Sieben Verletzte nach Schwefelsäure-Unfall bei Glencore: Das war die Ursache

Mario Heinecke (Mitte) präsentiert die spezielle Lösung zur Neutralisierung von Säure, die die Glencore-Mitarbeiter bei sich tragen. Neben ihm stehen Werksfeuerwehr-Chef Ingo Gärtner (links) und Umweltexperte Günter Halle.Foto: Glückselig
Zu dem Unfall war es bei Instandsetzungsarbeiten gekommen. Sieben Menschen wurden leicht verletzt, Schwefelsäure gelangte in die Weser. Die Auswirkungen für den Fluss und die Konsequenzen aus dem Unfall waren am Dienstag Thema einer Pressekonferenz.
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Von Detlef Glückselig
Einen Tag nach dem Unfall, bei dem sieben Menschen verletzt und vorsorglich in Krankenhäuser gebracht wurden, hat Glencore Nordenham am Dienstagnachmittag bei einer Pressekonferenz die Ursache für die Leckage an der Säureverladeanlage genant. Ein abgebrochenes Gewinde war der Grund, dass aus der Anlage bis zu 10.000 Liter Schwefelsäure ausdrangen und in die Weser gelangten.
Mario Heinecke ist bei Glencore Nordenham federführend für die Arbeitssicherheit zuständig. Nach seinen Worten waren vier Mitarbeiter damit beschäftigt, an der Säureverladeanlage ein defektes Druckmessgerät auszutauschen. Dabei zerbrach ein Gewinde, woraufhin die Schwefelsäure unter Druck aus der Anlage spritze.
Glencore-Chef besucht den 20-jährigen Verletzten
Ein 20-Jähriger, den Geschäftsführer Thomas Hüser kürzlich noch dafür ausgezeichnet hatte, dass er als einer der Besten seine Ausbildung in dem Hüttenbetrieb abgeschlossen hatte, bekam Spritzer der hoch ätzenden Säure ins Gesicht. Seine drei Kollegen, die mit ihm zusammen die Instandsetzung vornahmen, kamen ebenfalls mit der Säure in Berührung. Das gilt auch für einen Glencore-Betriebssanitäter sowie für einen Feuerwehrmann.
Einen Schock erlitt die Schwester des 20-Jährigen, die als Auszubildende bei Glencore tätig ist, als sie erfuhr, dass ihr Bruder einen Unfall hatte und mit einem Rettungshubschrauber ins Klinikum Reinkenheide in Bremerhaven geflogen wurde.
Thomas Häuser ist froh, dass alle Verletzten die Krankenhäuser noch am Montag wieder verlassen konnten. Dem 20-Jährigen, dessen Vater ebenfalls bei Glencore tätig ist, hat der Geschäftsführer am Dienstag einen Besuch abgestattet und sich vergewissert, dass es ihm gut geht. Bleibende Schäden werde der junge Mann nicht davontragen, so Thomas Hüser.

Auf der Glencore-Pier, auf der die Leckage entstanden ist, sind Helfer in spezieller Schutzkleidung im Einsatz. Foto: Polizei
Kollegen reagieren schnell und umsichtig
Alle Beschäftigten, die bei Glencore in Bereichen tätig sind, in denen sie mit Säure in Berührung kommen können, tragen Diphotérine, eine spezielle Neutralisierungslösung, bei sich. Die Kollegen des 20-Jährigen reagierten laut Mario Heinecke nach dem Unfall schnell und umsichtig. Sie sprühten sich und den 20-Jährigen sofort mit der Lösung ein und nutzten dann eine Dusche, die sich nur einige Armlängen von der Säureverladeanlage befindet. So verhinderten sie schlimmere Verätzungen.
Die Dusche löst, wenn sie betätigt wird, automatisch einen Notfallalarm aus. Der rief unter anderem Ingo Gärtner als Leiter des Werkschutzes und der Werksfeuerwehr auf den Plan. Er hatte zunächst die Einsatzleitung, ehe Nordenhams Stadtbrandmeister Christian Stahl übernahm. Insgesamt waren nach dem Unfall 120 Einsatzkräfte vor Ort, neben der Feuerwehr auch die DLRG und das Technische Hilfswerk, die Besatzungen von insgesamt fünf Rettungswagen und zwei Notärzte.
Leckage mit Holzkeil und Spanngurten abgedichtet
Speziell für solche Einsätze ausgebildete Feuerwehrleute des Gefahrgutzuges der Kreisfeuerwehr schafften es nach einer Reduzierung des Drucks, die Leckage mit einem Holzkeil abzudichten und diesen mit Spanngurten zu fixieren. Den Zeitraum vom Auftreten bis zum Abdichten der Leckage gibt Thomas Hüser mit 45 Minuten an.
Die bis zu zehn Kubikmeter Säure, die in dieser Zeit aus der Anlage spritzten, gelangten in die Weser. Günter Halle, Umweltexperte von Glencore, hatte bereits am Montag als erste Einschätzung gesagt, dass dadurch allenfalls ein geringer Umweltschaden entstanden sein könnte. Am Dienstag war er sich nach der Recherche von ähnlich gelagerten Fällen sicher, dass kein Umweltschaden entstanden ist.

Unter anderem die Feuerwehr und die DLRG sind bei dem Chemieunfall im Einsatz. Foto: Glückselig
Schwefelsäure gilt als nur schwach wassergefährdend
Laut Günter Halle gibt es drei verschiedene Wassergefährdungsklassen, in die Chemikalien eingeordnet werden. Schwefelsäure gehört nach Worten des Experten zur Klasse 1, die für eine nur schwache Gefährdung steht. Das und die Tatsache, dass sich die Säure in der Weser sehr schnell verdünnt hat, macht ihn sicher, dass der Fluss keinen Schaden genommen hat.
Glencore hofft, die Säureverladeanlage Mitte kommender Woche wieder in Betrieb nehmen zu können. Vorher muss ein TÜV-Gutachter die reparierte Anlage abnehmen und ein weiterer unabhängiger Sachverständiger eine sicherheitstechnische Überprüfung vornehmen.
Laut Thomas Hüser nimmt Glencore den Unfall zum Anlass, um eine Kommission mit internationalen Fachleuten aus den eigenen Reihen zusammenzustellen. Diese soll auf Konzernebene untersuchen, wo sich Systeme optimieren lassen, um sie noch sicherer zu machen.
Bei Glencore Nordenham wird zurzeit eine eigene Abteilung Arbeitssicherheit aufgebaut, die Mario Heinecke leiten wird. Das Team wird zwölf eigens für diesen Themenkomplex geschulte Mitarbeiter umfassen. „Wir haben uns in diesem Bereich schon stark verbessert, aber es gibt noch Potenzial“, sagt Thomas Hüser, für den im Betrieb „jeder Unfall eine Niederlage“ darstellt.
Daher stammt die Schwefelsäure
Bei der Produktion von Zink fällt Schwefelsäure an. Sie wird in die Tanks von Spezialschiffen gepumpt und abtransportiert - ein eingespielter Prozess, der bei dem Nordenhamer Hüttenbetrieb Glencore normalerweise vollkommen reibungslos und störungsfrei läuft.
Die Polizei hat nach dem Schwefelsäureunfall zwei Ermittlungsverfahren eingeleitet - eines wegen des Verdachts der fahrlässigen Körperverletzung und ein zweites wegen des Verdachts der fahrlässigen Gewässerverunreinigung. Der Geschäftsführer sagte, dass Glencore diese Ermittlungen unterstützen werde. Das Unternehmen stehe im engen Austausch mit der Polizei und der Gewerbeaufsicht.