Biomethananlage im XXL-Format liefert Kraftstoff aus Mist und Gülle

Blick auf eine sich im Bau befindende riesige Biogasanlage. Auf einer Fläche von mehr als 13 Hektar in einem Gewerbegebiet nahe der Kleinstadt Friesoythe bei Cloppenburg entsteht derzeit eine der größten Biogasanlagen Europas. Foto: Mohssen Assanimoghaddam/dpa
Im Landkreis Cloppenburg entsteht eine riesige Biogas-Anlage. Ist eine solche Anlage zu groß dimensioniert? Oder stellt sie einen Beitrag zur Versorgungssicherheit dar? In der Region gehen die Meinungen auseinander.
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Von Elmar Stephan, dpa
Schon von weitem sind die riesigen Metallzylinder zu sehen: 25 Meter in die Höhe erheben sich die Bauwerke, ihr Durchmesser beträgt ebenfalls 25 Meter. In ihnen drehen sich Rührwerke in der Dimension von Schiffspropellern. Auf einer Fläche von mehr als 13 Hektar in einem Gewerbegebiet nahe der Kleinstadt Friesoythe bei Cloppenburg entsteht derzeit eine der größten Biogasanlagen Europas.
Geplant ist, dass pro Jahr rund eine Million Tonnen Wirtschaftsdünger verwertet wird, vor allem Mist aus der Rinder- und Pferdehaltung. Bis zu 690 Gigawattstunden Biomethan pro Jahr sollen von hier aus ins Gasnetz eingespeist werden - und am Ende als Flüssigkraftstoff für den Schwerlastverkehr verwendet werden.
Der erste Teil dieser Anlage werde in diesem Herbst in Betrieb gehen, sagt Simon Detscher. Er ist Geschäftsführer der Revis Bioenergy GmbH aus Münster, die die Biogaslange in Friesoythe baut. Betrieben werden soll die Anlage von der 100-prozentigen Revis-Tochter Nordfuel. In etwa zwei Jahren sollen in der Endausbaustufe 40 dieser gigantischen Zylinderbauwerke hier stehen.
Bauprojekt bringt Vorteile für die Kommune
Die Rohstoffe - also der Mist und die Gülle - kommen aus einem Umkreis von 50 bis 100 Kilometern zur Anlage. "Wir gehen davon aus, dass noch genügend Rohstoffe da sind", sagt Detscher. Die kleine Stadt Friesoythe im Oldenburger Münsterland liegt inmitten einer Region mit der intensivsten Tierhaltung in Deutschland.
Das Projekt ist in der Region nicht unumstritten. Ein Bürgerentscheid in der Nachbargemeinde Saterland ergab 2021 eine deutliche Mehrheit gegen das Revis-Vorhaben und Pläne für eine weitere Großanlage zur Gülle-Aufbereitung, die inzwischen vom Tisch sind.
Der Friesoyther Bürgermeister Sven Stratmann hingegen begrüßt das Giga-Projekt in seiner Stadt. "Für mich war entscheidend zu sagen, wir machen das, weil da etwas Innovatives hinkommt", sagt der SPD-Politiker. Es sei sicherlich keine "Wackelpuddingfabrik", die dort gebaut werde, sondern es würden Mist und Gülle verarbeitet. "Aber mit Blick auf die Krise in der Ukraine kommen Produkte raus, die wir brauchen, um unabhängig zu werden", sagt Stratmann.
Der Kommunalpolitiker zählt die Vorteile für die Kommune auf. Neben Arbeitsplätzen - Detsche spricht von rund 60 Jobs - könnte die Anlage der Kleinstadt auch beim Ausbau des Fern- und Warmwärmenetzes nützlich sein. Ziel sei es, dass das bei der Gasproduktion abgeschiedene CO2 zu Trockeneis herabgekühlt werde, was wiederum für andere Investoren attraktiv sei. Eine Firma aus Wiesbaden habe schon Interesse bekundet, dort "grünes" Methanol und Wasserstoff herzustellen.
