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„Zauberflöte Reloaded“

Stadeum-Publikum feiert rappenden Papageno

Frederic Böhle singt und rappt sich als Papageno in die Herzen der Zuschauer. Foto: Weselmann

Frederic Böhle singt und rappt sich als Papageno in die Herzen der Zuschauer. Foto: Weselmann

Christoph Nagels musikalische Grenzüberschreitungen zwischen Hoch- und Popkultur sind hochgelobt. Wie gut Opernarien und Sprechgesang zusammen funktionieren, zeigte er mit seiner „Zauberflöte Reloaded“ im Stadeum. Ein kleiner Wermutstropfen blieb.

Von Fenna Weselmann Donnerstag, 09.02.2023, 19:28 Uhr

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Dass Mozarts Zauberflöte als meistgespielte Oper aller Zeiten gilt, ist kein Zufall. Schon immer traf hier hohe Kunst auf reines Vergnügen, Volkstheater auf höfische Oper und Anspruch auf Entertainment. Mit der „Zauberflöte Reloaded“ hat der Berliner Opernregisseur und Dirigent Christoph Nagel Mozarts Ansinnen nun in die Neuzeit transportiert, so dass am Mittwochabend im Stadeum Rokoko auf Street Culture und die geheiligte Hochkultur auf Beats und fette Reime treffen.

Nagel ist bekannt für seine Crossover-Produktionen, in denen er Hoch- und Jugendkultur zusammenbringt, erhielt für „Flying Bach“ als sein erstes Projekt dieser Art den Echo Klassik.

Culture-Clash mit Breakdance zu Opernarien

Gleich zu Beginn stimmt er das Stader Publikum darauf ein, dass mit dieser Zauberflöte alles andere als ein klassischer Opernabend zu erwarten ist - verbunden mit einem großen Lob für das Stadeum als „wunderbarem Theater mit phänomenaler Akustik“.

Ohne die beliebten Arien anzutasten, hat Christoph Nagel Mozarts Werk angenehm gestrafft und verzichtet in den zwei Stunden auch bewusst auf große Bühnenstaffage. Die Szenerie wird stattdessen einfach über eine riesige Leinwand projiziert. Gleich bei den ersten Tönen der Ouvertüre „sprüht“ Papageno eine von Graffiti-Tacks gezierte Mauer zu einer wilden Dschungellandschaft um.

Zu den klassischen Arien gibt es moderne Tanzeinlagen.

Zu den klassischen Arien gibt es moderne Tanzeinlagen.

Überhaupt steht Frederic Böhle als Papageno wie kein anderer des Ensembles für den musikalischen Culture-Clash. Er glänzt in türkis glitzerndem Trainingsanzug mit pfauenfederbemusterten Ärmeln und rappt so cool, wie er Arien singt. Und weil der Sänger des Monostatos krankheitsbedingt ausfallen muss, schlüpfen er und Boze Juric, der dazu als Prinz Tamino eine hervorragende Stimme abgibt, für die Vorstellung im Stadeum noch abwechselnd in diese Rolle und absolvieren diese gesanglichen Parts ebenso bravourös wie die eigenen. Gleiches gilt für Christina Roterberg, die Pamina und Papagena ihre wunderbare Stimme gibt, Marko Spehar als Sarastro und Darlene Ann Dobisch, die als Königin der Nacht eine blitzsaubere Koloratur mit erfrischend ironischem Unterton abliefert.

Ausgelassene Stimmung macht die leeren Plätze wett

Im Kontrast zur etwas steifen Uniform des Prinzen machen die Rollen der drei Damen und drei Knaben dem „Reloaded“ optisch wie tänzerisch alle Ehre. Die Girls in Löcherjeans, knappem Girlie-Rock oder pinker Hose mit bauchfreien Shirts und Sneakers dazu, die Boys in lockerer Hip-Hop-Kluft, bewegen sich mit coolen Moves und artistischen Breakdance-Einlagen durch die Oper, um jedes Mal extra Applaus, Begeisterungspfiffe und Johlen aus dem Zuschauerraum zu ernten. Selbst der Klavierflügel wird hier zur Basis für eine krasse Kopfstand-Variation.

Das Einzige, was die Inszenierung nicht liefern kann, ist eine wirklich kochende Battle-Arena im Street-Dance-Style. Dafür ist der Beat nicht fett und aggressiv genug. Damit Mozarts Musik und der Hip-Hop gut ineinanderfließen, sind Beat und Tanztempo vergleichsweise gedrosselt. Schade, dass die sechsköpfige Tanz-Crew da nicht mehr Raum hatte, ihr ganzes Können zu zeigen, das manche Choreografie und vor allem die Zugabe haben durchblitzen lassen.

Neben angestammten Operngängern sind viele junge Leute da, und alle zusammen feiern das ungewöhnliche Opernerlebnis. Die Stimmung im Zuschauerraum ist so ausgelassen, dass die knapp 400 Besucher die nicht gefüllten Plätze komplett wettmachen. Ihr tosender Applaus fordert vom Ensemble am Ende eine Verbeugung nach der anderen, und als der Dirigent zu den mit so viel Spielfreude ausgestatteten Berliner Symphonikern im Orchestergraben winkt, belohnt das Publikum die Musiker und Akteure schließlich mit Standing Ovations.

  • Stimmen aus dem Publikum

Dörte Lux aus Stade geht erfüllt aus dem Stadeum: „Ich habe mir nichts darunter vorgestellt und bin begeistert. Die Umsetzung, Choreografien und Stimmen waren super. Besonders gefallen hat mir die Tamina, die ja auch die Papagena gesungen hat.“

Dietmar Dunst aus Harsefeld hat den Abend rundum genossen: „Die originale Musik dieser tollen Oper und dazu Rap, das war fantastisch.“

Die zwölfjährige Merle Tomforde aus Himmelpforten ist von ihrem ersten Opernabend angetan: „Das ist natürlich spannend, und den Papageno finde ich richtig witzig.“

Marita Sperling aus Drochtersen-Hüll lobt die moderne Umsetzung: „Die Tänzerinnen und Tänzer mit ihren super Breakdance-Einlagen haben mir besonders gut gefallen.“

Dieter Langenbrunner aus Wischhafen zeigt sich beeindruckt vom musikalischen Erlebnis: „Der Klang des Orchesters und wie das von der Akustik mit dem Rap zusammengeht, ist wunderbar.“

Die Szenerie wird einfach über eine riesige Leinwand projiziert, die von der Graffitiwand zur Dschungellandschaft oder Feuersbrunst wird.

Die Szenerie wird einfach über eine riesige Leinwand projiziert, die von der Graffitiwand zur Dschungellandschaft oder Feuersbrunst wird.

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