Alarm im Restaurant: Gastronomen im Kreis Stade suchen händeringend Köche

Die Gewerkschaft NGG schlägt "Küchen-Alarm": Im Kreis Stade wird dringend Personal gesucht. Foto: NGG
Immer öfter stünden Gäste vor verschlossenen Türen, warnt die Gastronomie-Gewerkschaft NGG. Schuld seien fehlende Fachkräfte im Service oder in der Küche: „Der Trend ist klar: Die Gastronomie kocht und bedient nur noch auf Sparflamme.“ Wie die Branche dagegen ankämpft.
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Die Küche bleibt kalt – und das immer öfter: Ob Restaurant, Gaststätte oder Biergarten – in der Gastronomie im Kreis Stade gehören „neue Öffnungszeiten“ zum Alltag, schreibt die Gastronomie-Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) in einer Pressemitteilung. „Immer häufiger stehen Gäste vor verschlossenen Türen. Wer zum Essen rausfährt oder etwas trinken möchte, sollte sich besser vorher im Internet oder per Anruf erkundigen, ob das Lokal auch offen hat. Und vor allem, wie lange es warme Küche gibt“, sagt Iris Münkel von der NGG.
Viele Gaststätten und Restaurants hätten bereits einen zusätzlichen Ruhetag eingelegt. „Einige Häuser streichen den Mittagstisch komplett. Und oft schließt die Küche abends deutlich früher. Der Trend ist klar: Die Gastronomie kocht und bedient nur noch auf Sparflamme“, sagt Münkel. Die Geschäftsführerin der NGG Bremen-Weser-Elbe schlägt „Küchen-Alarm“ für die Gastro-Szene. Der Grund liege auf der Hand: „Zu wenig Personal. Hotels, Restaurants, Gaststätten, Biergärten, Cafés, Caterings ... – fast alle suchen händeringend Unterstützung“, so Iris Münkel.
Bereits Ende 2022 schlug Lutz Feldtman, Kreisvorsitzender des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (DEHOGA), im TAGEBLATT in die gleiche Kerbe. Falls Lokale ihre Öffnungszeiten einschränken, hätte das hier im Kreis nichts mit den Energiepreisen zu tun, versicherte er - sondern damit, dass Personal fehlt. Seit Jahren klagt die Gastronomie, wie andere Gewerke auch, über Fachkräftemangel. In der Corona-Pandemie, als Restaurant- und Hotelbesuche monatelang nur unter harten Auflagen erlaubt waren, wanderten viele Mitarbeiter in andere Branchen ab.
So viele offenen Stellen gibt es im Kreis Stade
Aktuell hat die Bundesagentur für Arbeit in der Hotellerie und Gastronomie laut NGG aktuell 35 offene Stellen im Landkreis Stade registriert. „Wer in der Küche klarkommt, kann sofort anfangen: 29 unbesetzte Jobs warten auf einen Küchen-Profi. Aber auch um den Nachwuchs macht sich das Gastgewerbe Sorgen: 16 Ausbildungsplätze sind immer noch frei“, sagt Gewerkschafterin Münkel. „Für die Azubi-Suche läuft der Countdown. Und es sieht nicht gut aus. Denn eigentlich müssten die Verträge für das neue Ausbildungsjahr schon längst abgeschlossen sein“
In der Gastro-Branche müsse sich einiges ändern: „Höhere Löhne und bessere Arbeitszeiten sind der Schlüssel für mehr Personal“, macht Iris Münkel klar. Konkret peilt sie dabei für die Zukunft einen „Gastro-Start-Lohn“ von 3.000 Euro brutto pro Monat für alle an, die in der Hotellerie und Gastronomie nach ihrer Ausbildung in einem Vollzeit-Job weiterarbeiten.
NGG: Viele Beschäftigte verdienen unter Tarif
Das sei ein fairer Einstiegslohn - egal, wo eine Köchin, ein Kellner oder eine Hotelfachfrau hingeht – egal, an welcher Hotelbar, an welcher Rezeption, bei welchem Caterer oder in welchem Biergarten es einen neuen Job gibt, so Münkel. „Das muss die Branche hinbekommen. Denn wer seine Ausbildung in der Küche, im Service oder im Hotel abgeschlossen hat, braucht eine klare Perspektive“
Von fairen Löhnen seien viele Beschäftigte der Branche heute immer noch weit entfernt: „Tatsächlich schrammen Köche und Kellnerinnen im Kreis Stade ziemlich oft nah an der Mindestlohnkante von 12 Euro pro Stunde entlang. Ein Großteil der Gastro-Betriebe zahlt noch immer keinen Tariflohn. Das ist ein Unding, wenn man gute Leute sucht“, so Iris Münkel.
