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Ärztemangel

Jeder vierte Hausarzt hört auf – So soll die Landarztquote helfen

Der Landarzt Michael Beringhoff (l.) nimmt seinem Patienten beim Hausbesuch Blut ab. In Niedersachsen wird jeder vierte Hausarzt bis 2035 aufhören. Helfen soll eine Landarztquote. Foto: Oliver Berg

Der Landarzt Michael Beringhoff (l.) nimmt seinem Patienten beim Hausbesuch Blut ab. In Niedersachsen wird jeder vierte Hausarzt bis 2035 aufhören. Helfen soll eine Landarztquote. Foto: Oliver Berg

Etwa jeder vierte Hausarzt hört bis 2035 auf. Das macht sich auch im Kreis Stade bemerkbar. Wer zum Arzt muss, soll auch auf dem Land keine weiten Wege auf sich nehmen müssen. Darauf will Niedersachsen bei der Vergabe der Medizin-Studienplätze achten. Kann das funktionieren?

Dienstag, 28.02.2023, 14:00 Uhr

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Niedersachsen muss nach Einschätzung der Kassenärztlichen Vereinigung (KVN) in den nächsten Jahren Hunderte neue Hausärztinnen und Hausärzte finden. Schon heute gebe es 466 offene Hausarztsitze im Land, erklärte die KVN auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur. Und mehr dürften folgen: Von den aktuell rund 5200 Hausärztinnen und Hausärzten scheiden laut KVN bis zum Jahr 2035 voraussichtlich rund 1450 aus dem Beruf aus, also mehr als jeder vierte. „Diese Lücke muss geschlossen werden“, sagte ein Sprecher. Das Durchschnittsalter der jetzigen Ärzte liege bei 55,5 Jahren.

Auch im Kreis Stade immer weniger Ärzte

Probleme mit der Hausärtzlichen Versorgung gibt es auch im Landkreis Stade. Zuletzt hat im Januar eine große Apenser Hausarztpraxis geschlossen. Seither bemüht sich die Gemeinde darum, die ärztliche Versorgung sicherzustellen. Durch eine Kooperation mit der Universität in Riga sollen auf dem Gesundheitscampus der Elbe Kliniken in Stade Medizinstudenten ausgebildet werden. So will der Landkreis dem Ärztemangel langfristig entgegenwirken - und investiert rund 20 Millionen Euro in das Projekt.

Landarztquote soll gegen Ärztemangel helfen 

Der wachsende Ärztemangel beschäftigt die Landespolitik schon seit Jahren. Helfen soll unter anderem die sogenannte Landarztquote, mit der ein Teil der Medizin-Studienplätze bevorzugt an Bewerber vergeben wird, die sich für zehn Jahre zu einer hausärztlichen Tätigkeit in unterversorgten Regionen verpflichten. Vom 1. März an können sich Interessenten erstmals auf diese reservierten Studienplätze bewerben.

Was ist die Landarztquote?

Im Kern geht es darum, dass jungen Menschen der Zugang zum Medizinstudium erleichtert wird, wenn sie sich im Gegenzug dazu verpflichten, nach Abschluss des Studiums und der Weiterbildung zehn Jahre lang als Hausärztin oder Hausarzt in einer Region mit zu wenig Ärzten zu arbeiten. Wo das ist, legt das Land zusammen mit der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen (KVN) fest - zum ersten Mal wird das im Jahr 2032 der Fall sein.

Warum wurde die Quote eingeführt?

Wer krank ist oder einfach ärztliche Beratung braucht, soll auch auf dem Dorf nicht erst einen langen Weg zurücklegen müssen, um einen Arzt oder eine Ärztin zu finden. Dieses Szenario droht allerdings, denn die derzeit rund 5200 Hausärztinnen und Hausärzte sind im Schnitt 55,5 Jahre alt, erklärt die KVN. Bis 2035 sei daher damit zu rechnen, dass rund 1450 aufhören werden - mehr als jeder Vierte. "Diese Lücke muss geschlossen werden", sagt ein KVN-Sprecher. "Schon heute haben wir 466 offene Hausarztsitze in Niedersachsen."

