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Übersterblichkeit

Was über die Todeszahlen in der Corona-Pandemie bekannt ist

Der Kreis Stade meldete zuletzt wieder zwei Todesfälle im Zusammenhang mit dem Coronavirus. Foto: dpa

Der Kreis Stade meldete zuletzt wieder zwei Todesfälle im Zusammenhang mit dem Coronavirus. Foto: dpa

Die Übersterblichkeit weltweit lag in den ersten beiden Jahren der Corona-Pandemie deutlich höher als die offiziell gemeldeten Covid-19-Todeszahlen. Die AfD versucht, die Todeszahlen mit der Corona-Impfung in Verbindung zu bringen.

Mittwoch, 14.12.2022, 18:15 Uhr

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Das Coronavirus und seine Auswirkungen sind längst nicht abschließend erforscht. Das macht es einfach, Falschinformationen und Fehlinterpretationen zu verbreiten.

Nun sollen Daten der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) angeblich zeigen, dass es vom ersten Quartal 2021 an deutlich mehr plötzliche Sterbefälle und solche mit unklarer Todesursache gegeben habe als in den Vorjahren. Die AfD-Bundestagsfraktion stellt bei ihrer Veröffentlichung der Daten eine Verbindung zum Start der Corona-Impfkampagne her. In sozialen Medien formulieren Impfgegner daraufhin schwere Anschuldigungen. Dabei geben die Daten nicht annähernd etwas in dieser Richtung her.

Behauptung: Daten der KBV zeigen einen Anstieg plötzlicher Sterbefälle und solcher mit unklarer Todesursache. Dieser hänge mit dem Start der Corona-Impfkampagne zusammen.

Bewertung: Falsch.

Fakten: Die KBV sammelt Daten darüber, wie oft niedergelassene Ärzte bestimmte Diagnosecodes abrechnen. Doch aus den nun herangezogenen Daten lässt sich kein Anstieg bestimmter Todesursachen ablesen.

Dass es auf den ersten Blick dennoch so wirkt, sei eine Folge der Datenauswertung, schreibt das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (ZI), das die Daten der Kassenärzte erforscht. „Die Aufregung um möglicherweise gestiegene Todesfälle 2021 entbehrt jeder Grundlage”, teilte der Vorstandsvorsitzende des ZI, Dominik von Stillfried, mit.

Corona-Impfung: Kein Anstieg von Todesfällen abzuleiten

Der scheinbare Anstieg sei „eine logische Konsequenz der Datenauswahl und methodisch als Kohorten-Effekt bekannt”, so von Stillfried. Der AfD-Bundestagsabgeordnete Martin Sichert habe Abrechnungsdaten der KBV für bestimmte Gruppen von Versicherten angefordert- und zwar nach folgendem Auswahlkriterium: Versicherte, die im Jahr 2021 einen Arzt besucht haben.

Diese Versicherten konnten in den Jahren davor gar nicht für Diagnosecodes zur Abrechnung eines Todesfalls sorgen. Aus einem ganz einfachen Grund: Sie lebten ja noch - und besuchten eben erst 2021 einen Arzt, der dies bei der Krankenkasse abrechnete.

Dass dennoch in den KBV-Daten Kodierungen für Todesfälle in den Jahren vor 2021 in einigen Fällen vorkommen, könne nur an einem „Fehler bei der Eingabe oder Übertragung” liegen, so ZI-Vorstand von Stillfried.

Um tatsächlich einen aussagekräftigen Vergleich ziehen zu können, müsste sich der Datensatz auf die Grundgesamtheit aller gesetzlich Versicherten beziehen. Einen solchen Vergleich hat das ZI nun selbst veröffentlicht: Er zeige für die Jahre 2012 bis 2022 „keine Auffälligkeiten für die einzelnen von der AfD hervorgehobenen Diagnoseschlüssel”. Soll heißen: Ärztliche Abrechnungen wie etwa für einen plötzlichen Herztod seien über die Jahre nicht auffällig angestiegen.

Experten weisen AfD-Darstellung zu Todesfall-Anstieg zurück

Auch KBV-Vorstand Andreas Gassen weist Sicherts falsche Deutung der Ärzte-Daten zurück: Diskussionen und Debatten müssten sein, aber nicht, indem in Zahlen etwas hineininterpretiert werde, was sie nicht hergäben.

