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Finanz-Revolution

Ampel will Steuerklassen abschaffen – Was das für wen bedeutet

Typischer Fall: Der in Vollzeit arbeitende Mann hat Steuerklasse 3, die in Teilzeit arbeitende und daher weniger verdienende Frau die Steuerklasse 5.

Typischer Fall: Der in Vollzeit arbeitende Mann hat Steuerklasse 3, die in Teilzeit arbeitende und daher weniger verdienende Frau die Steuerklasse 5. Foto: Robert Michael/dpa-Zentralbild/dpa

Die Regierung will die Klassen 3 und 5 zum 1. Januar 2025 kippen. Diese werden vor allem von Ehepaaren genutzt. Die wichtigsten Fragen und Antworten zur Steuer-Revolution.

Von Antje Höning und Birgit Marschall Samstag, 24.02.2024, 16:08 Uhr

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Berlin. Das Bundesfinanzministerium arbeitet an einer Steuerreform, mit der die von vielen Ehepaaren genutzten Steuerklassen 3 und 5 abgeschafft werden sollen. Der Bund der Steuerzahler pocht darauf, das Ehegattensplitting zu erhalten.

Für die Höhe der gesamten Steuerlast haben sie keine Bedeutung, trotzdem spielen Steuerklassen in vielen Familien eine große Rolle. Typischer Fall: Der in Vollzeit arbeitende Mann hat Steuerklasse 3, die in Teilzeit arbeitende und daher weniger verdienende Frau die Steuerklasse 5. Bei dieser Klasse 5 fallen zunächst hohe Steuern an, was viele Frauen womöglich als frustrierend empfinden - von ihrem Lohn bleibt kaum etwas übrig, bis irgendwann der Steuerausgleich für Klarheit sorgt. Diese beiden Steuerklassen will die Ampel-Regierung nun abräumen. Den Grünen und der SPD sind sie schon lange ein Dorn im Auge.

Was ist geplant?

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) will die Steuerklassen 3 und 5 für Eheleute abschaffen. Er setzt damit ein Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP um. Ziel der Ampelkoalition ist es, den Netto-Lohnunterschied zwischen Männern und Frauen zu verringern, denn meistens sind es in einer Ehe die Frauen, die geringere Einkünfte haben und noch dazu in der schlechteren Steuerklasse 5 besteuert werden.

Wie weit sind die Vorbereitungen im Finanzministerium?

„Die erforderlichen steuergesetzlichen Änderungen sind zwischenzeitlich im fachlichen Austausch mit allen Beteiligten vorbereitet. Aktuell laufen abschließende Gespräche und Abstimmungen für die Umsetzung des Auftrags aus Koalitionsvertrag in einem der nächsten Gesetzgebungsverfahren. Der Zeitpunkt der erstmaligen Anwendung des Verfahrens ist vorrangig von den erforderlichen IT-Arbeiten nach Abschluss des parlamentarischen Gesetzgebungsverfahrens abhängig“, erklärte ein Sprecher des Ministeriums. Die Einführung zum 1. Januar 2025 dürfte damit möglich sein.

Werden Ehepaare durch die Umstellung netto weniger Einkommen haben?

Nein. Das sogenannte Ehegattensplitting, das Ehen und Lebenspartnerschaften gegenüber Nicht-Verheirateten steuerlich begünstigt, bleibt erhalten. „Die Steuerklassenkombination 4/4 soll, wie bisher, der Grundfall für nicht dauernd getrenntlebende, unbeschränkt einkommensteuerpflichtige Ehegatten/Lebenspartner bleiben“, sagte der Sprecher. Darauf pocht auch der Bund der Steuerzahler: „Eine Reform der Steuerklassen darf nicht dazu führen, dass das bewährte und familienfreundliche Splittingsystem verschwindet. Ein Splitting-Aus würde massive Steuererhöhungen für Ehepaare bedeuten“, warnte Reiner Holznagel, Präsident des Steuerzahlerbunds.

Was müssen Betroffene nach der Reform tun?

Schon jetzt gibt es ein Faktorverfahren: Dann haben beide Partner die Steuerklasse 4, allerdings mit einem Faktor. Der verteilt den Vorteil des Ehegattensplittings so auf beide Partner, wie es den Anteilen am Gesamteinkommen entspricht. Das neue Faktorverfahren kann durch einmaligen Antrag gewählt werden – oder es wird für alle Fälle künftig berücksichtigt, die zum Umstellungszeitpunkt des Verfahrens in die Steuerklassen 3 und 5 eingereiht waren, hieß es im Ministerium.

Für wen die Steuerklassen I bis VI gedacht sind

  • Steuerklasse I

Dieser Steuerklasse waren 2018 rund 22 Millionen Menschen zugeordnet, zeigt die Datensammlung zur Steuerpolitik des Bundesfinanzministeriums. Dort landet automatisch jeder Arbeitnehmer oder jede Arbeitnehmerin, die single oder geschieden ist und keine Kinder hat.

Bei der Berechnung des Nettolohns berücksichtigt der Arbeitgeber einen jährlichen steuerlichen Grundfreibetrag von aktuell 10 908 Euro, einen Arbeitnehmerpauschbetrag von 1230 Euro und den Sonderausgabenpauschbetrag von 36 Euro. Nach Abzug der Freibeträge wird dann die fällige Lohnsteuer ermittelt. Nach Berechnungen von Finanztip beträgt die bei einem Bruttoeinkommen von monatlich 3000 Euro rund 341 Euro.

