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Krise

Höherer Pflegebeitrag beschlossen – So teuer wird es

Hauptproblem den kommenden Jahren ist laut Pflegereport: Immer mehr Ältere brauchen pflegerische Unterstützung.

Hauptproblem den kommenden Jahren ist laut Pflegereport: Immer mehr Ältere brauchen pflegerische Unterstützung. Foto: Marijan Murat/dpa

Zum kommenden Jahr müssen sich Arbeitnehmer und Ruheständler auf höhere Pflegebeiträge einstellen, weil dringend mehr Geld benötigt wird. Wie sehr das den Geldbeutel belastet.

Von Redaktion Montag, 11.11.2024, 13:00 Uhr

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Berlin. Die Bundesregierung hat die geplante Anhebung des Pflegebeitrags im neuen Jahr auf den Weg gebracht. Die vom Kabinett beschlossene Verordnung sieht eine Erhöhung um 0,2 Prozentpunkte zum 1. Januar 2025 vor, wie Regierungssprecher Steffen Hebestreit in Berlin mitteilte. Dies sei notwendig, um die Zahlungsfähigkeit der Pflegeversicherung sicherzustellen. „Mit den Mehreinnahmen kann Zeit gewonnen werden, um nachhaltige Pflegefinanzierungskonzepte zu erarbeiten.“ Konkret sollen nun 3,7 Milliarden Euro pro Jahr zusätzlich hereinkommen. Die Verordnung bedarf noch der Zustimmung des Bundesrats.

Die Mehrbelastung für Arbeitnehmer und Rentner liegt - je nach Verdienst - im Schnitt jedoch bei wenigen Euro zusätzlich im Monat.

Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte die Anhebung am Freitag angekündigt. Eine Pflegereform mit einer Beitragserhöhung zum 1. Juli 2023 hatte die Ampel-Koalition schon umgesetzt. Damit stieg der Beitrag für Menschen ohne Kinder auf 4 Prozent und für Beitragszahler mit einem Kind auf 3,4 Prozent. Familien mit mindestens zwei Kindern zahlen - bezogen auf den Arbeitnehmeranteil - weniger als zuvor. Die Pflegeversicherung erwartet für dieses und nächstes Jahr rote Zahlen. Hintergrund sind weiter steigende Milliardenausgaben.

Nur „Atempause“ durch Beitragsanhebung

Nach dem Bruch der Ampel-Koalition kann eine eigentlich für Herbst angekündigte Pflegereform nicht mehr umgesetzt werden. Hebestreit betonte, es sei klar, dass es nachhaltiger Lösungen bedarf. „Eine große Pflegereform ist unumgänglich.“ Die Verordnung solle sicherstellen, dass gesetzlich vorgesehene Leistungen weiter finanziert werden können, bis eine umfassende Reform beschlossen werden kann.

Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen, der auch die Pflegekassen vertritt, erklärte, die Erhöhung um 0,2 Punkte verschaffe der Pflegeversicherung nur eine Atempause, die bestenfalls bis Ende nächsten Jahres reiche. „Der Bundeshaushalt wird dadurch weiterhin entlastet, die Beitragszahlenden der Pflegeversicherung werden hingegen einmal mehr belastet. Sozial ausgeglichen ist das nicht“, sagte Sprecher Florian Lanz. Eine Reform der Pflegeversicherung gehöre im kommenden Jahr ganz oben auf die politische Agenda.

  • Höhere Krankenkassenbeiträge 2025 rücken näher

Die Krankenversicherung dürfte für viele gesetzlich Versicherte im neuen Jahr teurer werden. Der durchschnittliche Zusatzbeitrag als Orientierungsmarke für die Kassen für 2025 beträgt 2,5 Prozent, wie das Bundesgesundheitsministerium im Bundesanzeiger bekannt gab. Das sind 0,8 Prozentpunkte mehr als in diesem Jahr. Die Anhebung folgt damit einer Berechnung des zuständigen Schätzerkreises zu einer erwarteten Finanzlücke.

