Wilde Schlussphasen bei Bayerns Topstart und Unions Real-Drama
Der FC Bayern München gewinnt zum Auftakt der Champions League 4:3 gegen Manchester United.
Auch ohne den gesperrte Trainer Thomas Tuchel weist der FC Bayern zum Champions-League-Auftakt Manchester United in die Schranken. Union Berlin kämpft königlich und muss dennoch Real Madrid jubeln lassen.
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Auch ohne aktive Unterstützung von Thomas Tuchel am Spielfeldrand haben die Fußball-Profis des FC Bayern ihren Nimbus als Startspezialisten der Champions League gewahrt.
Der gesperrte Trainer konnte als Logen-Gast nach einer schwerfälligen Anfangsphase und turbulenten Schlussminuten ein 4:3 (2:0) seiner Mannschaft im europäischen Klassiker gegen Manchester United bejubeln.
Die ersten beiden Tore beim 20. Münchner Auftaktsieg in der Königsklasse erzielten sicherlich auch zur Freude des designierten neuen Bundestrainers Julian Nagelsmann die Nationalspieler Leroy Sané (28. Minute) und Serge Gnabry (32.). Nach dem Anschlusstor von United-Angreifer Rasmus Höjlund (49.) hatte Harry Kane bei seiner Königsklassen-Premiere für den FC Bayern seinen großen Auftritt. Englands Kapitän verwandelte einen Handelfmeter flach und scharf (53.).
In der Schlussphase wurde es nochmals turbulent. Erst verkürzte Manchester durch Casemiro (88.), dann konterte Bayern-Joker Mathys Tel in der Nachspielzeit mit dem 4:2. Den Schlusspunkt setzte erneut der Brasilianer Casemiro (90.+4). Der auf dem rechten Flügel wieder wirkungsvolle Sané verzeichnete zudem auf Vorarbeit von Jamal Musiala noch einen Pfostenschuss (56.).
Tuchel nach Sperre auf der Tribüne
Tuchel durfte wegen einer UEFA-Sperre nach einer Gelb-Roten Karte beim Viertelfinal-Aus gegen Manchester City vor dem Anpfiff und auch während der 90 Minuten nicht in Kontakt mit seinem Team sein. „Es nervt natürlich”, sagte der 50-Jährige zu seiner Rolle. Immerhin erlebte er auf seinem Tribünenplatz einen insgesamt überzeugenden Auftritt seiner Mannschaft. Es war der erste kleine Schritt zum anvisierten Finale 2024 in Wembley. Unten auf der Bank übernahmen erfolgreich Tuchels Assistenten Zsolt Löw und Anthony Barry.
Die Aufstellung hatte aber noch Tuchel gemacht. Und Champions-League-Spiele in Tuchels Amtszeit sind weiter keine Thomas-Müller-Spiele. Der 34-Jährige saß wie schon in beiden Partien gegen City im April auf der Bank. Der wieder richtig fitte Jamal Musiala kam neu in die Startelf. Und der 20-Jährige zeigte nicht nur bei einem brillanten Sololauf vor Gnabrys 2:0, warum Tuchel ihn vor dem Anpfiff beim Streamingdienst DAZN als „Schlüsselspieler” bezeichnete. Müller musste bis zur 87. Minute warten, ehe er für Kane reinkam.
FC Bayern mit starkem Beginn
Bevor die Bayern vor 75.000 Zuschauern in der ausverkauften Allianz Arena mit dem Doppelschlag zum 2:0 die Partie in ihre Richtung lenkten, waren sie 20 Minuten lang recht orientierungslos über den Rasen gelaufen. Die Gäste dominierten, führten aber nicht, weil Sven Ulreich einen gefährlichen Schuss von Christian Eriksen im kurzen Eck parierte (4.).
Ein Torwart als Rückhalt ist wichtig. Diese These bestätigte United-Schlussmann André Onana beim ersten Bayern-Tor. Sané zog nach Doppelpass mit Kane aus 18 Metern ab - und der Schlussmann aus Kamerun ließ den haltbaren Ball ins Netz rutschen. Und bevor sich die Gäste vom Rückstand aus dem Nichts erholt hatten, stand es auch schon 2:0.
Bayern Münchens Harry Kane trifft per Elfmeter zum 3:1.
Nach der Pause hatten die Bayern spätestens nach Kanes Elfmeter wenig Mühe, den ersten Schritt zum anvisierten Gruppensieg mit Ausnahme der Unachtsamkeit beim Gegentor zu vollenden. Eriksen war ein Kopfball von Dayot Upamecano an den Arm gesprungen. Im Gefühl des sicheren Heimsieges ließen die Münchner noch ein zweites Gegentor zu.
Bellingham verhindert Union-Sensation bei Real
Die um Sekunden geschlagenen Eisernen blickten kurz ratlos und enttäuscht in den Madrider Abendhimmel, noch lange nach dem bitteren Last-Minute-K.-o. hallten aber die Unioner Fan-Gesänge durch das ehrwürdige Estadio Santiago Bernabéu.
