Reichsbürger-Razzia im Kreis Harburg – Festnahme

Im Dezember war bei einer Großrazzia der mutmaßliche Anführer Heinrich XIII. Prinz Reuß verhaftet worden. Archivfoto: dpa
Der Mann soll die mutmaßlichen Reichsbürger-Verschwörer um den Prinzen Heinrich Reuß mit einem hohen Geldbetrag unterstützt haben. Es blieb nicht die einzige Festnahme.
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Die Bundesanwaltschaft hat knapp sechs Monate nach einer Großrazzia gegen eine „Reichsbürger“-Gruppe drei mutmaßliche Mitstreiter des mutmaßlichen Rädelsführers Heinrich Prinz Reuß festnehmen lassen. Nach Angaben der obersten Anklagebehörde vom Dienstag wurden dabei am Montagabend in Baden-Württemberg eine Frau im Bodenseekreis, ein Mann im Landkreis Freudenstadt sowie ein weiterer Mann in Niedersachsen im Landkreis Harburg festgenommen. Dem Trio werde die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung vorgeworfen, so die Bundesanwaltschaft.
Die Zahl der Beschuldigten rund um die Großrazzia in der „Reichsbürger“-Szene vor knapp einem halben Jahr ist auf 63 gestiegen. Zuvor hatten der „Spiegel“ sowie die ARD über die Festnahmen berichtet. Nach „Spiegel“-Informationen handelt es sich bei der Festgenommenen um eine Frau, die bei der Bundestagswahl 2021 erfolglos für die Partei „Die Basis“ kandidiert hatte.
Drei mutmaßliche Reichsbürger festgenommen - bisher ein Haftbefehl
Bis Dienstagnachmittag waren schon zwei der jüngst Festgenommenen ins Gefängnis gekommen. Im Fall eines Mannes sollte ein Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof (BGH) voraussichtlich noch im Laufe des Tages über den Haftbefehl entscheiden.
26 der Männer und Frauen aus der Gruppe um Heinrich XIII. Prinz Reuß als einen der mutmaßlichen Rädelsführer sind den Angaben zufolge in Untersuchungshaft. „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ zweifeln die Legitimität der Bundesrepublik an. Die Bundesanwaltschaft hatte im Dezember 25 Verdächtige festnehmen lassen, darunter frühere Offiziere und Polizeibeamte. Weitere Beschuldigte gerieten anschließend ins Visier.

Zwei zivile Fahrzeuge mit Blaulichtern auf dem Dach fahren am Bundesgerichtshof vor.
Was dem mutmaßlichen Reichsbürger aus dem Kreis Harburg vorgeworfen wird
Der Frau werde vorgeworfen, sich seit Mai 2022 in der Vereinigung engagiert zu haben. So habe sie sich auch am sogenannten Rat beteiligt. Der „Rat“ haben zum Ziel gehabt, die bestehende Staatsordnung über den Haufen zu werfen. Die neue staatliche Ordnung in Deutschland habe mit den alliierten Siegermächten des Zweiten Weltkriegs verhandelt werden sollen. Spätestens im November 2022 habe die Frau Kontakt zu einem Generalkonsul der Russischen Föderation gesucht und ihn danach zweimal getroffen. „Die Gespräche sollten dazu dienen, Unterstützung für das Handeln der Vereinigung zu erhalten.“
Der in Niedersachsen festgenommene Mann soll der terroristischen Vereinigung rund 140.000 Euro gegeben und sich an Treffen zur Anwerbung von Mitgliedern und Sponsoren beteiligt haben. Der dritte Verdächtige soll eine führende Rolle in einer sogenannten Heimatschutzkompagnie gehabt haben. Darüber hinaus hieß es: „Ihm kam die Aufgabe zu, Personal für seinen Zuständigkeitsbereich zu gewinnen und dieses militärisch auszubilden.“
Erst Ende April hatte ein mutmaßlicher Reichsbürger bei seiner Festnahme im Kreis Cuxhaven einen Polizisten schwer verletzt. Niedersachsens Innenministerin Daniela Behrens warnte vor einer Verharmlosung. „Die Tatsache, dass in Baden-Württemberg im Rahmen einer weiteren Durchsuchung auf einen Polizeibeamten geschossen wurde, zeigt erneut, dass es überhaupt keinen Anlass gibt, die sogenannten Reichsbürger und Selbstverwalter zu verharmlosen“, sagte die SPD-Politikerin nach den Geschehnissen im März.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sagte der Funke-Mediengruppe am Dienstag, Waffenbehörden müssten „Reichsbürger“ weiter konsequent entwaffnen. „Wir haben es nicht mit harmlosen Spinnern zu tun, sondern mit einer mutmaßlich terroristischen Vereinigung, die von Umsturzfantasien mit Waffengewalt geprägt ist“, betonte Faeser. Behörden müssten sich engmaschig austauschen. Ende 2022 hätten noch rund 400 „Reichsbürger“ mindestens über eine waffenrechtliche Erlaubnis verfügt. „Wir müssen sicherstellen, dass bei jedem Anzeichen für die Gefährlichkeit eines Waffenbesitzers Waffen konsequent entzogen werden“, so die Innenministerin.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz rechnet der gesamten Szene rund 23.000 Anhänger zu - Tendenz steigend. Etwa zehn Prozent (2100) von ihnen sieht die Behörde als gewaltorientiert an. In Niedersachsen soll es knapp 1000 Reichsbürger geben. 2021 hätten „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ bundesweit 1011 extremistische Straftaten begangen (2020: 599), heißt es bei der Behörde. Seit 2016 wurden den Angaben nach 1050 waffenrechtliche Erlaubnisse entzogen.
„Sie lehnen unseren Rechtsstaat ab und scheuen auch nicht davor zurück, Gewalt gegen dessen Vertreterinnen und Vertreter auszuüben. Umso wichtiger ist es, diese Personengruppe konsequent strafrechtlich zu verfolgen und zu entwaffnen.“ (dpa)