Die konkrete Höhe des Zusatzbeitrags für 2025 für ihre Versicherten bestimmen die Kassen aber jeweils für sich. Der veröffentlichte Durchschnittswert dient dafür als Orientierung, die Kassen können je nach ihrer Finanzlage auch davon abweichen. Für 2024 liegt der durchschnittliche Zusatzbeitrag bei 1,7 Prozent. Der gesamte Beitrag, den sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer teilen, umfasst daneben noch den allgemeinen Satz von 14,6 Prozent des Bruttolohns. Erhöht eine Kasse ihren Zusatzbeitragssatz, haben die Mitglieder ein Sonderkündigungsrecht.

  • Experten berechneten Finanzbedarf

Der Schätzerkreis hatte Mitte Oktober seine jährliche Berechnung vorgelegt. Demnach werden für 2025 Einnahmen von 294,7 Milliarden Euro erwartet – und Ausgaben der Krankenkassen von 341,4 Milliarden Euro. Daraus resultiert zur Kostendeckung eine rechnerisch nötige Anhebung des Zusatzbeitrags um 0,8 Prozentpunkte auf 2,5 Prozent. Im Schätzerkreis sitzen Fachleute des Bundesgesundheitsministeriums, des Bundesamts für Soziale Sicherung und des Spitzenverbands der gesetzlichen Krankenkassen (GKV).

GKV-Sprecher Florian Lanz sagte: „Es ist bedrückend, wie rasant derzeit die Krankenkassenbeiträge steigen und die Politik dabei tatenlos zusieht.“ Statt eines Plans, wie die Versorgung der rund 75 Millionen gesetzlich Versicherten endlich wieder auf eine solide finanzielle Basis gestellt werden könne, habe die Regierung anscheinend gleichmütig auf immer weiter steigende Zusatzbeiträge gesetzt.

Jede fünfte Pflegekraft muss ersetzt werden

Hauptproblem den kommenden Jahren ist laut Pflegereport: Immer mehr Ältere brauchen pflegerische Unterstützung - professionell Pflegende werden zugleich selbst älter und scheiden verstärkt aus dem Beruf aus. Zuletzt waren in Deutschland 5,2 Millionen Menschen auf pflegerische Unterstützung angewiesen - in 25 Jahren dürften es 2,3 Millionen mehr sein. Die Rekrutierung von Pflege-Nachwuchs könne damit wohl in keiner Weise Schritt halten: Während heute rund 26.000 Menschen mehr neu in den Pflegeberuf eintreten als aus Altersgründen ausscheiden, sinkt diese Arbeitsmarktreserve in fünf Jahren auf gut 5000.

So gab es laut der Studie 2023 über 1,14 Millionen professionell Pflegende in Deutschland. Mehr als jede und jeder Fünfte von ihnen erreiche in den nächsten zehn Jahren das Rentenalter. In jedem Bundesland müssten dann um die 20 Prozent des Personals ersetzt werden - der Bedarf variiere zwischen 19,7 Prozent in Sachsen und 26,5 Prozent in Bremen.

Kipppunkte noch in diesem Jahrzehnt

„In einzelnen Bundesländern werden noch in diesem Jahrzehnt Kipppunkte erreicht, an denen deutlich mehr Pflegende in den Ruhestand gehen als Nachwuchskräfte in den Beruf einsteigen“, so der Report. Klie erklärte es mit mangelnden flächendeckenden Investitionen in Pflegeausbildung, warum Bayern zu den Schlusslichtern bei der Gewinnung ausreichenden Pflege-Nachwuchses zähle. In Nordrhein-Westfalen hingegen sei ein Kipppunkt wegen starker öffentlicher Investitionen in die Ausbildung in der Vergangenheit nicht absehbar - allerdings gebe es auch hier regional auftretende Engpässe.

Klie räumte zwar mit manchen Vorurteilen auf, die es gegenüber dem Pflegeberuf gebe. So handele es sich um den bestbezahlten nicht akademischen Ausbildungsberuf. Es habe 2021 auch so viele Pflege-Auszubildende insgesamt gegeben wie noch nie zuvor. Doch trotz guter Ausbildungszahlen gebe es keinen ausreichenden Puffer gegen das Älterwerden der Belegschaften. Zuwanderung und Programme zum Wiedereinstieg ausgeschiedener Pflegekräfte seien wichtig - doch auch sie reichten nicht aus.

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