  • Steuerklasse II

Das ist die Steuerklasse der Alleinerziehenden. Wer also zum Beispiel getrennt lebt und ein Kind hat, für das Kindergeld fließt, kann in diese Steuerklasse wechseln. Sie berücksichtigt einen Entlastungsbetrag für Alleinerziehende, der in diesem Jahr auf 4260 Euro angehoben worden ist. Dieser Betrag kommt noch auf die Freibeträge der Steuerklasse I drauf.

„Alleinerziehende haben so bei einem Kind rund 100 Euro netto mehr im Monat auf dem Konto“, rechnet Steuerfachmann Jörg Leine vom Finanzratgeber Finanztip für das obige Beispiel vor. Davon profitieren derzeit rund eine Million Steuerpflichtige, die meisten davon sind Frauen.

Den Wechsel in diese Steuerklasse müssen Alleinerziehende zum Beispiel nach einer Trennung selbst beantragen. „Wer das vergisst, bekommt das Geld später bei der Steuererklärung zurück“, sagt Leine. „Aber erst mal hat man netto dann weniger raus.“

  • Steuerklasse IV

Nach dem Ja-Wort werden verheiratete oder verpartnerte Paare automatisch in diese Steuerklasse eingeordnet. Die Freibeträge sind die gleichen wie in Steuerklasse I. Das biete sich besonders für Paare an, bei denen beide Partner in etwa gleich viel verdienen, sagt Kalina-Kerschbaum, Geschäftsführerin der Bundessteuerberaterkammer. Die Partner werden in der Steuerklasse IV gleich besteuert.

„Zusätzlich zur Steuerklassenkombination IV/IV besteht die Möglichkeit, diese mit Faktor zu wählen“, sagt Kalina Kerschbaum. „Der Faktor ist ein steuermindernder Multiplikator und ermöglicht, für beide das günstigere Ehegattensplitting anzuwenden. Dadurch behält der Fiskus nicht mehr Lohnsteuer ein als unbedingt notwendig.“

Beim Ehegattensplitting werden bei einer gemeinsamen Steuererklärung beide Einkommen zusammengerechnet, durch zwei geteilt und dann besteuert. In der Regel fällt die Last dadurch niedriger aus. Mit dem Faktor wird versucht, die Steuern schon vor der Steuererklärung auf beide Partner möglichst gleich aufzuteilen. Der mit dem niedrigeren Einkommen hat dadurch netto mehr auf dem Konto als ohne Faktor. Steuerzahler müssen den Faktor beim Finanzamt beantragen. Er gilt für zwei Jahre.

  • Steuerklassen III und V

Die meisten Paare wählen laut Statistik aber lieber die Steuerklassen-Kombination III und V. Das ist erlaubt, sofern die Ehe- oder Lebenspartner nicht dauerhaft getrennt leben. Wichtig dabei: Das Paar muss sich entscheiden, wer welche von diesen beiden Klassen nimmt.

Der Anreiz für diese Kombination ist der Vorteil der Steuerklasse III. Dort greift der doppelte Grundfreibetrag. Finanztip-Berechnungen zufolge fällt dann erst ab einem Bruttomonatseinkommen von rund 2400 Euro überhaupt Lohnsteuer an.

Den Preis dafür zahlt der Partner in Steuerklasse V. Dieser hat nämlich kaum Freibeträge und deshalb vergleichsweise hohe Abzüge. In unserem Beispiel wären das 643 Euro Lohnsteuer im Monat.

Das habe vor allem Vorteile bei Paaren mit unterschiedlich hohem Einkommen, so Kalina-Kerschbaum: „Der Ehegatte, der Lebenspartner beziehungsweise die Lebenspartnerin mit dem geringen Einkommen wählt die ungünstigere Steuerklasse V, während das hohe Einkommen des anderen in der Steuerklasse III geringer besteuert wird.“ Insgesamt hat ein solches Paar dadurch jeden Monat mehr auf dem Konto als wenn beide die Steuerklasse IV wählen.

Allerdings sind die Steuerklassen III und V nach dem Willen der Bundesregierung ein Auslaufmodell. Das Bundesfinanzministerium arbeitet an einem Gesetz, um die beiden Steuerklassen abzuschaffen. So soll die Lohnsteuerbelastung der beiden Partner gerechter verteilt werden.

  • Steuerklasse VI

Wer mehr als einen Job hat, landet mit dem zweiten automatisch in dieser Steuerklasse - zumindest solange es sich nicht um einen Minijob handelt. Freibeträge gelten hier keine, deshalb fällt bereits ab dem ersten Euro Verdienst die Lohnsteuer an.

Aber: Beschäftigte können frei wählen, welcher der beiden Jobs der Steuerklasse VI zugeordnet werden soll. Der Lohnsteuerhilfeverein Vereinigte Lohnsteuerhilfe rät Beschäftigen, diese für den Job mit dem niedrigeren Einkommen zu wählen.

Abgerechnet wird erst zum Schluss

Egal welche Steuerklasse auf dem Lohnzettel steht: Abgerechnet wird erst mit Abgabe der Steuererklärung. „Die Höhe der insgesamt fälligen Einkommensteuer richtet sich nach dem gesamten Einkommen“, sagt Jörg Leine. „Dadurch kann es sein, dass zum Beispiel ein Ehepaar durch sein Steuerklassen-Modell zu wenig Lohnsteuer gezahlt hat“, erklärt Leine. Es müsste dann also nach Ablauf des Jahres Steuern nachzahlen.

Wer dagegen mit seinem Zweitjob in Steuerklasse VI landet, kann sich mit einer Steuererklärung einiges von der gezahlten Lohnsteuer zurückholen. Beide Einkommen werden zusammengerechnet und dann Bilanz gezogen. (mkr/dpa/tmn)

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stender.h t-online
25.02.202409:58 Uhr

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