Derzeit beobachtet das Statistische Bundesamt tatsächlich wieder eine erhöhte Übersterblichkeit. Diese könne nicht mehr vorrangig mit Corona-Todesfällen erklärt werden. Zu weiteren Ursachen legt sich die Behörde aber nicht fest und verweist auf erst später vorliegende Ergebnisse der Todesursachenstatistik.

Keine Belege gibt es für die Behauptung, dass die derzeit wieder gestiegene Übersterblichkeit auf Impfungen zurückgehen könnte. Im Gegenteil: Die Impfung trägt dazu bei, Todesfälle zu verhindern. An der Einschätzung ihrer Sicherheit hat das zuständige Paul-Ehrlich-Institut (PEI) nichts geändert. Nach Erkenntnissen der Medizin ist das Risiko einer Nebenwirkung äußerst gering.

Daten der Kassenärzte waren bereits in der Vergangenheit dazu benutzt worden, eine vermeintlich unerkannte Gefährlichkeit der Corona-Impfung zu belegen. Auch dabei handelte es sich um Fehldeutungen - etwa weil übliche harmlose Impfreaktionen mit stärker beeinträchtigenden Nebenwirkungen vermischt wurden.

Corona-Übersterblichkeit vor allem in Ländern mit mittleren Einkommen

Die Übersterblichkeit weltweit lag nach einer Auswertung in den Jahren 2020 und 2021 deutlich höher als die offiziell gemeldeten Covid-19-Todeszahlen. Das berichtet die Weltgesundheitsorganisation (WHO) in der Fachzeitschrift "Nature". Weltweit starben demnach in den beiden Jahren rund 14,83 Millionen Menschen mehr als ohne die Pandemie zu erwarten gewesen wäre. Die WHO hatte im Mai schon einmal von 14,9 Millionen zusätzlichen Todesfällen berichtet. Sie verfeinerte die Analyse nun für die Veröffentlichung in "Nature".

Für Deutschland berechnete das WHO-Datenanalyseteam die ursprüngliche Schätzung neu und kam zu dem Schluss, dass es in den beiden Jahren eine Übersterblichkeit von 122.000 - und nicht 195.000 - gab. Eine Studie der Universität Duisburg-Essen hatte für 2020 auch die demografische Entwicklung berücksichtigt und kam zu dem Schluss, dass ein Teil der zusätzlichen Todesfälle auf die wachsende Zahl der über-80-Jährigen zurückzuführen sei.

Besonders betroffen von hoher Übersterblichkeit waren Ländern mit mittleren Einkommen in Südamerika, wie die WHO in "Nature" berichtet. Peru habe fast doppelt so viele Todesfälle gehabt wie zu erwarten gewesen wäre. In Mexiko, Bolivien und Ecuador habe die Zahl um 50 Prozent höher gelegen.

In ärmeren Ländern sei die Übersterblichkeit nicht so hoch gewesen, weil die Bevölkerung dort in der Regel jünger sei und daher weniger Menschen an Covid-19 starben, heißt es in der Analyse auch.

Nicht alle Länder führen eine Corona-Statistik

Weltweit betrachtet lag die Übersterblichkeit demnach mehr als zweieinhalb mal so hoch wie die gemeldeten Covid-19-Todesfälle allein es hätten vermuten lassen: Ende 2021 zeigte die WHO-Statistik 5,4 Millionen Covid-19-Tote. Die nun veröffentlichte Zahl von 14,83 Millionen umfasst allerdings auch Todesfälle, bei denen die Todesursache nicht richtig angegeben war, solche von vermutlich infizierten, aber nicht getesteten Patienten sowie Todesfälle von Menschen mit Krankheiten oder Verletzungen, die wegen der Überlastung der Gesundheitssysteme nicht rechtzeitig behandelt werden konnten.

