Mit Röntgengerät: Wie der Zoll im Hafen nach Schmuggelware fahndet

Die mobile Röntgenanlage bewegt sich langsam an der Containerreihe vorbei. Ihr ausfahrbarer Arm legt sich wie ein umgekehrtes U um die Boxen. Foto: Lothar Scheschonka
Was er täglich im Hafen entdecken wird, weiß Frank Wrona noch nicht. Doch wenn der Zollbeamte von den größten Verbrechen erzählen soll, die dank des mobilen Container-Röntgengeräts in Bremerhaven aufgeflogen sind, dann fällt ihm sofort der Fund von 1,1 Tonnen Kokain ein.
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Von Ursel Kikker
Wo ist der Fehler? Ein bisschen erinnert der Job von Frank Wrona und seinen Kollegen beim Zoll in Bremerhaven an Bilderrätsel in Zeitschriften. Drei Palettenreihen im Container sehen ganz gleichmäßig aus, doch eine fällt aus dem Muster. Da werden die „Bildauswerter“, wie diese Gruppe beim Zoll heißt, natürlich stutzig. Das war im Jahr 2017.
1,1 Tonnen Kokain waren hinter Gipskarton geschmuggelt worden. Geschätzter Wert: Um die 200 Millionen Euro sollen es damals gewesen sein. Die Zollbeamten hatten einen guten Riecher, als sie sich ausgerechnet diesen Container herauspickten. Der Drahtzieher, ein spanischer Geschäftsmann, wurde verhaftet. Seine Baufirma war nur Tarnung für schmutzige Drogen-Geschäfte.
480 Container im 24-Stunden-Betrieb
Auch an diesem Morgen herrscht ordentlich Betrieb auf dem Terminalgelände bei Eurogate. Lastwagen mit Containern kommen und gehen, an der Stromkaje werden die Schiffe be- oder entladen. Bei rund fünf Millionen Containern im Jahr kann der Zoll nicht jede der Stahlkisten prüfen, die im Hafen bewegt werden, aber er zieht Stichproben.
In Volllast schafft das Team 480 Container im 24-Stunden-Betrieb mit der „Terminalmobilen Röntgenanlage“, kurz TMR. Hinzu kommen die Boxen, die von einer zweiten Zollgruppe, den Beschauern, direkt geöffnet werden, ohne sie vorher zu durchleuchten. „Wir wählen die Container nach einer Risikoanalyse aus“, sagt Sonja Tolle, Leiterin dieser beiden Teams. Welche Kriterien dabei eine Rolle spielen? Sie lächelt. Klar, Betriebsgeheimnis.
Nicht nur die Ladung im Blick
Die nächsten 18 Container, für die die Umschlagunternehmen „Durchleuchtungsanordnungen“ bekommen haben, sind auf dem Kontrollfeld aufgereiht. Der Spezial-Truck mit der Röntgeneinheit hinten auf der Achse setzt sich sanft in Bewegung und tuckert mit 0,7 Kilometern pro Stunde die erste Containerreihe entlang. Der ausfahrbare Röntgenarm umschließt die Container wie ein umgedrehtes U.
Das Zollbüro ist in Sichtweite. Dorthin werden die Aufnahmen sofort übertragen. Auf ihren Monitoren sehen Wrona und seine Kollegen jetzt die Innenleben der durchleuchteten Container. Manches lässt sich leicht erkennen, anderes erst auf den zweiten Blick. Die Zollbeamten suchen nach Gegenständen, die nicht zu den Frachtpapieren passen, nach auffälligen Strukturen oder Schatten.
„Wimmelbilder“ auf dem Computerbildschirm
„Wir konzentrieren uns nicht nur auf die Ladung“, sagt Wrona. Eine unlogische dunkle Stelle unter einem Träger kann im Zweifel auf ein Drogenversteck hinweisen. „Wimmelbilder“ nennt die Abteilung Aufnahmen von Container-Ladungen, die sich aus den unterschiedlichsten Gegenständen zusammensetzen.
Wrona zeigt als Beispiel eines mit einem kompletten Hausstand. Was steckt da? Ein länglicher Schatten, der sich als Gewehr entpuppt. Tolle: „Ein solcher Container wird dann von uns entladen.“ In einer anderen Umzugsfracht tauchten einige Kisten mit Flaschen auf, doch der Alkohol war nicht verzollt. Manchmal sind drei Autos gemeldet, aber in Wahrheit stecken vier in der „Kiste“. Dem Zoll geht es zunächst um die korrekte Erhebung der Gebühren. Manchmal, wie 2017, stößt er auf schwere Kriminalität.
Jede Menge Erfahrung notwendig
Schnell wird klar, dass die Bildauswertung jeder Menge Erfahrung bedarf. „In der Regel schauen immer vier Augen auf die Aufnahmen“, sagt Mathias Ussler, der die Röntgenprüfgruppe leitet. Das Team hat eine Bilderbibliothek, mit der es vergleichen kann – und trainieren. Über Künstliche Intelligenz (KI), die bei der Bildauswertung helfen könnte, verfügt das System noch nicht. Es ist seit 2016 in Betrieb; die Technologie wurde weiterentwickelt, 3-D-Scans sind zum Beispiel möglich.
Wer ahnt schon, dass es sich bei dem, was wie irgendwelche Kritzeleien aussieht, um Automotoren handelt, die sorglos auf den Boden eines Containers geworfen wurden?! In dem Gewusel aus Fahrzeugteilen zeichnet sich im Hintergrund ganz sanft ein Auto ab, nur bei ganz genauem Hinsehen ist es zu entdecken. Wrona: „In diesem Fall war schnell klar, dass es sich um Abfallverbringung handelt.“ Der Absender ist aufgeflogen. Wie 2017 der Drogenimporteur. (mkr)

