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Mordprozess

Elf Jahre Haft für Tötung von Ehefrau - Tochter weint im Gerichtssaal

Der Angeklagte kommt zum Prozessauftakt in einen Saal vom Landgericht Hannover und hält sich einen Aktenordner vor das Gesicht. Ihm wird vorgeworfen, im Juni 2022 in Hannover mit einem Küchenmesser auf seine Ehefrau eingestochen und sie getötet zu haben. Anschließend soll er auf einen selbst herbeigerufenen Polizisten eingestochen haben. (zu dpa: «Kein Mord: Gericht wertet tödliche Messerattacke als Affekttat») Foto: Michael Matthey/dpa

Der Angeklagte kommt zum Prozessauftakt in einen Saal vom Landgericht Hannover und hält sich einen Aktenordner vor das Gesicht. Ihm wird vorgeworfen, im Juni 2022 in Hannover mit einem Küchenmesser auf seine Ehefrau eingestochen und sie getötet zu haben. Anschließend soll er auf einen selbst herbeigerufenen Polizisten eingestochen haben. (zu dpa: «Kein Mord: Gericht wertet tödliche Messerattacke als Affekttat») Foto: Michael Matthey/dpa

Ein 62-Jähriger aus Hannover war wegen Mordes und versuchten Mordes angeklagt - und wird jetzt unter anderem wegen Totschlags verurteilt. Ein wichtiges Beweismittel ist dabei die stundenlange Audio-Aufzeichnung eines Handys.

Freitag, 13.01.2023, 18:00 Uhr

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Von Christina Sticht, dpa

Für die tödliche Messerattacke auf seine Ehefrau und einen Angriff auf einen Polizisten hat ein 62-Jähriger aus Hannover eine elfjährige Freiheitsstrafe erhalten. Das Landgericht Hannover wertete die Tötung der 57-Jährigen im Juni 2022 als Affekttat und verurteilte den Ehemann wegen Totschlags. Er habe beim Frühstücken in der gemeinsamen Wohnung erstmals realisiert, dass seine Frau sich wirklich von ihm trennen wollte, begründete der Vorsitzende Richter Martin Grote am Freitag das Urteil. "Wir haben keinerlei Tatvorbereitungen feststellen können, kein bereitgelegtes Messer, keine Handschuhe."

Mordopfer zeichnet Gespräche auf

Von dem Verbrechen und den Stunden danach gibt es eine rund zehnstündige Audio-Aufzeichnung: Die Frau hatte das Gespräch heimlich mit dem Handy aufgenommen - dem Richter zufolge weil sie "Erklärungen und Fakten für die Trennung" sammeln wollte. Wegen des Angriffs auf den Polizisten wurde der Angeklagte unter anderem wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung verurteilt.

Damit beurteilten die Richter die Tat völlig anders als die Staatsanwaltschaft. Sie hatte für eine lebenslange Freiheitsstrafe wegen Mordes plädiert und sogar die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld für den Türken beantragt. Der schmächtige Angeklagte mit den kurz geschorenen grauen Haaren verfolgte die rund 40-minütige Urteilsbegründung äußerlich regungslos. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Nach der Verhandlung brach die Tochter der Getöteten, die mit ihrem Baby im Gerichtssaal war, in Tränen aus. Sie trat im Prozess als Nebenklägerin auf und wird laut Urteil 15 000 Euro von dem Verurteilten erhalten. Niemand könne aber ein Menschenleben und das Leid der Hinterbliebenen mit Geld entgelten, betonte Grote.

Tötung sei kein Femizid

Nach Einschätzung der Richter war die Tötung "kein Femizid", es hätten keine patriarchalischen Ehrvorstellungen zugrunde gelegen. Der Angeklagte sei komplett in Deutschland sozialisiert worden. Das Paar hatte 2018 geheiratet, für beide war es die zweite Ehe. Die Türkin hatte am Morgen, bevor sie getötet wurde, ihre Aufenthaltsgestattung bei der Post abgeholt und wollte zu ihrem Sohn in die Türkei reisen. Zuvor hatte sie mehrere Wochen bei ihrer Tochter in Süddeutschland verbracht, um sie bei der Geburt des Babys zu unterstützen.

Richter Grote beschrieb den Angeklagten als "komplett ichbezogene Persönlichkeit": Selbst sein letztes Wort sei von Selbstmitleid geprägt gewesen. "Reue dafür, dass er das Leben einer anderen Person ausgelöscht hat, empfindet er nicht wirklich." Auf dem Handy-Mitschnitt ist zu hören, dass die Stiche mit dem aus der Küchenschublade geholten Messer rund drei Minuten dauerten. Das minutenlange Leid der Frau sei im Urteil berücksichtigt worden, sagte der Richter.

Täter wollte sich erschießen lassen

Zu Prozessbeginn hatte der Angeklagte sich selbstbewusst gegeben und betont, dass er sich in fast 20 Jahren bei Volkswagen, zuletzt als Anlagenführer im Karosseriebau, nie etwas zu Schulden kommen lassen habe. Bezogen auf die Tötung der Frau sprach er von einem "Blackout". Diese Version nahm ihm die Strafkammer nicht ab, zumal er nach der Tat noch Pakete bei der Post aufgegeben hatte.

Nach Überzeugung der Richter begann der Mann erst nach der Tötung der 57-Jährigen damit, Alkohol zu trinken. Er formulierte Abschiedsbotschaften, packte Sachen für seine Söhne aus erster Ehe zusammen und fasste schließlich den Plan, sich von der Polizei erschießen zu lassen, wie Grote sagte.

Als die von ihm selbst gerufenen Beamten eintrafen, stürmte er mit einem langen Kampfschrei aus der Wohnungstür und stach einem Polizisten in die Brust. Weil das Messer an der Schutzweste abprallte, blieb der 26-Jährige unverletzt. Drei Kollegen überwältigten den Angreifer, der sich nach Aussage der Beamten daraufhin beschwerte: "Warum habt ihr mich nicht erschossen, nicht abgeknallt?"

 

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