Beitrag zur Gasversorgung
Eine andere Perspektive auf die Großanlage hat Stratmanns Parteifreund Carsten Ambacher, der im Gemeinderat der Nachbarkommune Saterland sitzt und zu den Initiatoren einer Bürgerinitiative gehört, die den Verein "Bürgerbewegung Saterland und Umgebung" (BBSU) gegründet hat.
Die Kritiker bemängeln die schiere Größe des Projekts. "Dieses Riesending so zentriert an dieser Stelle, das ist für uns als Standort nicht in Ordnung", sagt Ambacher. Die meisten Bedenken und auch Angst löse aber die geplante Einleitung des Prozesswassers in die kleine Sater Ems aus: "Angeblich ist das alles trinkfähiges Wasser, aber die Nachweise fehlen uns ganz einfach." Gegen die Einleitungserlaubnis hat die Bürgerinitiative geklagt.

Simon Detscher (l), geschäftsführender Gesellschafter der revis bioenergy GmbH, und Jan-Hendrik Friedrichs, Operative Leitung der nordfuel-GmbH, stehen vor den Behältern einer sich im Bau befindenden riesigen Biogasanlage. Foto: Mohssen Assanimoghaddam/dpa
Biogas könnte einen deutlich größeren Beitrag zur Gasversorgung spielen, sagt Andrea Horbelt, Sprecherin des Fachverbandes Biogas. Würde der aktuelle Anlagenbestand weiter ausgebaut und würden alle zur Verfügung stehenden Rohstoffe maximal genutzt, könnte gut ein Viertel des heutigen Gasverbrauches aus Biogasanlagen kommen.
Nachfrage nch Abwärme steigt
Die Branche bekomme inzwischen Nachfragen von Gasnetzbetreibern, ob man nicht mehr Biomethan ins Netz einspeisen könne. Das ist eine Reaktion auf die Anforderung, dass künftig neue Gasheizungen nur noch betrieben werden dürfen, wenn der Anteil erneuerbarer Energie am Gas 65 Prozent beträgt.
Im gesamten Bundesgebiet gebe es Überlegungen, ob sich Betreiber kleinerer Anlagen zu Clustern zusammenfinden können, um gemeinsam eine Gasaufbereitungsanlage aufzubauen, sagt Horbelt. Teilweise werde das flankiert durch Forschungsprojekte.
Auch die Nachfrage nach Abwärme aus den Biogasanlagen für Nah- und Fernwärme sei wieder gestiegen. Das sei eine sichere und bezahlbare Wärmeversorgung für Menschen, die in der Nähe einer Biogasanlage wohnen. Und auch als Kraftstoff für Lastwagen komme Biogas in Frage - zum Beispiel in verflüssigter Form als LNG. Damit können Lastwagen klimaneutral fahren.
Politik tut sich schwer mit Biogas
Aber trotz des großen Potenzials fremdele die Politik nach wie vor mit Biogas, sagt Horbelt. Vor rund 15 Jahren investierten viele Landwirte in Biogasanlagen. In den Jahren 2009 bis 2011 seien pro Jahr mehr als 1000 Anlagen neu gebaut worden. Doch die von den Landwirten angebauten Energiepflanzen - allen voran der Mais - führten zu ungewollten Monokulturen und trieben die Pachtpreise in die Höhe. "Als Konsequenz daraus hat man gesagt, jetzt stoppen wir alle, anstatt zu sagen, jetzt schauen wir mal, dass wir das reguliert kriegen", sagt Horbelt. Im Umgang mit Biogas sei in Deutschland nie ein Mittelweg gefunden worden.
Auch nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine und dem Ende der russischen Gaslieferungen habe sich die Politik schwer mit dem Thema Biogas in Deutschland getan. Die Branche habe eigentlich erwartet, dass Biogas in Deutschland wieder stärker nachgefragt werde, sagt Horbelt. Aber stattdessen sei man nach Katar und in andere Länder gefahren. "Das war ein wenig komisch, weil wir ja eigentlich sehr viel Potenzial hätten." Die Signale aus der Politik seien widersprüchlich gewesen, und nach wie vor gebe es hohe bürokratische Hürden für den Ausbau von Biogas.