Ciao, Pille! Was Frauen rund ums Absetzen wissen müssen

Sie möchten die Pille absetzen? Wer auf Nummer sicher gehen will, nimmt den Blister am besten zu Ende. Foto: Annette Riedl/dpa/dpa-tmn
Da regt sich ein Kinderwunsch. Oder die Überzeugung, dass eine andere Verhütungsmethode für den eigenen Körper besser wäre. Was Frauen, die mit der Pille Schluss machen wollen, wissen sollten.
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Immer mehr Frauen stellen infrage, ob die Pille das richtige Verhütungsmittel für sie ist. In einer Umfrage der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) aus dem Jahr 2023 gaben 61 Prozent der rund 1.000 Befragten an, dass sie glaubten, Verhütung mit Hormonen habe negative Auswirkungen auf Körper und Seele. Im Jahr 2018 waren es nur 48 Prozent.
Diese Entwicklung bemerkt auch die Gynäkologin Anneliese Schwenkhagen in ihrer Praxis. „Zu mir kommen zunehmend junge Frauen, die sich selbst davon überzeugt haben, die Pille sei ein Gift“, sagt Expertin des Berufsverbands der Frauenärzte. Ebenso gebe es viele Frauen, die die Pille nach vielen Jahren plötzlich absetzen wollten.
Was führt zu dieser Entscheidung? Und was sollten Frauen wissen, wenn sie – vielleicht sogar nach vielen Jahren hormoneller Verhütung – mit der Pille Schluss machen möchten? Ein Überblick:
Warum hinterfragen so viele Frauen die Pille?
„Frauen gucken heute kritischer auf den Nutzen der Pille“, sagt Gynäkologin Anneliese Schwenkhagen. Ihr symbolischer Wert als Weg in die Freiheit für Frauen habe sich abgenutzt. Nun überwöge bei vielen die Angst, dass die Pille zu Stimmungsschwankungen, Depressionen, Übergewicht und sexueller Unlust führe.
So beobachtet es auch Judith Bildau. Sie ist Gynäkologin, Autorin und Influencerin. „Ich merke, dass Frauen sich zunehmend nicht mehr nur in der gynäkologischen Praxis beraten lassen, sondern viel auf Meinungen aus den sozialen Medien setzen – unabhängig davon, auf welchem wissenschaftlichen Fundament diese Ansichten fußen.“
Komplett hormonfreie Verhütung habe sich zu einem Trend entwickelt, sagt sie. Hinzu komme, dass die Pille häufig von Ärztinnen und Ärzten eher wie ein Lifestyle-Produkt verschrieben werde. Dabei ist sie ein Medikament.
Apropos Nebenwirkungen: Macht die Pille per se dick und traurig?
„Das hat bisher keine Studie eindeutig belegt“, sagt Anneliese Schwenkhagen. Das gelte ebenso für sexuelle Unlust.
Eine dänische Studie aus dem Jahr 2023 etwa weist auf einen Zusammenhang hin zwischen der Einnahme der Kombipille und dem Risiko, an Depressionen zu erkranken. Mehrere gynäkologische Fachgesellschaften aus Deutschland verweisen allerdings darauf, dass in der Studie relevante Daten zu den Lebensumständen, beispielsweise zu sozialer Sicherheit, Lebenszufriedenheit und Partnerschaftsproblemen, nicht erfasst wurden. Sie gelten als wichtige Einflussfaktoren für die Entwicklung von Depressionen.

Hormonfrei verhüten: Wer das möchte, landet schnell beim Kondom. Foto: Christophe Gateau/dpa/dpa-tmn
Doch wie jedes Medikament kann auch die Pille unerwünschte Nebenwirkungen haben, wobei sich jeder Körper anders verhält. Einen Überblick gibt die jeweilige Packungsbeilage des Präparates. Dort ist festgehalten, von welchen Nebenwirkungen wie viele Anwenderinnen bereits berichtet haben.
Viele Frauen profitieren aber auch gesundheitlich von der Pille: „Sie kann gegen viele schwere Erkrankungen und Beschwerden helfen – zum Beispiel gegen zyklusbedingte Migräne, Endometriose, starke Menstruationsschmerzen oder Zyklusstörungen“, so Schwenkhagen. Wer vorhabe, die Pille abzusetzen, müsse sich im Klaren sein, dass all diese Probleme wieder zurückkämen. Dennoch gebe es natürlich gute Gründe, um auf die Pille zu verzichten, etwa ein Kinderwunsch.
Wenn ich die Pille absetzen möchte: Kann ich das einfach so tun?
Wenn – etwa mit Blick auf einen Kinderwunsch – Vorfreude und Ungeduld groß sind, lassen Frauen die Pille vielleicht einfach zu Hause in der Schublade liegen. „Bei völlig gesunden Frauen spricht nichts dagegen, die Pille selbstständig abzusetzen“, sagt Ärztin Judith Bildau.
Sie rät dazu, den angefangenen Blister zu Ende zu nehmen und dann auf die Einnahme zu verzichten. Generell gäbe es aber keinen falschen Zeitpunkt zum Absetzen der Pille. Selbst ein Abbruch mitten im Zyklus könne keinen Schaden anrichten.

