Immer mehr Menschen verbergen ihre Adresse – Das ist der Grund

Wer aktuell eine Auskunftssperre beantragt, muss dies ausführlich begründen. Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa
Immer mehr Menschen fühlen sich offenbar bedroht und beantragen einen Auskunftsschutz für ihre Wohnanschrift. Was Anfeindungen und Attacken damit zu tun haben.
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Seit einer Gesetzesänderung im Jahr 2021 ist die Zahl der Menschen, die ihre Adresse im Melderegister sperren lassen, deutlich gestiegen. „Ersten Erkenntnissen zufolge ist nach der Neuregelung die Anzahl der Auskunftssperren um circa 24 Prozent gestiegen“, teilte eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums auf Anfrage mit.
Gefährdeten Personen, die durch ihr berufliches oder ehrenamtliches Engagement in den Fokus gewaltbereiter Gruppen oder Personen gerieten, sei es mit dem Gesetz zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität vom 30. März 2021 deutlich erleichtert worden, eine solche Sperre zu erwirken. Ein Entwurf für ein Gesetz zur Änderung des Bundesmeldegesetzes werde derzeit innerhalb der Bundesregierung abgestimmt. Im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP heißt es dazu nur recht allgemein: „Wir verbessern die Möglichkeit von Auskunftssperren im Melderegister für Bedrohte.“
Wer aktuell eine Auskunftssperre beantragt, muss dies nicht nur ausführlich begründen, sondern auch Belege für eine mögliche Bedrohung vorlegen sowie gegebenenfalls eine Bescheinigung des Arbeitgebers. Die Auskunftssperre ist jeweils auf zwei Jahre befristet. Sie kann auf Antrag oder von Amts wegen verlängert werden.
Mehr Menschen schützen ihre Adresse im Melderegister
Ziel der neuen Regelung ist es, potenziellen Straftätern zu erschweren, politisch engagierte Menschen, Journalisten oder ehrenamtlich Tätige privat aufzusuchen und zu bedrohen. Dem Vernehmen nach hatte das Bundesjustizministerium hier zuletzt für eine weitreichendere Änderung ausgesprochen als das Innenressort.
Misbah Khan, Innenpolitikerin der Grünen, würde sich bei diesem Gesetzesvorhaben mehr Tempo wünschen - auch mit Blick auf anstehende Wahlkämpfe. „Eine weitere Verzögerung ist angesichts der jüngsten Vorfälle nicht mehr hinnehmbar“, sagte die Bundestagsabgeordnete. Politikerinnen und Politiker der Grünen waren in den vergangenen Tagen bei öffentlichen Terminen an mehreren Orten beschimpft worden. In Baden-Württemberg entschied man sich nach einer Auseinandersetzung zwischen Protestierenden und der Polizei, eine Veranstaltung der Grünen zum Politischen Aschermittwoch abzusagen.
Grünen-Politikerin beklagt Gleichgültigkeit
„Verbale und physische Angriffe stoßen in der politischen Auseinandersetzung mehr und mehr auf Gleichgültigkeit oder sogar Akzeptanz“, kritisierte Khan. Das sei eine besorgniserregende Entwicklung und ein „ernsthaftes Sicherheitsrisiko für die kommenden Wahlkämpfe“.
In der zweiten Jahreshälfte soll eine Anlaufstelle für bedrohte Kommunalpolitiker an den Start gehen. Dafür hatte sich Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) eingesetzt. Die neue Stelle soll beraten und dazu beitragen, die Kommunikation zwischen Sicherheitsbehörden, Justiz und Verwaltung zu verbessern. (dpa)