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Immer mehr krank wegen Hitze im Job: Gibt es im Büro Hitzefrei?

Hitzefrei im Job gibt es grundsätzlich nicht!

Hitzefrei im Job gibt es grundsätzlich nicht! Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa/dpa-tmn

Bei Hitzewellen wird die Arbeit zur Last - oder sie führt sogar zu Arbeitsausfall. Reichen die Schutzmaßnahmen? Was Beschäftigte zu „Hitzefrei“ wissen müssen.

Von dpa Mittwoch, 02.07.2025, 05:50 Uhr

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Stuttgart/Köln. Die Zahl der Krankheitstage wegen Hitzefolgen steigt. 2023 lag sie bei rund 92.700 - rund 11.300 Tage oder zwölf Prozent mehr als der vorherige Höchststand 2018.

Dies geht aus der Antwort des Sozialministeriums auf eine Anfrage des Linken-Bundestagsabgeordneten Cem Ince hervor, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.

Erfasst wurden Arbeitsunfähigkeitstage wegen Hitzschlags, Sonnenstichs, Hitzeerschöpfung und ähnlicher Diagnosen. Die vom Ministerium vorgelegte Statistik zeigt, dass diese Krankheitstage von Jahr zu Jahr schwanken, je nach Hitzelage.

So lagen die Hitzefehltage 2021 nur bei knapp 32.400, im Jahr darauf bei rund 71.200. Insgesamt zeigt die Kurve seit 2015 aber nach oben.

Linken-Politiker Ince nannte die Zahlen erschreckend. „Es wird höchste Zeit, dass die Bundesregierung handelt“, sagte er. „Hitzeschäden am Arbeitsplatz können verhindert werden. Arbeitgeber müssen ihre Beschäftigten schützen.“

Nötig sei eine Reform der Arbeitsstättenverordnung und eine Pflicht zu konkreten Hitzeschutzmaßnahmen. Nötigenfalls müsse es ein Recht auf verkürzte Arbeitszeiten bei vollem Lohnausgleich geben, forderte Ince.

Was das Ministerium sagt

Das Sozialministerium teilte auf seine Frage mit, dass die Überarbeitung der entsprechenden Regeln „Gegenstand des aktuellen Arbeitsprogramms“ des zuständigen Gremiums im Ministerium sei. Ein Zieldatum wurde nicht genannt.

Von Hitzefolgen am Arbeitsplatz sind Männer viel häufiger betroffen als Frauen. 2023 hatten Männer deswegen 63.145 Fehltage. Bei Frauen waren es mit 29.577 weniger als die Hälfte. Männer arbeiten häufiger in körperlich anstrengenden Berufen draußen, so etwa im Straßen- oder Wohnungsbau.

Grünen-Fraktion fordert Hitzeschutzmaßnahmen - oder hitzefrei

Die grüne Bundestagsfraktion bringt Hitzefrei für Arbeitnehmer ins Spiel: In einer Beschlussvorlage des Fraktionsvorstandes, die dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) vorliegt, heißt es: „Wir wollen, dass Arbeitgeberinnen und -geber ab 26 Grad am Arbeitsplatz Maßnahmen ergreifen müssen, die dem Gesundheitsschutz der Beschäftigten dienen.“

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Dazu könnten etwa angepasste Arbeitszeiten, längere und bezahlte Pausen sowie Sonnenschutz zählen - aber auch Ventilatoren oder die kostenlose Bereitstellung von Getränken.

„Kommen Arbeitgebende dieser Verpflichtung zum Hitzeschutz nicht in angemessener Weise nach, müssen die Arbeitnehmenden ein Recht auf hitzefrei haben. Das gebietet der Gesundheitsschutz, dieses individuelle Recht wollen wir gesetzlich verankern“, steht laut RND in dem Papier.

Wie es im Büro aktuell geregelt ist

Die Statistik macht deutlich: Hitze scheint längst ein Gesundheitsrisiko am Arbeitsplatz. Doch welche Rechte und Pflichten gelten konkret, wenn im Büro die Temperaturen klettern? Arbeitsrechtsexperten geben Antworten.

Ein Recht auf Hitzefrei gibt es im Beruf generell nicht. „Egal wie heiß: Wer selbstständig geht, riskiert eine Abmahnung oder Kündigung“, so Volker Görzel, Fachanwalt für Arbeitsrecht. Besser sei es einvernehmliche Lösungen zu finden, etwa ein früherer Arbeitsbeginn oder längere Pausen.

Arbeitgeber haben bei hohen Temperaturen nämlich sehr wohl bestimmte Pflichten, die Gesundheit ihrer Mitarbeitenden zu schützen.

Bei extremer Hitze sei der Arbeitgeber laut Arbeitsschutzgesetz, Arbeitsstättenverordnung und Fürsorgepflicht zum Handeln verpflichtet, so Görzel. Für den Verband deutscher Arbeitsrechtsanwälte (VDAA) erklärt er, welche Regeln Beschäftigte bei Hitze im Büro kennen müssen.

Ab 26 Grad sollte Arbeitgeber für Abkühlung sorgen

Schon bei 26 Grad Raumtemperatur sollte der Arbeitgeber erste Schritte einleiten. Welche Maßnahmen dabei geeignet sind, muss der Arbeitgeber in einer sogenannten Gefährdungsbeurteilung ermitteln. Denkbar: Lüften, Jalousien schließen oder Getränke bereitstellen.

Ab 30 Grad müsse der Arbeitgeber aktiv werden, so Görzel. Auch hier kann der Arbeitgeber entscheiden, welche Maßnahmen passend sind. Er kann dann zum Beispiel mit Klimaanlagen oder Ventilatoren für Abkühlung sorgen oder die Kleiderordnung lockern.

Klettert das Thermometer auf über 35 Grad, ist der betroffene Raum ohne weitere Maßnahmen nicht mehr Arbeitsraum geeignet.

Einen Anspruch darauf, dass es am Arbeitsplatz eine Klimaanlage gibt, die Räume effektiv herunterkühlt, gibt es indes aber nicht. Der Arbeitgeber könne aber andere Maßnahmen treffen, von Ventilatoren, über flexible Arbeitszeiten bis hin zu kühlen Getränken. „Erlaubt ist, was schützt“, so Görzel.

Betriebsrat darf mitbestimmen

Trifft der Arbeitgeber keine Schutzmaßnahmen, suchen Beschäftigte am besten das Gespräch – oder wenden sich an die Fachkraft für Arbeitssicherheit im Unternehmen, die Betriebsärztin oder den Betriebsrat.

Der Betriebsrat dürfe bei Hitze mitentscheiden, erklärt Volker Görzel. Das Gremium könne auf eine Gefährdungsbeurteilung und konkrete Schutzmaßnahmen bestehen – notfalls sogar vor der Einigungsstelle. Bleiben Arbeitgeber bei extremer Hitze untätig, drohen dem Rechtsexperten zufolge unter Umständen hohe Bußgelder.

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