Gastronomie: In Deutschland fehlen mehr als 65.000 Mitarbeiter
Der Fachkräftemangel belastet deutschlandweit Hotels und Gaststätten. Nach Ansicht das Branchenverbands Dehoga fehlen derzeit mehr als 65.000 Mitarbeiter. „Der Mitarbeitermangel gehört laut den monatlichen Dehoga-Umfragen regelmäßig zu den größten Herausforderungen für die Betriebe“, teilte der Verband der Deutschen Presse-Agentur mit. „Die Bundesagentur für Arbeit meldet für Juni 33.160 offene Stellen im Gastgewerbe. Wir gehen allerdings davon aus, dass der tatsächliche Bedarf mindestens doppelt so hoch ist, da viele Betriebe ihre freien Arbeitsplätze nicht mehr bei den Arbeitsagenturen beziehungsweise Jobcentern melden“, sagte Dehoga-Arbeitsmarktexpertin Sandra Warden.
Die Schätzung untermauerte Warden mit einem Blick auf die Zahlen von Juni 2019: Damals waren fast 40.000 freie Stellen gemeldet. „Und wie wir wissen, hat sich das Problem seitdem (in Folge der Corona-Pandemie) immens verschärft“, sagte Warden. „Gerade jetzt in der Urlaubssaison und der damit verbundenen erhöhten Nachfrage in den touristischen Destinationen steigt der Bedarf weiter.“
Die Gastronomie-Betriebe reagieren inzwischen vielfältig auf die angespannte Lage auf dem Arbeitsmarkt. „Es gibt Betriebe, die sich daher gezwungen sehen, ihre Öffnungszeiten zu verkürzen, Ruhetage einzuführen oder das Angebot der Speisekarte zu konzentrieren“, sagte Warden. In einigen Gaststätten war zuletzt auch zu beobachten, dass mehr auf Selbstbedienung gesetzt wird statt eines kompletten Services am Tisch.
Beim Dehoga gibt es aber die Hoffnung, dass die Branche schnell von den Möglichkeiten der reformierten Einwanderung wie auch der erleichterten Beschäftigung von Geflüchteten profitieren kann. Zudem fordert der Verband eine Offensive für die duale Ausbildung und mehr Wertschätzung für praktische Berufe und Tätigkeiten.
Gastronomen fordern weiterhin reduzierte Mehrwertsteuer
Fachkräftemangel ist nicht das einzige Problem, mit dem die Gastronomie kämpft. Die zu Beginn des Jahres eingeführte Mehrwegpflicht belastet die Restaurants ebenso wie die weiterhin hohen Energiepreise. Das dickste Brett ist aktuell aber die Mehrwertsteuer: Zum Ende des Jahres soll die Mehrwertsteuer auf Speisen in der Gastronomie wieder auf 19 Prozent angehoben werden. Während der Corona-Pandemie war diese auf 7 Prozent reduziert worden und damit Lieferdiensten und Außer-Haus-Bestellungen gleichgesetzt. Angesichts einer befürchteten Energiekrise war die Regelung bis Ende 2023 verlängert worden.
Die Rückkehr zur vollen Mehrwertsteuer auf Essen in Restaurants zum Jahreswechsel könnte aus Branchensicht für viele Betriebe zu einer existenziellen Belastung werden. „Bei einer Steuererhöhung würden weitere 12.000 Unternehmen ihr Geschäft aufgeben“, sagte die Hauptgeschäftsführerin des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga), Ingrid Hartges, den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Derzeit gibt es in der Branche demnach noch 186.000 Unternehmen. 36.000 hatten nach Dehoga-Angaben in der Corona-Pandemie aufgegeben.
Die Mehrwertsteuer auf Speisen in der Gastronomie war während der Corona-Pandemie von 19 auf 7 Prozent reduziert worden. Der Dehoga setzt sich seit Langem dafür ein, die Steuererleichterung darüber hinaus beizubehalten. Hartges hob hervor: „Eine Steuererhöhung müsste in vollem Umfang an die Gäste weitergegeben werden, da es hier für Gastronomen keine Spielräume mehr gibt.“ (bat/pm/dpa)