Von wegen oldschool: Warum diese Teenager im Posaunenchor spielen

Marit Johanna Beneke, Mia Hanna Kalmbach und Geeske Corleis sind stolz auf ihr Engagement im Ahlerstedter Posaunenchor. Foto: Ahrens
Seit 100 Jahren wird im Ahlerstedter Posaunenchor Blasmusik gespielt. Geeske (14), Mia (13) und Marit (15) sind mit Begeisterung dabei. Warum sie ihr Hobby gar nicht antiquiert finden - obwohl ihr ältester Mitspieler seit über 60 Jahren dabei ist.
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Wer die Lieder vom Ahlerstedter Posaunenchor hören will, muss nicht zwingend in die Kirche gehen. Es reicht, sich immer dienstags vor das Gemeindehaus zu stellen. Jede Woche feilt der Chor an diesem Abend an seinen Liedern. Und die Nachbarschaft rund um die Kirche bekommt so auch mal Weihnachtslieder bei Hochsommer als lauschige Hintergrundmusik in den Garten.
Mit konzentriertem Blick mittendrin: Geeske Corleis, Mia Hanna Kalmbach und Marit Johanna Beneke. Die drei Freundinnen haben die Augen auf den Notenständer vor ihnen gerichtet. Als Trompeter geben sie im Chor die Melodie vor. Patzer wollen die Drei unbedingt vermeiden. Passieren tun sie trotzdem ab und an. Auch bei denen, die seit Jahrzehnten im Ahlerstedter Chor dabei sind.
Geeske und Mia sind schon seit fünf, Marit sogar schon seit acht Jahren in der Blasmusik aktiv. Während sich andere Kinder für Klavier oder Gitarre entschieden, griffen die Mädchen damals zur Trompete. Zufall war das nicht.
Blasmusik ist meist Familientradition
„Das hier ist die Trompete von meinem Bruder“, sagt Geeske und reckt das glänzende Blasinstrument nach vorne. Jeder aus ihrer Familie habe schon Trompete gespielt. Zwei ihrer Brüder haben zwar wieder aufgehört, aber ihr Bruder Bent und ihr Vater spielen mit ihr zusammen im Chor. „Posaunenchor ist bei uns Familientradition“, bestätigt auch Mia. Marit hat die Trompete von ihrer Oma geschenkt bekommen.
Viele der aktuell 25 Aktiven im Chor sind durch Familienbande in den Chor eingeführt worden. Aber altmodisch finden die drei jungen Trompeterinnen ihr Hobby keinesfalls. „Ich fand es cool, mal was anderes auszuprobieren“, sagt Marit zu ihren Anfängen in der Blasmusik. Auf die Frage, ob sie dafür von Mitschülern schief angeschaut werden, schütteln alle drei energisch den Kopf.

Ob Alt oder Jung: Bei der Gemeinschaft der Blasmusiker spielt das Alter keine Rolle.
Marit hat mit ihrer Trompete sogar in der Schulband mitgespielt. Moderne Lieder seien mit diesem Instrument aber eine Herausforderung, sagt sie. „Da war meine Trompete schon besonders, aber ich musste auch schauen, wie ich reinpasse.“ In vielen neueren Liedern seien die Bläser nur punktuelle Begleitung. „Das ist oft langweilig“ sagt Marit. Deshalb stört es keinen der Jugendlichen, wenn im Chor keine Pop-Songs performt werden - denn die Chorlieder sind perfekt auf die Bläser ausgelegt.
Musiker im Alter von Jugendlichen bis Senioren
Damit die Nachwuchsmusiker gut mithalten können, bekommen sie montags eine Extra-Übungseinheit bei Dörthe Pott. „Man braucht auch erstmal eine gewisse Lippenspannung, damit ein Ton rauskommt“, sagt Geeske. Durch die vielen Übungsstunden der letzten Jahre fallen die drei Mädchen im Chor nicht heraus - obwohl der Ahlerstedter Posaunenchor in diesem Jahr 100-jähriges Jubiläum feiert. Einige seiner Mitspieler sind deshalb schon seit Jahrzehnten dabei: So zum Beispiel Klaus Brinkmann. Der 77-Jährige spielt seit seinem 14. Lebensjahr, ist also mit 63 Chorjahren ein echtes Urgestein.
Als sich die Ahlerstedter Bläser 1923 formierten, mussten die Mitglieder einiges auf sich nehmen, damit das Projekt Erfolg hatte. Um sich Instrumente kaufen zu können, wurde Roggen gesammelt und verkauft. Am nächsten Tag ging es dann nach Hamburg, um vom verdienten Geld ein Instrument zu kaufen. Das Eintrittsgeld in den Verein betrug fünf Pfund Roggen, der Monatsbeitrag war „auf den Wert von einem Ei“ festgesetzt.
Keine Musikerfahrung für Neulinge nötig
Einen Mitgliedsbeitrag gibt es heute nicht mehr. Aber Jung und Alt kommen noch immer zum Spielen zusammen. „Es ist gerade witzig mit so einem großen Altersunterschied, wir lachen immer total viel“, sagt Geeske. Der gemütliche Part komme bei den Chormitgliedern nie zu kurz. Gegen ein paar junge Mitspieler mehr hätten die drei Musikerinnen aber nichts einzuwenden.
Auch neue Spieler ohne musikalische Erfahrung sind willkommen. „Als ich herkam, konnte ich keine Noten lesen und hatte mit Musik nichts am Hut“, sagt Marco Jongma. Jetzt hält er das größte Instrument des Chores in den Händen: die Tuba. Besonders hier ist es hilfreich, dass nicht jeder Spieler sein eigenes Instrument kaufen muss, sondern der Chor auch viele zur Verfügung stellt. Denn eine Tuba kann gut 7000 Euro kosten.
Festgottesdienst am Sonntag ehrt das Jubiläum
Wenn der Posaunenchor aus der Kirche klingt, steht meist ein besonderer Gottesdienst wie Ostern, Weihnachten oder Himmelfahrt an. Am kommenden Sonntag, 2. Juli, steht für den Chor der Höhepunkt der letzten Jahre an: Der Halbzeit-Gottesdienst, der immer um 10.30 Uhr startet, wird zur Feier des 100-jährigen Jubiläums der Ahlerstedter Bläser ausgerichtet. Der Festgottesdienst wird gespickt sein mit besonders viel Musik. Für die musikalische Leitung kommt Landesposaunenwart Reinhard Gramm angereist.
Die Übungsstunden der letzten Wochen waren darum besonders intensiv. Denn Geeske, Marit, Mia und ihre Mitspieler wollen Lieder wie den „Ahlerstedter Hit-Medley“ klangvoll den Besuchern präsentieren - und so Werbung für ihr selten gewordenes Hobby machen.