Mehr als 90 Minuten zermürbte der Fußball-Bundesligist die Königlichen von Real Madrid. Ein Abstauber-Tor aus drei Metern des ehemaligen Dortmund-Stars Jude Bellingham zerstörte in der vierten Minute der Nachspielzeit aber die Hoffnung auf eine Ergebnis-Sensation gleich beim Debüt in der europäischen Meisterklasse.
Real Madrids Jude Bellingham jubelt nach dem entscheidenden Treffer gegen Union Berlin.
„Das ist natürlich ganz bitter. Es war eine sehr gute Leistung von der ganzen Mannschaft”, sagte Berlins überragender Torwart Frederik Rönnow: „Natürlich sind wir traurig, aber da ist auch ein bisschen Stolz.”
Es war Bellingham, der Real vor über 80.000 Zuschauern mit seinem Tor gegen die leidenschaftlich verteidigende Auswahl von Trainer Urs Fischer jubeln ließ. „Wir waren geduldig. Wir wussten, dass wir bis zum Ende Chancen haben würden”, sagte der ehemalige BVB-Star.
Zum Leidwesen der Unioner. Trotz der Niederlage zum Europapokal-Auftakt können die Berliner aber gestärkt die kommenden Aufgaben in der Bundesliga angehen, in der nach zwei Niederlagen ein Negativtrend abgewendet werden muss. Am Samstag kommt die TSG Hoffenheim ins Stadion an der Alten Försterei.
Historischer Union-Moment
„Es ist schon ein bisschen ein Wahnsinn einfach. Es ist im Moment noch nicht so richtig greifbar”, sagte Union-Manager Oliver Ruhnert bei DAZN vor dem Anpfiff und blickte auf die legendäre elektronische Anzeige an der Stadion-Balustrade. Dort stand es blau auf weiß: Real Madrid C.F. und 1. FC Union Berlin. Das 0:0 zwischen den Vereinsnamen hatte am Ende keinen Bestand mehr.
Diesen historischen Moment für die Club-Geschichte richtig anzugehen, war eine schwere Aufgabe für Fischer, er vertraut dabei auch auf den erfahrenen italienischen Europameister Leonardo Bonucci als Abwehrchef. Das einmalige Erlebnis sollten alle intensiv aufsaugen können, aber nicht zulasten der winzigen Hoffnung auf eine handfeste Sensation. „Man sollte nicht zuviel Staunen. Heute musst du dir einiges Zutrauen”, forderte der Trainer bei DAZN.
Die Voraussetzungen erinnerten die Eisernen auch an die Bundesliga-Anfänge vor gerade einmal gut vier Jahren, als auf nationaler Ebene niemandem den Underdog-Club etwas zutraute. „Im Moment ist einfach erstmal wichtig zu sehen, wie wir uns auch auf dieser Bühne bewegen”, sagte Ruhnert.
Union mit starker Defensive
Sie bewegten sich gut, in ihrer ultradefensiven Grundordnung. Bei zwei frühen Kopfbällen von Joselu (3./6.) half einmal Torwart Frederik Rönnow und einmal das Zentimeter-Glück. Doch nur Verstecken war eben nicht angesagt. Ein Schuss von Kevin Behrens (3.) wurde geblockt. Noch mehr wäre möglich gewesen, als Aissa Laidouni wenig später mutig in den Real-Strafraum zog. Die Aktion verpuffte, da etwas zu hastig vorgetragen.
Unions Torhüter Frederik Rönnow machte gegen Real Madrid ein starkes Spiel.
Union verlagerte sich auf sein Kerngeschäft, das Verteidigen. Mit Erfolg. Mehr als ein paar unpräzise Fernschüsse von David Alaba (23.) und Aurélien Tchouameni (27.) und Nacho (34.) kamen in der ersten Halbzeit nicht in Richtung Rönnow-Tor. Real-Coach Carlo Ancelotti rudere am Spielfeldrand mit den Armen, als wolle er Anschub-Hilfe leisten.
Akustisch war das Stadion längst in Union-Hand. Die mehreren tausend Berliner Fans feierten ihre Fiesta. An der Puerta del Sol schallten an diesem sonnigen Spätsommer-Tag schon am Nachmittag die Sprechchöre. Rund 300 Anhänger kamen aber nicht ins Stadion, da sie ihre Fan-Utensilien wie Banner nicht mitnehmen durften.
Ancelotti dürfte klare Worte gefunden haben. Real kam wütend aus der Kabine und jetzt entfaltete das Bernabéu jene Wucht, die schon andere Mannschaften in die Knie zwang. Union hatte Glück bei Pfostentreffern von Rodrygo (51.) und Joselu (63.). Rönnow stand immer mehr im Blickpunkt und reagierte mehrfach hervorragend. Ancelotti brachte nun auch Toni Kroos ins Spiel. Den eisernen Riegel knackte der auch noch zum Spieler der Partie gekürte ehemalige BVB-Profi. „Bellingham bewirkt das Wunder und bringt Real den Sieg”, schrieb Spaniens „Sport”. (dpa)