger Preibisch, der Geschäftsführer des Kaffeeverbands fordert, die Anwendung der EU-Regelung zu verschieben. Andernfalls seien weltweit Millionen Kaffeebauern in ihrer Existenz bedroht. Es geht um die im vergangenen Jahr in Kraft getretene und ab dem 30. Dezember anzuwendende EU-Regelung für entwaldungsfreie Lieferketten. Am Freitag hatte bereits die „Lebensmittel Zeitung“ über die Sorgen des Verbands berichtet.
Die Regelung verlangt von Unternehmen künftig eine Sorgfaltserklärung, dass für ihr Produkt nach dem 31. Dezember 2020 kein Wald gerodet oder geschädigt wurde. Das gilt dabei nicht nur für Rohstoffe wie Kakao- oder Kaffeebohnen, auch bestimmte Folgeprodukte wie Schokolade, Leder oder Möbel sind erfasst. Wer sich nicht an die Vorschriften hält, muss mit hohen Strafen von mindestens vier Prozent des Jahresumsatzes in der EU rechnen.
„Derzeit erfüllten nur etwa 20 Prozent der Farmer die Anforderungen“
Der Kaffeeverband, der etwa 360 Unternehmen und Organisationen vertritt, befürwortet den Inhalt der Regelung nach eigenen Angaben zwar. Es sei jedoch nicht möglich, die erforderlichen Daten bis Ende 2024 vollständig bereitzustellen. „Derzeit erfüllen nur etwa 20 Prozent der Farmer die Anforderungen“, sagte Verbandsgeschäftsführer Preibisch. Er beklagt auch den bürokratischen Aufwand. Sowohl Händler, die Kaffee importieren, als auch abnehmende Röstereien müssten bei jeder Lieferung aufs neue eine Risikobewertung der Daten vornehmen und diese an die EU schicken. Wegen der politischen Strukturen in einigen Anbauländern sei es schwierig, die Informationen zu beschaffen, dazu fehle es noch immer an einer geeigneten Schnittstelle.
Neben dem Branchenverband sehen auch große Kaffeehersteller die neue EU-Regelung kritisch. Johannes Dengler, Mitglied der Geschäftsleitung bei Dallmayr Kaffee, spricht von einem „grotesken Verwaltungsaufwand“ für Unternehmen und Bauern. Die Regelung schneide Kleinbauern wie in Äthiopien absehbar vom europäischen Markt ab. Die Kommission betont, die Unterstützung von Kleinbauern habe Priorität. Durch das Gesetz würden Erzeuger aus Drittländern nicht diskriminiert, es gebe keine versteckte Beschränkung des Handels.
Die Kaffeeröster Lavazza, Melitta und Darboven („Idee-Kaffee“, „Mövenpick“) teilte mit, sich an das EU-Gesetz halten zu wollen, es brauche aber mehr Zeit. „Die Folgen werden eine klare Verknappung des Angebots von Rohkaffee sein und die Preise dadurch steigen“, sagte eine Sprecherin von Darboven.
Deutschland zweitgrößter Kaffeeimporteur der Welt
Der Europaabgeordnete Peter Liese (CDU) sieht die Lage nicht ganz so angespannt und befürchtet persönlich keinen Kaffeemangel ab Jahreswechsel. Er hat aber Verständnis für die Sorgen der Industrie. Es sei vor allem wichtig, Klimaschutzziele umzusetzen. Daher sei er bereit, beim Thema entwaldungsfreie Lieferketten flexibel zu sein. „Persönlich bin ich auch der Meinung, dass eine Änderung der Rechtsgrundlage nach der Wahl in Richtung mehr Pragmatismus eine denkbare Option ist“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur.
Deutschland ist nach Angaben des Kaffeeverbands mit 1,1 Millionen Tonnen im Jahr nach den USA der zweitgrößte Kaffeeimporteur der Welt. Der Rohkaffee kommt aus 15 bis 20 Ländern, der Hauptanteil entfällt auf Brasilien (30 Prozent) und Vietnam (20 Prozent).