Kommen jetzt Lärmblitzer gegen Autoposer? Wo sie in Niedersachsen getestet werden

Polizeikontrolle: Hin und wieder wird auch der Lärm gemessen, der von aufgemotzten Autos ausgeht.
Akustikexperten haben einen Lärmblitzer entwickelt. Er identifiziert Auto- oder Motorradfahrer, die zu laut durch die Straßen preschen, und fotografiert sie. Sie könnten Besuch von der Polizei bekommen. Erprobt wurde der Blitzer in Bremerhaven.
Premium-Zugriff auf tageblatt.de für nur 0,99 €
Jetzt sichern!
Von Ursel Kikker
Hafenarbeiter kennen die Bremerhavener Firma ted von der Lärmüberwachung des Containerterminals. Projektleiter Dr. Frank Dittmar darf die neue Erfindung vermutlich bei der Verkehrsministerkonferenz im Oktober in Bremerhaven vorstellen. Sind vor seiner Haustür zu viele nervende Autoposer laut durch die Straße geknattert? Nein, sagt der ted-Mitarbeiter, das habe nun nicht zu der Idee des Lärmblitzers geführt. Doch er und seine Kollegen wollten eine Expertise des Unternehmens nutzen: Geräuschtrennung.
So funktionieren die Blitzer für laute Geräusche
Wie funktioniert der Lärmblitzer? Er filtert deutlich zu laute Fahrzeuge aus dem üblichen Verkehrslärm heraus und fotografiert sie. Dafür hat das Team eine spezielle, lernende Software entwickelt. Sie kann unterscheiden, ob es sich zum Beispiel um einen zu lauten Lkw handelt oder den charakteristischen Sound eines manipulierten Flitzers: Geräuschtrennung eben. Damit würden sie sich auch von anderen Lärmblitzern unterscheiden.
Doch ein Foto und dann ein Bußgeldbescheid: So einfach wie bei Geschwindigkeitsmessungen geht es bei Lärm rechtlich nicht. Aber: „Wir können der Polizei sagen, diese Fahrzeuge gehören zum Kreis der Verdächtigen“, erläutert Dittmar. Über das Kennzeichen wird der Halter ausfindig gemacht. Bei ihm könnte dann die Polizei vor der Tür stehen und gezielt nachschauen, ob das Auto oder Motorrad akustisch unzulässig aufgemotzt wurde.
Dabei ist in Deutschland mehr Autolärm erlaubt, als mancher Laie meint. Für schnelle, massige Karossen beispielsweise gibt es ein „Sportwagenprivileg“, und die Sounddesigner der Hersteller geben alles. Solche dürfen per se lauter durchs Land düsen, und Autoverkäufer preisen Sound-Tasten, über die sich das gelieb- te Motorengeräusch verstärken lässt. Das Umweltbundesamt kritisierte unlängst die gesetzlichen Typprüfbedingungen, weil sie unnötigen Lärm ab Werk auf der Straße nicht unterbinden.
Verkehrslärm wird bei rund 70 bis 80 Dezibel eingestuft. Der Lärmblitzer springt je nach Straßensituation bei einer Überschreitung um etwa 20 Dezibel an. Autoposer oder Motorradfahrer, die röhrend Eindruck schinden wollen, seien mit durchaus 30 oder 40 Dezibel plus herauszuhören, sagt Dittmar. Ihr Lärmblitzer habe mehr als 90 Prozent der Poser erkannt, und die Fehlerquote liege bei unter einem Prozent, berichtet der Projektleiter stolz.
Testphase ging über insgesamt vier Monate
In der viermonatigen Testphase wurde die Technik samt Mikrofon, Kamera und Computer in der Lloydstraße installiert. Der kleine, weiße Kasten am Straßenrand ist vermutlich den wenigsten aufgefallen. Ein Lärmblitzer ließe sich künftig auch in einen „Starenkasten“ unterbringen, in einer Straßenlaterne oder auch einer Mülltonne, meint Dittmar. In der Lloydstraße hätten sie während der viermonatigen Testphase umgerechnet 140 zu laute Fahrzeuge ermittelt. Das sind auf der viel befahrenen Straße zwar wenige, nicht mal ein Prozent der Fahrzeuge, aber ihr Krach hat’s in sich. „Lärm von Posern führt zu Aufwachreaktionen“, sagt Dittmar. Verkehrslärm gilt so schon als gesundheitsschädigend.
Das Lärmblitzer-Projekt, das mit Mitteln des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) und vom Land Bremen gefördert wurde, wurde in nur zehneinhalb Monaten umgesetzt und kommt nun auf den Markt. Wenn es gut läuft, findet das ted-Team erste Kundschaft bei der Verkehrsministerkonferenz.