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Windräder

Geretteter Adler wird bald für Nachwuchs sorgen

Seeadler, hier ein Vogel aus Mecklenburg-Vorpommern, sind die größten Greifvögel Europas. In den Landkreisen Wesermarsch, Cuxhaven, Rotenburg und Stade leben inzwischen rund zwei Dutzend Paare. Foto: Charisius/dpa

Seeadler, hier ein Vogel aus Mecklenburg-Vorpommern, sind die größten Greifvögel Europas. In den Landkreisen Wesermarsch, Cuxhaven, Rotenburg und Stade leben inzwischen rund zwei Dutzend Paare. Foto: Charisius/dpa

Fast tot und nun, rund drei Jahre später, hat er eine Partnerin gefunden. Agilas Geschichte ist eine Erfolgsstory für den Naturschutz. Aber auch eine, die zeigt, welch großen Gefahren Deutschlands Wappenvogel ausgesetzt ist.

Samstag, 15.04.2023, 10:00 Uhr

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Von Christoph Heilscher

Es war im Jahr 2020, als Agila fast zu Tode gekommen wäre. Er war auf der östlichen Weserseite im Landkreis Cuxhaven in einen Revierkampf verwickelt. Die können bei Adlern böse enden. Aber es war nicht sein Widersacher, der Agila schwer verletzte, sondern eine Windkraftanlage, die ihn während des Kampfes erwischte. Agila stürzte ab. Und das wäre es für ihn wohl gewesen, wenn nicht Radfahrer gesehen hätten, wie er zu Boden ging. Sie informierten einen Ornithologen in der Stadt Geestland. Der wusste, was zu tun ist. Er brachte den Adler in die Wildtierauffangstation Rastede. Zwei Flügelbrüche und eine Splitterfraktur stellte Klaus Meyer, Leiter der Wildtierstation, fest. Die Brüche mussten von einem Tierarzt genagelt beziehungsweise mit einer kleinen Platte geschient werden.

Mit Sender auf dem Rücken in die Freiheit entlassen

Alles ging gut. Am 26. November 2020 Jahres wurde der Vogel nach Monaten der Pflege in Dangast am Jadebusen ausgewildert - mit einem Sender auf dem Rücken. In den ersten Tagen halfen Vogelschützer, indem sie in Dangast tote Vögel auslegten. Doch der lange verletzte Adler lernte schnell, wieder allein für sich zu sorgen. Dabei half ihm auch die damals schon wütende Vogelgrippe. Er fand genug Aas an der Küste. Seinerzeit verendeten zahlreiche Gänse an der Vogelgrippe.

Als Agila freigelassen wurde, ist ein Sender an seinem Rücken befestigt worden. Den Sender hat der Deutsche Falknerorden finanziert. Die Adlerschützer wissen nun genau, wo sich Agila aufhält. Und sie wissen auch, dass Agila in der Nähe von Schweierzoll unweit vom Jadebusen in diesem Frühjahr ein Nest gebaut hat.

Im Abstand von wenigen Tagen wird ein Sendeprotokoll an die Vogelschützer gesandt. Der Adler hat sich an der Küste umgesehen, bevor er sich für seinen Brutort entschied. Monatelang hielt er sich an der Außenweser auf, lange Zeit auch in Abbehausergroden bei Nordenham. Und immer wieder am Jadebusen. Zwischenzeitliche Ausflüge führten ihn in den Raum Beverstedt auf der östlichen Weserseite und in den Landkreis Friesland und nach Ostfriesland. Doch immer wieder kehrte er in die nördliche Wesermarsch zurück.

 

Windkraftanlagen können für Seeadler gefährlich werden. Auch der Seeadler, von dem diese Geschichte erzählt, verletzte sich schwer an einem Windkraftrad.Foto: Baum

Windkraftanlagen können für Seeadler gefährlich werden. Auch der Seeadler, von dem diese Geschichte erzählt, verletzte sich schwer an einem Windkraftrad.Foto: Baum

Oft wochenlang am selben Ort

Agila blieb stets tagelang, mitunter auch wochenlang in einem allenfalls wenige Quadratkilometer, manchmal aber auch nur einige Hektar großen Gebiet. So hielt er sich über etliche Tage an einer Pütte bei Abbehausergroden auf. Er blieb dort so lange, dass sich die Adlerschützer schon sorgten, er sei verletzt. Doch das war er nicht.

Die gleichen Sorgen machten sich die Vogelschützer, als in den vergangenen Wochen stets Signale aus der Nähe von Schweierzoll im Landkreis Wesermarsch, unweit vom Jadebusens gelegen, kamen. Und nur von dort. Die Adlerfreunde machten sich auf den Weg zu dem Sendeort - und entdeckten einen Adlerhorst. Und irgendwann auch ein Adlerpaar. Agila hat eine Partnerin gefunden. Zwar sitzen noch keine Jungvögel im Nest. Doch das sollte spätestens im nächsten Jahr der Fall sein. Oft dauert es ein, zwei Jahre, bis ein Adlerpaar erfolgreich Junge aufzieht.

Seeadler sind immer noch selten, auch wenn ihr Bestand zugenommen hat. Auch in Niedersachsen. Im vergangenen Jahr haben in Niedersachsen 52 Paare erfolgreich Junge großgezogen. 80 Jungadler sind ausgeflogen. Die Zahl der Revierpaare liegt bei knapp 100. In den Landkreisen Wesermarsch, Cuxhaven, Rotenburg und Stade brüten zusammen rund zwei Dutzend Paare. In der Wesermarsch hat sich die Zahl der Brut- und Revierpaare in diesem Jahr auf sechs verdoppelt.

Agila wurde in der Wildtierstation Rastede erfolgreich operiert.Foto: pr

Agila wurde in der Wildtierstation Rastede erfolgreich operiert.Foto: pr

Gefahren durch Windkraft und Bleimunition

Seeadler (wissenschaftlich Haliaeetus albicilla) sind die größten Greifvögel Mitteleuropas. Das Seeadlerweibchen ist kräftiger als das Männchen und hat eine Flügelspannweite von bis zu 2,50 Metern. Ein erwachsener Seeadler ist 70 bis 90 Zentimeter groß und wiegt bis zu sieben Kilogramm. Seeadler stehen auf der Roten Liste und gelten als gefährdet, aber nicht mehr als vom Aussterben bedroht. Seit den 1990er Jahren breiten sich die Seeadler in Deutschland von Osten kommend Richtung Westen und Süden aus. In den westlichen Teilen Deutschlands waren Seeadler über Jahrzehnte ausgerottet. Das war die Folge rücksichtsloser Jagd, des Diebstahls von Eiern aus den Gelegen und des Einsatzes von Umweltgiften (DDT). Doch diese Zeiten sind vorbei.

Den Seeadlern drohen allerdings andere Gefahren. Immer noch gehört Bleimunition dazu. Fressen die Adler mit Blei geschossene Vögel und reichern zu viel Blei in ihrem Körper an, vergiften sie sich und verenden. Deshalb ist die Jagd mit Bleimunition an Gewässern inzwischen verboten. Eine andere Gefährdung sind Windkraftanlagen. Das zeigt auch der Fall von Agila. Doch trotz dieser Bedrohungen segeln die großen Adler weiter im Aufwind.

Auf dem Weg in die Freiheit.Foto: pr

Auf dem Weg in die Freiheit.Foto: pr

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