In einem Kommentar von Enrique Acosta vom Max-Planck-Institut für demografische Forschung (MPIDR) in "Nature" heißt es, dass die Zahlen mit Vorsicht zu betrachten seien, weil es nur bei 37 Prozent der Länder eine monatliche Statistik mit allen Todesfällen gegeben habe. 43 Prozent der Länder hätten gar keine Zahlen vorlegt. Deshalb mussten die Statistiker Annahmen machen, die nach Einschätzung von Acosta teils problematisch sind. (dpa)

 

Landkreis Stade meldet zwei weitere Todesfälle

Zwei weitere Menschen sind im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie gestorben. Das berichtet der Lankdreis Stade am Mittwoch, 14. Dezember. Beide Menschen sind demnach zwischen 71 und 80 Jahre alt gewesen, dreifach oder vierfach geimpft gewesen und im Krankenhaus an Covid19  gestorben. Damit erhöht sich die Zahl der an oder mit Covid19- Verstorbenen im Kreis auf 285. 

Die 7-Tage-Inzidenz liegt im Landkreis am Mittwochmorgen bei 522 und hat sich damit zum Vortag (539) um 17 verringert. 297 Neuinfektionen wurden am Mittwoch kreisweit registriert. Damit steigt die Zahl der positiv Getesteten auf insgesamt: 94.445. (Stand 14.12.2022, Quelle: RKI)

In den Elbe-Kliniken werden aktuell 46 Covid19-Patienten behandelt (-3 zum Vortag), davon ein Patient auf der Intensivstation (-1). (Standorte Stade und Buxtehude / Stand 14.12.2022 / Quelle: FRL Stade/IVENA)

 Inzidenzen in den Nachbarkreisen

Cuxhaven: 488,5

Rotenburg: 411,5

Harburg: 437,6

Über 12.000 Menschen in Niedersachsen an oder mit dem Virus verstorben

Das Land Niedersachsen meldet am Mittwoch eine Inzidenz von 444,4. 8.818 Neuinfektionen wurden niedersachsenweit registriert. Die Zahl der an oder mit dem Virus Verstorbenen steigt um 40 Todesfälle auf insgesamt 12.034.

Am Mittwoch liegt die Hospitalisierungsrate bei 13,1. 4,2 Prozent der Intensivbetten in Niedersachsen sind derzeit durch Covid-19-Patienten belegt. 

Bundesweite Inzidienz leicht steigend

Das Robert Koch-Institut (RKI) hat die bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz am Mittwochmorgen mit 231,2 angegeben. Das geht aus Zahlen hervor, die den Stand des RKI-Dashboards von 5 Uhr wiedergeben. Am Vortag hatte der Wert der Corona-Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner und Woche bei 228,1 gelegen (Vorwoche: 207,7; Vormonat: 216,7).

Allerdings liefern diese Angaben nur ein sehr unvollständiges Bild der Infektionszahlen. Experten gehen seit einiger Zeit von einer hohen Zahl nicht vom RKI erfasster Fälle aus - vor allem, weil bei weitem nicht alle Infizierten einen PCR-Test machen lassen. Nur positive PCR-Tests zählen in der Statistik. Zudem können Nachmeldungen und Übermittlungsprobleme zu einer Verzerrung einzelner Tageswerte führen.

Die Gesundheitsämter in Deutschland meldeten dem RKI zuletzt 48 327 Corona-Neuinfektionen (Vorwoche: 45 331) und 187 Todesfälle (Vorwoche: 173) innerhalb eines Tages. Vergleiche der Daten sind auch hier wegen des Testverhaltens, Nachmeldungen und Übermittlungsproblemen nur eingeschränkt möglich. Generell schwankt die Zahl der registrierten Neuinfektionen und Todesfälle deutlich von Wochentag zu Wochentag, da insbesondere am Wochenende viele Bundesländer nicht ans RKI übermitteln und ihre Fälle im Wochenverlauf nachmelden.

Das RKI zählte seit Beginn der Pandemie 36 860 998 nachgewiesene Infektionen mit Sars-CoV-2. Die tatsächliche Gesamtzahl dürfte deutlich höher liegen, da viele Infektionen nicht erkannt werden. (dpa/set)

Die Niedersächsische Absonderungsverordnung sieht vor, dass Infizierte einen positiven Corona-Schnelltest mit einem PCR-Test bestätigen lassen. Foto: dpa-Bildfunk

Die Niedersächsische Absonderungsverordnung sieht vor, dass Infizierte einen positiven Corona-Schnelltest mit einem PCR-Test bestätigen lassen. Foto: dpa-Bildfunk

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