Gelb-Grün sollte Scholz zu mehr Klimaschutz zwingen

Birgit Marschall bewertet die Vor-Sondierungen von FDP und Grünen mit den Parteichefs Robert Habeck (Grüne; von links), Christian Lindner (FDP) und Annalena Baerbock (Grüne). Foto: Kay Nietfeld/dpa
Güne und FDP wollen es besser machen als 2017, als Jamaika scheiterte, weil sich die FDP zu schlecht behandelt fühlte. Der Versuch der Vertrauensbildung geht ganz gut los. Doch die öffentlichen Bekundungen sagen nichts darüber aus, wie es hinter den Kulissen tatsächlich aussieht.
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Von Birgit Marschall
Klar ist, dass die Liberalen lieber in ein Bündnis mit der Union gehen würden, die Grünen lieber in eines mit der SPD. Wie Grün und Gelb in der kommenden Woche weiter vorgehen wollen, entscheidet sich nach den Gesprächen an diesem Wochenende. Damit das Regierungsprojekt gelingt, gilt es für Grüne und FDP nun, aus Wahlprogrammen, die sich in der Wirtschafts-, Finanz-, Sozial- und Klimapolitik fundamental unterscheiden, das Gemeinsame herauszuschälen und möglichst zu gemeinsamen, neuen Konzepten zu kommen.
Je einiger und detailgenauer FDP und Grüne auftreten, desto mehr können sie in Verhandlungen mit dem möglichen Kanzler Olaf Scholz herausholen, der als beinharter Verhandlungspartner bekannt ist. Das gilt freilich auch für die Gespräche mit der Union.
Volkes Stimme will die Ampel
Doch würde die FDP auf Volkes Stimme hören, müsste sie sich jenseits aller taktischen Überlegungen eher der Ampel weiter nähern: 59 Prozent der Bürger befürworten das Bündnis G aus SPD, Grünen und FDP und nur 24 Prozent votierten im jüngsten ZDF-„Politbarometer“ für Jamaika.
Über allem steht in der nächsten Legislatur der Klimaschutz, denn ohne eine wirksame Bekämpfung der Erderwärmung ist bald alles nichts. Das wissen die Grünen, das wissen aber auch die Liberalen. In einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung hatten sie vor der Wahl mit ihren Vorstellungen zum Klimaschutz zwar eine deutlich schlechtere Note erhalten als die Grünen. In einem Punkt aber geht die FDP sogar weiter als die Grünen: Würde beim CO2-Preis wirklich nur der Marktmechanismus greifen, wie es die Liberalen wollen, würde dieser Preis schnell durch die Decke gehen. Benzin- und Heizölpreise würden für die Bürger erheblich schneller teurer als nach dem Grünen-Konzept.
Tempolimit für Grüne Verhandlungsmasse
Das könnte ein Hebel für die Grünen sein, die FDP für eine Mischung aus staatlicher Lenkung und marktwirtschaftlichen Mechanismen beim Klimaschutz zu erwärmen. Verbote wie das Tempolimit sind dabei für die Grünen offenbar Verhandlungsmasse – es bringt für den Klimaschutz auch vergleichsweise wenig. Gemeinsam könnten Gelb und Grün den potenziellen Kanzler Scholz zu einem ambitionierteren Klimaschutz zwingen.
Scholz war in den Bund-Länder-Verhandlungen zur Einführung des CO2-Preises derjenige, der am meisten bremste und einen höheren Preis verhinderte. Am Ende startete der CO2-Preis mit nur 25 Euro pro Tonne in diesem Jahr – das ist deutlich zu niedrig, wie sämtliche Klimaexperten der Regierung bescheinigt hatten.