Zweitteuerstes Spritpreisjahr geht zu Ende – Das erwartet Autofahrer 2024

Viele hoffen auf Entspannung bei den Spritpreisen. Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa
2023 war ein außergewöhnliches Spritjahr: Deutlich billiger als das Vorjahr, deutlich teurer als alle anderen Jahre und geprägt von Verwerfungen durch die Weltpolitik. So geht es 2024 an den Zapfsäulen weiter.
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Landkreis. 2023 war ein außergewöhnliches Spritjahr: Deutlich billiger als das Vorjahr, deutlich teurer als alle anderen Jahre und geprägt von Verwerfungen durch die Weltpolitik. Wie gewht es 2024 weiter?Während das zweitteuerste Spritpreisjahr in Deutschland seinem Ende zusteuert, machen die zuletzt gesunkenen Preise Autofahrern Hoffnung, dass 2024 an der Zapfsäule entspannter wird. „Für 2024 bin ich verhalten optimistisch, dass Benzin sich etwa auf dem aktuellen, etwas entspannteren Niveau bewegt“, sagt der Kraftstoffmarkt-Experte des ADAC, Christian Laberer. „Diesel könnte sogar noch nachgeben, wenn im Frühjahr mit dem Ende der Heizsaison der für diese Jahreszeit typische Rückgang kommt.“ Insgesamt komme es aber stark auf den Ölpreis an, der bei Weltkrisen stark ansteigen könne, schränkt er ein.
„2023 war nicht so extrem wie 2022, aber dennoch ein außergewöhnliches Jahr - und das zweitteuerste aller Zeiten“, sagt Laberer. Das steht bereits einige Tage vor dem Ende des Jahres fest. Solange es nicht massive Anstiege oder Abstürze der Spritpreise im deutlich zweistelligen Centbereich gibt, wird Diesel im Jahresschnitt etwa 1,72 Euro pro Liter gekostet haben, Superbenzin der Sorte E10 1,79 Euro. Im Vergleich zum Extremjahr 2022 war E10 damit um rund 7 Cent billiger, Diesel um mehr als 22 Cent.
Starke Schwankungen
Hinter diesen Durchschnitten verbergen sich starke Schwankungen. Zwischen dem billigsten und dem teuersten Tag lagen bei E10 rund 21 Cent, bei Diesel sogar gut 30 Cent. Dafür sorgen an den Rohölmärkten vor allem zwei gegenläufige Entwicklungen: Verknappung auf der Angebotsseite und Schwäche aufseiten der Nachfrage.
Einerseits kam es zu einem Wiedererstarken des Verbunds Opec+ aus rund 20 Staaten, der seine Ölförderung deutlich kappte und den Preis damit zwischenzeitlich auf fast 100 Dollar pro Barrel (159 Liter) trieb. Doch mit der Konjunktur schwächelte auch die Nachfrage, was den Ölpreis wieder drückte. Hinzu kamen Krisen wie der Gaza-Krieg nach dem Massaker der Hamas am 7. Oktober in Israel oder Angriffe der vom Iran unterstützten Huthi-Rebellen auf Schiffe im Roten Meer. Im Ergebnis schwankten die Preise zwar stark, am Ende des Jahres standen sie aber wieder dort, wo sie schon Anfang des Jahres waren - bei etwa 80 US-Dollar.
Prognose
Für das kommende Jahr rechnen Fachleute mit tendenziell steigenden Rohölpreisen. Zwar dürften große Nachfrageregionen wie die USA oder Europa konjunkturell schwächeln, erwarten die Rohstoffexperten der Commerzbank. Spätestens in der zweiten Jahreshälfte dürfte das Wachstum aber anziehen, auch in China. Dann sollte es mit den Rohstoffpreisen wieder nach oben gehen. Die Volkswirte der BayernLB rechnen mit Preisen in Richtung 90 US-Dollar.
Dass der ADAC-Experte Laberer dennoch Hoffnung auf stabile oder sogar sinkende Preise an der Tankstelle hat, liegt neben dem saisonalen Effekt bei Diesel auch daran, dass er weiter etwas Luft in den Preisen sieht. Zudem könnte sich eine Entwicklung der vergangenen Monate fortsetzen: „Seit dem Spätsommer sind die davor sehr hohen Margen der Raffinerien rückläufig. Das wirkte sich auch positiv auf den Preis an der Zapfsäule aus“, sagt er. „Es bleibt zu hoffen, dass dies anhält. Hier könnte auch der genaue Blick des Kartellamts in der laufenden Sektoruntersuchung zu Raffinerien und Kraftstoffgroßhandel helfen.“
Zum Jahreswechsel ist allerdings zunächst ein kleiner Preissprung zu erwarten, wenn der CO2-Preis steigt. Laut Laberer bedeutet das bei E10 eine zusätzliche Belastung von circa 4,3 Cent, bei Diesel von 4,7 Cent pro Liter. „Es kann aber sein, dass die Mineralölkonzerne diese Preiserhöhung schon ein paar Tage vor Neujahr zumindest teilweise vorwegnehmen“, sagt er und rät, lieber früher zu tanken.
Berechnung des ADAC
Wie viel die Spritpreise für die Verbraucher ausmachen, zeigt eine überschlägige Berechnung des ADAC. Der Fahrer eines Diesels mit typischem Verbrauch und typischer Fahrleistung hat 2023 im Vergleich zu 2022 rund 300 Euro gespart, ein typischer Fahrer eines Autos mit Benzinmotor knapp 60 Euro. Nimmt man allerdings nicht das Extremjahr 2022 als Vergleich, sondern beispielsweise 2021 - ein im langjährigen Vergleich eher teures Jahr - sieht die Sache anders aus: Der Dieselfahrer zahlte 2023 dann mehr als 400 Euro drauf, der Besitzer des Benziners gut 200 Euro.
