Sorge geäußert: Wird das Wattenmeer zur Industrielandschaft?

Die Schutzgemeinschaft Deutsche Nordseeküste hat die Sorge, dass solche Windparks Überhand nehmen. Foto: Ingo Wagner
Immer mehr Offshore-Windparks entstehen in der Nordsee. Die Schutzgemeinschaft Deutsche Nordseeküste schlägt Alarm und mahnt eine Suche nach Alternativen an. Sie sieht dabei in den Windparks aber nicht das einzige Problem.
Premium-Zugriff auf tageblatt.de für nur 0,99 €
Jetzt sichern!
Die Schutzgemeinschaft Deutsche Nordseeküste (SDN) hat die Sorge, dass das Wattenmeer durch die zahlreichen Offshore-Aktivitäten zu einer „Industriebrache“ wird. „Dabei leben wir doch gerade in einer Zeit voller Veränderungen, die uns zwingt, mit unseren Schutzgütern besonders sorgsam umzugehen“, sagt der SDN-Vorsitzende Gerd-Christian Wagner.
Die Schutzgemeinschaft kritisiert in Bezug auf das Wattenmeer eine „weitgehende Planlosigkeit in Sachen Naturschutz“. Die jüngste UNESCO-Warnung zur Öl- und Gasförderung im Weltnaturerbe Wattenmeer müsse „als unbedingter Weckruf verstanden“ und ernst genommen werden.
Aus Sicht der SDN ist der Weltnaturerbe-Status des Wattenmeers nicht mit einer dort oder in unmittelbaren Nähe stattfindenden Rohstoffgewinnung zu vereinbaren. Das gelte auch für einen „unübersehbar großen Bau- sowie Wartungsbedarf“ der notwendigen Infrastruktur für die Gewinnung von erneuerbarer Energie.
Offshore-Windparks sind nicht das einzige Problem
„Wir müssen uns für einen verstärkten Schutz zur Bewahrung des natürlichen Wattenmeers einsetzen“, betont der Kapitän, Seelotse und stellvertretende SDN-Vorsitzende Ulrich Birstein im Hinblick auf die „kontinuierlich steigende Zahl von Offshore-Windparks“. Der auf See produzierte Strom müsse an Land gebracht werden – und das gehe immer durchs Wattenmeer.
In Fachgesprächen habe es geheißen, dass mit mindestens 32 Kabelverlegungen plus Kontrollen, Wartung, Reparatur und Wiederabbau zu rechnen sei, wenn das aktuelle Ausbauziel allein für die deutsche Küste eingehalten werden soll, so Ulrich Birstein. Hinzu komme, dass auch die Niederlande und Dänemark weitere Windparks bauen wollen. Erdgas-Förderinteressen, LNG-Anlandungen, militärische Übungen, CO₂-Transport und -Einlagerung, Öl-Förderung und eine zunehmende Gefahr von Schiffshavarien, listet der SDN-Vize als weitere drohende Probleme auf.
„Frage nach Sinn und Unsinn von Menge und Größe“
Ulrich Birstein räumt ein, dass die Energiewende ohne Offshore-Windkraft nicht zu schaffen sein werde, wie es in einer Pressemitteilung der SDN heißt. Doch es stelle sich „die entscheidende Frage nach Sinn und Unsinn von Menge und Größe der Vorhaben“.
„Die scheinbare Alternativlosigkeit dieser von Technik und Leistung strotzenden Maßnahmen kann nicht die einzige Antwort sein, die einer entwicklungstechnisch hochstehenden Gesellschaft einfällt, wenn sie sich in der Krise sieht“, heißt es von der SDN. Es gelte, nach echten Alternativen zu suchen. (pm/gl)