Brüssel leitet Kartellverfahren gegen Deutsche Börse ein
Die Deutsche Börse ist ins Visier der EU-Kommission geraten. (Archivbild) Foto: Frank Rumpenhorst/dpa
Haben sich Deutsche Börse und der US-Konkurrent Nasdaq im Geschäft mit Finanzinstrumenten über Marktaufteilung und Preise abgesprochen? Das prüft die EU-Kommission. Die Vorwürfe reichen weit zurück.
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Brüssel/Frankfurt. Zwei Schwergewichte der Finanzwelt im Visier der Brüsseler Wettbewerbshüter: Die EU-Kommission hat ein förmliches Kartellverfahren gegen die Deutsche Börse und die US-Technologiebörse Nasdaq eingeleitet. Die Behörde prüft den Verdacht, dass sich die beiden Börsenbetreiber bei Geschäften mit Finanzinstrumente im Europa gesetzeswidrig abgesprochen und so gegen EU-Wettbewerbsrecht verstoßen haben.
„Wir untersuchen, ob sich die Deutsche Börse und die Nasdaq abgestimmt haben, um in den Bereichen Notierung, Handel und Clearing von bestimmten Finanzderivaten nicht miteinander konkurrieren zu müssen“, teilte EU-Wettbewerbskommissarin Teresa Ribera in Brüssel mit.
Die EU-Kommission befürchtet, dass die beiden Finanzdienstleister Nachfrage am Markt aufgeteilt, Preise koordiniert und sensible Geschäftsinformationen ausgetauscht haben könnten. Wettbewerbswidrige Absprachen könnten das Funktionieren des europäischen Binnenmarktes beeinträchtigen.
Die Deutsche Börse teilte mit, sie und ihre Terminbörse Eurex hätten die Entscheidung aus Brüssel zur Kenntnis genommen. Das Verfahren befinde sich aber in einem frühen Stadium. „Wir stehen in konstruktivem Austausch mit der Europäischen Kommission“, sagte eine Sprecherin des Dax-Konzerns.
Harte Strafen bei Verstoß gegen Wettbewerbsrecht
Die EU-Kommission teilte mit, sie werde ihre eingehende Prüfung mit „Priorität“ durchführen. Die Einleitung der förmlichen Untersuchung lasse noch keine Rückschlüsse auf das Ergebnis zu.
Sollte sich der Verdacht der Brüsseler Behörde bestätigen, könnten die Folgen für Deutsche Börse und Nasdaq schmerzhaft sein: Bei Verstoß gegen EU-Kartellrecht drohen Unternehmen Strafen von bis zu zehn Prozent ihres weltweiten Jahresumsatzes. Bei der Deutschen Börse lag dieser 2024 bei rund 5,9 Milliarden Euro. Der Aktienkurs des Konzerns gab nach der Nachricht deutlich nach.

Die EU-Kommission will der Untersuchung Vorrang einräumen (Archivbild) Foto: Virginia Mayo/AP/dpa
Im Fokus der Brüsseler Untersuchung steht eine frühere Zusammenarbeit zwischen der Eurex und der finnischen Börse Helsinki Stock Exchange (HEX), die heute zur Nasdaq gehört. Diese gehe auf eine Vereinbarung aus dem Jahr 1999 zurück und sei damals mit der EU-Kommission erörtert worden, teilte die Deutsche Börse mit. Die Vereinbarung habe darauf gezielt, den Wettbewerb zu fördern sowie die Liquidität in den nordeuropäischen Derivatemärkten zu erhöhen. „Sie bot den Marktteilnehmern klare Vorteile und war öffentlich“, so die Deutsche Börse. Dem Vernehmen nach geht es bei den untersuchten Geschäften um Finanzinstrumente auf finnische Wertpapiere.
Unangekündigte Untersuchung schon im Herbst
Schon im September 2024 hatte die EU-Kommission eine unangekündigte Untersuchung bei Deutscher Börse und Nasdaq durchgeführt. Damals war es nach Angaben der Brüsseler Behörde um Finanzderivate gegangen, Details wurden aber nicht genannt.
Mit solchen Finanzinstrumenten, deren Wert sich von einem Basiswert wie Aktien, Rohstoffe, Zinsen oder Währungen ableitet, können Akteure an den Finanzmärkten auf Kursgewinne spekulieren oder Geschäfte absichern. Beim Clearing von Derivategeschäften wiederum geht es um die Verrechnung und Abwicklung von Forderungen und Verbindlichkeiten zwischen Vertragspartnern.
Die Deutsche Börse ist wichtig in dem Geschäft: Sie betreibt mit der Eurex die größte Derivatebörse in Europa. Die amerikanische Technologiebörse Nasdaq mit Hauptsitz in New York zählt zu den wichtigsten Börsenbetreibern weltweit und bietet ebenfalls Geschäfte im Derivatebereich an.

Die Nasdaq mit Sitz in New York gehört zu den wichtigsten Börsenbetreibern weltweit (Archivbild) Foto: Sven Hoppe/dpa
Deutsche Börse gibt sich siegessicher
EU-Kommissarin Ribera wies auf die Bedeutung der Wettbewerbsvorschriften in Europa hin. Sie trügen dazu bei, „einen fairen und offenen Wettbewerb zwischen den Börsen und das ordnungsgemäße Funktionieren der Kapitalmarktunion zu gewährleisten“, sagte sie. „Dies ist eine Grundlage für Innovation, Finanzstabilität und Wachstum im Interesse aller europäischen Bürgerinnen und Bürger.“
Die Deutsche Börse zeigte sich in dem Fall zuversichtlich, wie sie wenige Stunden nach Bekanntwerden der Vorwürfe verdeutlichte: „Gemeinsam mit unserem externen Rechtsberater sind wir der Ansicht, dass wir diesen Fall erfolgreich verteidigen können.“