Auf den bundesweiten Spritverbrauch hatte die Preisentwicklung im abgelaufenen Jahr dennoch wohl keine große Auswirkung. Darauf deuten zumindest die Daten des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) zu den Inlandsablieferungen für Kraftstoff hin. Bisher liegen sie für die ersten neun Monate vor und zeigen bei Benzin einen leichten Anstieg um knapp 2 Prozent auf knapp 13 Millionen Tonnen. Beim deutlich stärker verbilligten Diesel ging es allerdings um knapp 4 Prozent auf 24,9 Millionen Tonnen zurück. Bei letzterem dürfte dabei allerdings auch die Konjunktur eine Rolle gespielt haben, da ein großer Teil von Lkw verbraucht wird. Zudem hatten vergangenes Jahr viele Unternehmen Diesel gekauft, um sich gegen befürchtete Gasengpässe im Winter abzusichern.
Dagegen hält der Trend an, dass immer mehr Autofahrer bei Benzin zum einige Cent pro Liter günstigeren E10 greifen. In den ersten neun Monaten 2023 machte es 25,6 Prozent der Inlandsablieferungen an Benzin aus. Im Vorjahreszeitraum waren es noch 23,4 Prozent.
Deshalb tanken noch immer kaum Autofahrer E10
Autofahrer könnten sparen, wenn sie E10-Benzin mit beigemischtem Bioethanol tanken. Doch die Skepsis und die Vorurteile gegenüber dem Biosprit halten sich hartnäckig - bis auf wenige Ausnahmen.
Seit 2011 gibt es den sogenannten Biokraftstoff E10 auf dem deutschen Markt und an den Tankstellen. E10 setzt sich aus dem „normalem“ Superbenzin und bis zu zehn Prozent beigemischtem Ethanol zusammen. Derzeit ist der Kraftstoff rund sechs Cent billiger als E5. Der ADAC empfiehlt deshalb E10 als Mittel gegen die hohen Spritpreise. Doch die Skepsis und die Vorurteile an Tankstellen sind groß.
Wer darf E10 tanken?
„Mein Auto ist zu alt für E10 und ich habe keine Lust auf kaputte Schläuche“, sagt ein Mann aus Schiffdorf, der anonym bleiben möchte. „Mein Auto verträgt das nicht, das soll schlecht für den Motor sein“, ist auch Serkan Sahin aus Spaden überzeugt. Ihre Argumente gegen den Biosprit sind weit verbreitet. Tatsächlich können aber die meisten Autos mit Benzinmotor E10 ohne Probleme tanken. Das gilt für fast alle Pkw, die seit 2011 zugelassen wurden - aber auch für die meisten älteren Modelle.
Ein entsprechender Hinweis, ob E10 getankt werden kann oder nicht, finden Autofahrer in ihrer Bedienungsanleitung. Auch informieren die meisten Hersteller auf ihren Internetseiten über die E10-Verträglichkeit. Für Fahrzeuge, die vor 2011 zugelassen wurden, gibt eine kostenlose Liste von der Deutschen Automobil Treuhand GmbH (DAT) Auskunft. Wenn ein Auto E10 tanken darf, dann gibt es laut Automobilindustrie keine negativen Effekte auf Funktionssicherheit, Lebensdauer und den Verschleiß.
Aber selbst wenn Autofahrer über die E10-Verträglichkeit wissen, bleibt die Unsicherheit groß. So wie bei Jörgen Ernst aus Uthlede: „Mein Auto ist zwar auf dieser Liste, aber es ist schon so lange mit B5 gelaufen, da ist mir alles andere zu riskant. Dann nehme ich lieber 6 Cent mehr in Kauf.“ Damit ist Ernst nicht allein. Nur wenige Autofahrer steigen wegen der hohen Energiepreise auf E10 um. Nach Beobachtungen des Bundesverbands der deutschen Bioethanolwirtschaft (BDBe) steigt der Anteil von E10 am Benzinverbrauch zwar kontinuierlich, aber von einem Boom sprechen sie nicht. 2022 haben in Deutschland 24 Prozent den Biosprit getankt. Ein Jahr zuvor seien es noch um die 17 Prozent gewesen.
Ist der Tank durch E10 schneller leer?
Ein weiteres häufiges Argument gegen E10 ist der Mehrverbrauch. „Als ich E10 getankt habe, war der Tank schneller leer“, sagt Patrick Tegeder aus Bremerhaven. Im Vergleich zu E5 müsse er dann einmal mehr in der Woche zur Tankstelle fahren. Tatsächlich erhöht sich aufgrund des etwas geringeren Energiegehaltes des Bioethanols bei gleicher Fahrweise der Kraftstoffverbrauch gegenüber den herkömmlichen Benzinsorten. Der Mehrverbrauch liegt aber laut ADAC unter 2 Prozent. Im Einzelfall komme es aber immer auf den Motor, die zurückgelegte Strecke und die Fahrweise an.
Markus Wedemeyer aus Nordenham ist einer der wenigen, der sich bewusst für den Biokraftstoff entscheidet. „Es ist besser für die Umwelt und auch günstiger“, sagt Wedemeyer. Seit Einführung des Kraftstoffs 2011 greift er auf die Alternative zurück. Er hat bisher keine Nachteile oder Unterschiede bemerkt. Der Biokraftstoff ist laut Herstellern und ADAC umweltfreundlicher und spare CO2 ein. Doch Umweltorganisationen sehen auch Nachteile, wie die Flächenkonkurrenz zu Nahrungsmitteln. Greenpeace fordert sogar ein Verbot des Biosprits. Öl wie Rapsöl gehöre nicht in den Tank, sondern auf den Esstisch, lautet ihre Forderung.