Zahl der Insolvenzen von Unternehmen und Verbrauchern steigt im Norden

Hohe Verbraucherpreise bringen immer mehr Bürger in Bedrängnis. Wer sich überschuldet, muss irgendwann Privatinsolvenz anmelden. Symbolfoto: Towfiqu barbhuiya / Unsplash
Hamburg meldet 2022 im Vergleich zum Vorjahr mehr Unternehmensinsolvenzen. Für Privatleute läuft es nicht besser. Auch in Bremen und Schleswig-Holstein stehen mehr Menschen vor der Pleite.
Premium-Zugriff auf tageblatt.de für nur 0,99 €
Jetzt sichern!
Nach zwei Jahren rückläufiger Zahlen hat es in Hamburg 2022 im Vergleich zum Vorjahr wieder mehr Unternehmensinsolvenzen gegeben. Das Insolvenzgericht habe 543 entschiedene Anträge auf Unternehmensinsolvenz gemeldet, teilte das Statistikamt Nord am Mittwoch mit. Dies seien 55 Fälle beziehungsweise elf Prozent mehr als im Jahr 2021. Die Fallzahl war jedoch weiterhin niedriger als direkt vor der Corona-Pandemie im Jahr 2019 (746 Fälle) und im ersten Corona-Jahr 2020 (561 Fälle). Auch im längerfristigen Vergleich war die Zahl der Unternehmensinsolvenzen gering: In den Jahren 2012 bis 2021 wurden in der Hansestadt den Angaben zufolge im Durchschnitt 775 insolvente Unternehmen pro Jahr gemeldet.
Im regionalen Vergleich war der Bezirk Hamburg-Mitte mit 154 Unternehmensinsolvenzen und durchschnittlichen Forderungen in Höhe von 1,65 Millionen Euro pro insolventem Unternehmen am stärksten betroffen. Für insolvente Unternehmen mit Sitz im Bezirk Bergedorf wurden dagegen lediglich 22 Insolvenzanträge entschieden. Auch die durchschnittlichen Forderungen je Unternehmensinsolvenz waren mit 278 000 Euro vergleichsweise gering. Nur bei Unternehmen aus dem Bezirk Wandsbek, waren die durchschnittlichen Forderungen noch niedriger (237 000 Euro).
Die Zahl der Verbraucherinsolvenzen war im vergangenen Jahr drei Prozent höher als der Durchschnitt der vergangenen zehn Jahre. Für 2022 hat das Insolvenzgericht Hamburg 2085 entschiedene Anträge von Privatpersonen auf eine Verbraucherinsolvenz gemeldet. Im Vergleich zu 2021 sank die Zahl der Verbraucherinsolvenzen um acht Prozent. 2021 dürfte den Angaben zufolge allerdings ein Nachholeffekt zu zahlreichen Anträgen auf Verbraucherinsolvenz geführt haben. Viele Betroffene haben demnach ihren Insolvenzantrag im Jahr 2020 vermutlich zurückgestellt und 2021 eingereicht, um von einer erwarteten Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens zu profitieren. Durchschnittlich war eine insolvente Person mit 34 000 Euro verschuldet.
Verbraucherinsolvenzen im Norden auf niedrigem Niveau
Die Zahl von Verbraucherinsolvenzen ist im vergangenen Jahr in Schleswig-Holstein vergleichsweise niedrig gewesen. Insgesamt haben die Amtsgerichte im Land 2938 entschiedene Anträge von Privatpersonen auf eine Verbraucherinsolvenz gemeldet, wie das Statistikamt Nord am Mittwoch mitteilte. Abgesehen vom Jahr 2020, als viele Betroffene ihren Insolvenzantrag wegen einer ab 2021 zu erwartenden Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens zurückgestellt haben dürften, wurden zuletzt 2005 weniger als 3000 Verbraucherinsolvenzen gemeldet. Im Vergleich zu dem vom Nachholeffekt betroffenen Jahr 2021 betrug der Rückgang der Verbraucherinsolvenzen demnach 20 Prozent.
Am häufigsten wurden Insolvenzen für Verbraucherinnen und Verbraucher mit Wohnsitz im Kreis Rendsburg-Eckernförde gemeldet (352 Verfahren). Für Bewohnerinnen und Bewohner des Kreises Stormarn wurden dagegen lediglich 94 Insolvenzanträge entschieden. Durchschnittlich war eine insolvente Person nach Angaben der Statistiker mit 38 000 Euro verschuldet.
Die Zahl der Unternehmensinsolvenzen im Land ist 2022 hingegen gestiegen. Die Amtsgerichte haben den Angaben zufolge 520 entschiedene Anträge auf Unternehmensinsolvenz gemeldet. Das sind 74 Fälle beziehungsweise 17 Prozent mehr als 2021. "Damit wurden nach zwei Jahren rückläufiger Zahlen erstmals wieder mehr Insolvenzfälle verzeichnet", teilte das Statistikamt mit. Die Fallzahl war demnach jedoch weiterhin niedriger als direkt vor der Corona-Pandemie im Jahr 2019 (787 Fälle) und im ersten Corona-Jahr 2020 (534 Fälle). Auch im längerfristigen Vergleich ist die Zahl niedrig: In den Jahren 2012 bis 2021 wurden im Durchschnitt 856 insolvente Unternehmen pro Jahr gemeldet.
Bremen trotz Rückgangs mit höchster Quote an Privatinsolvenzen
Hohe Verbraucherpreise bringen immer mehr Bürger in Bedrängnis. Wer sich überschuldet, muss irgendwann Privatinsolvenz anmelden. Die Zahlen bleiben trotz kurzfristiger Erholung perspektivisch hoch.
In Bremen sind Privatinsolvenzen im vergangenen Jahr im Verhältnis zur Einwohnerzahl so häufig gewesen wie in keinem anderen Bundesland. Das geht aus Daten der Hamburger Wirtschaftsauskunftei Crif hervor. Demnach gab es mit 1269 Privatinsolvenzen im Jahr 2022 zwar fast ein Viertel weniger als im Vorjahr (2021: 1657). Allerdings übertrifft kein anderes Land den Wert von 188 Privatinsolvenzen je 100 000 Einwohner. Auf den Plätzen folgen Hamburg (167) und Niedersachsen (154). Insgesamt wurden in Niedersachsen 12 333 Fälle gezählt (2021: 14 384).
Bundesweit ist die Zahl der Privatpleiten gesunken. Nach einem sprunghaften Anstieg im Jahr 2021 verzeichnete die Auskunftei Crif nun 96 321 Fälle. Das waren 11,7 Prozent weniger als im Jahr 2021, das vom Sondereffekt einer Gesetzesänderung geprägt war. Für dieses Jahr rechnen die Experten angesichts der hohen Inflation mit erheblichen Problemen bei einkommensschwachen Haushalten und in der Folge erneut mit bis zu 100 000 Privatinsolvenzen. (dpa)