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Reichsbürger im Cuxland verletzt Polizisten schwer

In Niedersachsen soll die sogenannte Reichsbürger-Szene aus rund 1000 Menschen bestehen - Tendenz steigend. Foto: Seeger/dpa

In Niedersachsen soll die sogenannte Reichsbürger-Szene aus rund 1000 Menschen bestehen - Tendenz steigend. Foto: Seeger/dpa

Der 60-Jährige aus Cadenberge sollte festgenommen werden, als die Situation eskalierte. Auch die Ehefrau wurde handgreiflich. Für den Polizeipräsidenten ist eine Grenze erreicht.

Freitag, 28.04.2023, 12:32 Uhr

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Am Donnerstagmorgen vollstreckten Einsatzkräfte der Polizeiinspektion Cuxhaven einen Haftbefehl gegen einen 60-jährigen Mann aus Cadenberge. Der Mann sowie weitere Familienangehörige seien nach polizeilichen Erkenntnissen der aktiven Reichsbürger-Szene zuzuordnen, hieß es in einer Mitteilung der Polizei.

Als die Beamten auf den Mann trafen, habe dieser erheblichen Widerstand geleistet. Auch seine 58 Jahre alte Ehefrau, die ebenfalls der Reichsbürger-Szene zugeordnet wird, habe die Polizisten attackiert. Waffen seien dabei nicht eingesetzt worden. 

Ein Polizist sei schwer verletzt worden. Der 42-Jährige sei derzeit nicht mehr dienstfähig, hieß es weiter. Er werde "wohl mehrere Wochen ausfallen", vermutet Polizeisprecher Stephan Hertz.

Reichsbürger attackiert Polizisten: „Grenze erreicht“

Wie sich der 60-Jährige zuvor strafbar gemacht hatte, will Hertz wegen der laufenden Ermittlungen nicht verraten. Er deutet aber an, dass es sich nicht um eine schwere Straftat handelt: "Es war kein Kapitalverbrechen."

"Hier ist wieder einmal von Reichsbürgern eine Grenze nicht nur erreicht, sondern deutlich überschritten worden. Wenn Reichsbürger meinen, durch ihre kruden Ideen, so wie in diesem Fall, Gewalt gegen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte zu rechtfertigen, dann liegen sie völlig daneben", sagte Johann Kühme, Präsident der Polizeidirektion Oldenburg. "Als Behördenleiter stelle ich ebenfalls Strafantrag", so Kühme weiter.

Innenministerin: Reichsbürger nicht verharmlosen

Erst im Dezember und März hatte es bundesweit große Reichsbürger-Razzien gegeben. Die Verbindungen der Szene reichen dabei bis nach Niedersachsen. Innenministerin Daniela Behrens warnte vor einer Verharmlosung. „Die Tatsache, dass in Baden-Württemberg im Rahmen einer weiteren Durchsuchung auf einen Polizeibeamten geschossen wurde, zeigt erneut, dass es überhaupt keinen Anlass gibt, die sogenannten Reichsbürger und Selbstverwalter zu verharmlosen“, sagte die SPD-Politikerin nach den Geschehnissen im März.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz rechnet der gesamten Szene rund 23.000 Anhänger zu - Tendenz steigend. Etwa zehn Prozent (2100) von ihnen sieht die Behörde als gewaltorientiert an. In Niedersachsen soll es knapp 1000 Reichsbürger geben.

„Sie lehnen unseren Rechtsstaat ab und scheuen auch nicht davor zurück, Gewalt gegen dessen Vertreterinnen und Vertreter auszuüben. Umso wichtiger ist es, diese Personengruppe konsequent strafrechtlich zu verfolgen und zu entwaffnen.“

Reichsbürger-Szene: Verbindungen in den Kreis Cuxhaven

Mutmaßliche Führungsmitglieder der Reichsbürger-Gruppierung, die bei einer Großrazzia im Dezember aufgeflogen war, sollen Pläne für einen gewaltsamen Sturm auf den Bundestag gehabt haben. Dafür seien sie „bereits in konkrete Vorbereitungshandlungen eingetreten“, hieß es in einem Abschlussbericht des Bundesgerichtshofs (BGH).

Ein Kommando von bis zu 16 Personen habe Regierungsmitglieder und Abgeordnete in Handschellen abführen sollen. Einer der in Untersuchungshaft sitzenden Beschuldigten hatte laut BGH nach dem Stand der Ermittlungen in Berlin schon die Örtlichkeiten ausgekundschaftet, Fotos gemacht und eine Namensliste von Politikern, Journalisten und anderen Personen des öffentlichen Lebens erstellt.

Einer der Köpfe trat im August 2022 im Kreis Cuxhaven auf. Damals hatten rund 80 Anhänger einen Vortrag des bekannten Reichsbürgers Dr. Matthes H. in einer Gaststätte im südlichen Cuxland verfolgt. Nach einem Hinweis der Politologin und freien Journalistin Andrea Röpke hatte die „Nordsee-Zeitung“ den Fall öffentlich gemacht. Die Polizei konnte das Treffen damals nicht verhindern.

H., ein Tübinger Physiker, sollte laut ARD in dem von der Reichsbürger-Gruppe vorgesehenen „Schattenkabinett“ für Fragen des Völkerrechts zuständig sein. In seinem Vortrag „Das Deutsche Reich 1871 bis heute“, den er auch im Cuxland hielt, spricht H. der Bundesrepublik ab, ein souveräner Staat zu sein.

Stattdessen sei Deutschland weiterhin durch die Siegermächte des Zweiten Weltkriegs besetzt und die vorherrschende Rechtsordnung ungültig. (tip/red)

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