Der wohl schönste Grund, sich von der Pille zu verabschieden: ein Kinderwunsch. Foto: Monique Wüstenhagen/dpa-tmn
Wurde die Pille hingegen verschrieben, um Beschwerden – etwa die einer Endometriose – zu lindern, sollten Patientinnen unbedingt vor dem Absetzen gynäkologischen Rat einholen.
Und für Frauen ohne Kinderwunsch, die sich gegen die Pille entscheiden, gilt: „Hier sollte natürlich im Fokus stehen, eine neue und passende Verhütungsmethode zu finden“, so Anneliese Schwenkhagen. Welche das sein könnte? Das sollte man sich unbedingt vor dem Absetzen der Pille überlegen und die eigene Wahl auf Herz und Nieren prüfen.
Welche Symptome muss ich beim Absetzen befürchten?
Pauschale Antworten gäbe es nicht darauf, sagt Schwenkhagen. Jeder Körper reagiert anders: Manche merken das Absetzen kaum, andere stärker.
„Es kann beispielsweise passieren, dass durch die Hormonumstellung die Haut schlechter wird oder die Haare dünner.“ Das liege dann aber nicht am Absetzen der Pille, sondern eher daran, dass die Frauen damit schon vor der Einnahme Probleme hatten und diese sich nun wieder zeigten. Einige Frauen bemerkten auch vorübergehende Kopfschmerzen oder Stimmungsschwankungen, so Judith Bildau.
Wie lange muss ich bis zur ersten Menstruation warten?
Manch eine Frau hat Sorge, dass die Periode erst Monate nach dem Absetzen der Pille zurückkehrt. Was da dran ist? „Nicht viel“, kann Anneliese Schwenkhagen beruhigen. In der Regel stelle sich der natürliche Zyklus schnell wieder ein.
„Frauen, die die Pille abgesetzt und nach drei Monaten noch keine Menstruation haben, sollten sich in einer gynäkologischen Praxis vorstellen“, rät sie. Das gilt vor allem bei einem Kinderwunsch. Hier sollte man nicht unnötig Zeit mit Warten verschwenden, sondern medizinisch abklären lassen, weshalb die Menstruation ausbleibt. Häufig liegen Schwenkhagen zufolge Ursachen zugrunde, die nichts mit der Pille zu tun haben.
Was muss ich beachten, wenn ich wieder zur Pille zurückkehren möchte?
Ärztin Judith Bildau rät stark davon ab, die Pille nach dem Absetzen einfach selbstständig wieder einzunehmen. Ein Grund dafür: „Es ist so, dass zu Beginn der Einnahme, aber auch bei der Wiedereinnahme, das Risiko für Thrombosen am höchsten ist. Eine Rücksprache kann deshalb sinnvoll sein“, sagt die Medizinerin.
Ist die Spirale eine Verhütungsmethode für mich?
Klar, das Kondom ist eine naheliegende Verhütungsmethode, wenn man auf die Pille verzichten möchte. Aber das Gummi muss man parat haben und vor dem Sex daran denken. Darauf hat nicht jede Lust.
Was für Alternativen gibt es noch? „Beispielsweise Spiralen, die in die Gebärmutter eingelegt werden“, sagt Gynäkologin Judith Bildau.
Hormon oder Kupfer?
Spirale ist aber nicht gleich Spirale. Da gibt es zum einen die Hormonspirale, die - je nach Modell - drei bis acht Jahre im Körper bleiben kann. Sie ist östrogenfrei und enthält nur ein Gestagen, das fast ausschließlich in der Gebärmutter wirkt, und nur zu einem kleinen Teil ins Blut übergeht. Das Hormon sorgt unter anderem dafür, dass sich die Gebärmutterschleimhaut so verändert, dass sich eine befruchtete Eizelle nicht einnisten kann.
Abseits von der Verhütungswirkung kann die Hormonspirale einen Vorteil mit sich bringen: „Vor allem Frauen mit sehr starken, schmerzhaften Blutungen profitieren von dieser Spirale, weil sie damit nur noch sehr leicht oder auch gar nicht mehr bluten“, sagt Bildau. Wer ganz ohne Hormone verhüten will, für den kommt die Hormonspirale aber wohl eher nicht infrage.
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In dem Fall könne man aber auf die Kupferspirale zurückgreifen, die ganz ohne Hormone auskommt. Je nach Modell können diese Spiralen drei bis zehn Jahre in der Gebärmutter bleiben. Die Kupferspirale gibt eine kleine Menge Kupfer-Ionen ab, die ebenfalls die Gebärmutterschleimhaut verändern und unter anderem dafür sorgen, dass Spermien in ihrer Beweglichkeit eingeschränkt werden. Hier gibt Judith Bildau allerdings zu bedenken: „Die Kupferspirale macht Blutungen stärker und schmerzhafter.“
Individuelle Beratung gibt es bei der Gynäkologin
Ob Hormon- oder Kupferspirale oder doch eine ganz andere Verhütungsmethode: Erste Adresse bei Fragen rund um die Verhütung ist die Frauenarztpraxis. „Wenn die Patientin dann rundherum medizinisch aufgeklärt ist, kann sie selbstständig und kompetent ihre eigene Entscheidung treffen“, sagt die Gynäkologin Anneliese Schwenkhagen.