Wie viele Landarzt-Studienplätze gibt es?

Es geht um 60 Studienplätze im Fach Humanmedizin. Davon entfallen 15 Plätze je Winter- und Sommersemester auf Göttingen sowie nur zum Wintersemester 18 Plätze auf Hannover und 12 Plätze auf Oldenburg. Erwartet werden laut Gesetzentwurf rund 600 Bewerbungen pro Jahr.

Wer kann sich bewerben?

Die einzige zwingende Voraussetzung für Interessenten ist die Hochschulzugangsberechtigung, in der Regel das Abitur. Die Abinote entscheidet aber nicht allein über die Erfolgsaussichten. Bewerbungen sind in der Zeit vom 1. bis 31. März möglich.

Wie läuft das Verfahren?

Im ersten Schritt des Bewerbungsprozesses macht die Abiturnote lediglich 30 Prozent der Bewertung aus. Ein Test für Medizinische Studiengänge fließt ebenfalls mit 30 Prozent ein. Einschlägige Berufserfahrung wird dagegen mit 40 Prozent berücksichtigt. Die besten 120 Bewerber werden anschließend zu Auswahlgesprächen eingeladen, bei denen es vier Stationen an zwei Tagen geben wird. Dabei werden etwa 60 Jurorinnen und Juroren zum Einsatz kommen. Weitere Infos zum Verfahren stehen auf nizza.niedersachsen.de.

Können die Bewerber sich aussuchen, wo sie später arbeiten?

Ihre Ortswünsche werden berücksichtigt. Am Ende bestimmt aber der Niedersächsische Zweckverband zur Approbationserteilung, kurz Nizza, den Einsatzort der Landärzte.

Können die Bewerber einen Rückzieher vom Job auf dem Land machen?

Theoretisch ja - wenn sie eine im Gesetz festgeschriebene Vertragsstrafe von 250 000 Euro zahlen. Sie können jedoch beantragen, dass ganz, teilweise oder zeitweise auf die Strafzahlung verzichtet wird, wenn ihnen dadurch eine besondere Härte droht, etwa wirtschaftliche Existenznot. Laut KVN verdienen Hausärzte in Niedersachsen rund 300 000 Euro im Jahr.

Hilft die Quote wirklich?

"Mit der sogenannten Landarztquote treffen wir eine wichtige Vorsorge, um dem zunehmenden Mangel an Medizinerinnen und Medizinern im ländlichen Raum zu begegnen", ist Gesundheitsminister Andreas Philippi überzeugt. Auch Wissenschaftsminister Falko Mohrs (beide SPD) sieht in der Quote ein "gutes Anreizsystem zur Übernahme freiwerdender Praxen".

Aber was denkt die Branche? Die Ärztekammer ist ebenfalls optimistisch. "Die Patientenversorgung in einem Flächenland wie Niedersachsen wird damit gestärkt", sagte Vizepräsidentin Marion Charlotte Renneberg. Allerdings: Bis der Effekt zu spüren ist, werden noch viele Jahre ins Land gehen - die Kassenärztliche Vereinigung geht unter Berücksichtigung der Aus- und Weiterbildung zum Facharzt für Allgemeinmedizin von zwölf Jahren aus.

Was kostet das Verfahren?

Im Gesetzentwurf sind die Kosten mit rund einer Million Euro im ersten Jahr und rund 450 000 Euro pro Folgejahr angegeben. Das hängt damit zusammen, dass die Strukturen zunächst einmal geschaffen werden mussten. So schlugen etwa die Konzeption des Auswahlverfahrens oder die Erstellung des Bewerbungsportals bereits zu Buche. (dpa/set)

 

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