Verstöße? Darum kontrolliert der Landkreis Restaurants und Cafés

Wer Essen to go anbietet, muss auch Mehrwegbehälter anbieten. Oder sehr kleine Gastronomien müssen mitgebrachte Behälter befüllen. Foto: Dittrich/dpa
Per Gesetz sollte die Plastik-Flut beim Essen zum Mitnehmen eingedämmt werden. Der Vorwurf nach einem Jahr: Die Umsetzung ist praktisch wirkungslos geblieben – trotz hoher Bußgelder. Was der Landkreis Stade tut.
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Landkreis. Auch ein Jahr nach dem Inkrafttreten der Mehrweg-Angebotspflicht für Speisen zum Mitnehmen beklagen Umwelt- und Verbraucherschützer eine mangelnde Umsetzung und fehlende Kontrollen. Von einem „Rohrkrepierer“ spricht beispielsweise Thomas Fischer, Leiter Kreislaufwirtschaft bei der Deutschen Umwelthilfe, und mahnt Nachbesserungen an.
„Was schlecht angefangen hatte zum Jahresbeginn, hat sich leider wie ein roter Faden bis zum Ende dieses Jahres durchgezogen“, sagte Fischer. Bei mehreren Durchgängen von Testbesuchen hätten Gastronomieunternehmen von Mehrweg-Quoten im niedrigen einstelligen Prozent-Bereich berichtet. Gemessen an den ursprünglichen Zielen seien das „desolate Ergebnisse“.
Nach den Worten Fischers krankt das Gesetz vor allem an mangelnden Kontrollen und einer fehlenden Sanktionierung von Verstößen. „Ohne Druck, ohne Zwang wird sich nichts daran ändern, dass viele Gastronomen die Mehrwegangebotspflicht nicht ernst nehmen.“
Mehrwegpflicht: Landkreis kontrolliert Gastronomen
Im Landkreis Stade werden Restaurants, Cafés, Bistros und Kantinen stichenprobenartig kontrolliert, teilt Kreissprecher Daniel Beneke mit. Er verweist auf die gesetzliche Angebotspflicht von Mehrwegverpackungen und mahnt: Verstöße stellten eine Ordnungswidrigkeit dar und können mit Bußgeldern bis 10.000 Euro bestraft werden.
Die sogenannte Mehrwegangebotspflicht besteht seit Anfang 2023 für Anbieter von verzehrfertigen Speisen und Getränken im To-Go-Bereich. Dies gilt nicht nur in Gastronomiebetrieben, sondern auch in Tankstellen, Supermärkte oder Lieferdiensten. Die Verkäufer von Speisen und Getränken zum Mitnehmen müssen zusätzlich zur Einwegverpackung aus Kunststoff oder mit einem Kunststoffanteil eine Mehrwegverpackung anbieten. Ziel des reformierten Verpackungsgesetzes ist es, weniger Einwegverpackungen aus Kunststoff in den Markt zu bringen, um die Umwelt und das Klima zu schonen.

Ein Problem: Es gibt viele unterschiedliche Mehrweg-Behälter. Foto: Felix Kästle/dpa
Informationskampagne mit Entertainerin Lilo Wanders im Kreis Stade
„Ausnahmen gibt es für kleinere Betriebe mit einer Verkaufsfläche von bis zu 80 Quadratmetern inklusive Sitz- und Aufenthaltsbereichen und maximal fünf Beschäftigten“, erklärt Beneke. Diese Betriebe müssten lediglich auf Wunsch der Kundschaft Speisen und Getränke in mitgebrachte Behältnisse füllen. Darüber hinaus müssen alle Betriebe mit gut sichtbaren und lesbaren Plakaten oder Schildern auf die Mehrweg-Möglichkeit hinweisen.
Wichtig: Produkte in der Mehrwegverpackung dürfen nicht teurer angeboten werden als in der Einwegverpackung, heißt es vom Landkreis weiter. Der Becher Kaffee darf also nicht teurer sein, wenn er im Mehrwegbecher verkauft werde. Es sei aber erlaubt, die Mehrwegverpackungen gegen Pfand auszugeben, das bei der Rückgabe zurückgezahlt werde. „Die Kundinnen und Kunden können also selbst entscheiden, ob Mehrweg zum neuen Standard wird und somit Abfälle vermieden und Ressourcen geschont werden“, sagt die Stader Abfallberaterin Gaby Mahr.

Abfallberaterin Gaby Mahr mit einem Plakat mit Entertainerin Lilo Wanders. Foto: Landkreis Stade/Daniel Beneke
Im Zuge der Kritik an fehlender Umsetzung der Mehrwegpflicht setzt der Landkreis seine groß angelegte Informationskampagne weiter fort. Im gesamten Kreisgebiet hängen großformatige Plakate mit Fotos von Entertainerin Lilo Wanders. Sie wirbt für den nachhaltigen Ersatz für Einweg-Verpackungen. Plakate, Aufklebern und Aufsteller können Gastronomen beim Amt anfordern (E-Mail: abfallwirtschaft@landkreis-stade).
Mehrwegverpackung bei Essen zum Mitnehmen nur wenig gefragt
47 Prozent der Menschen in Deutschland haben bisher noch keine Mehrwegverpackung genutzt. Das geht aus einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Yougov hervor, die am Dienstag veröffentlicht wurde. Mindestens einmal in der Woche nutzen nur 6 Prozent der Befragten regelmäßig Mehrwegangebote, 11 Prozent ein- oder mehrfach im Monat, 11 Prozent noch seltener.
Mit Blick auf verschiedene Altersgruppen fällt auf: Jüngere Menschen zwischen 18 und 34 Jahren nutzen entsprechende Verpackungen überdurchschnittlich häufig. Bei den Personen ab 55 Jahren gaben derweil nur 6 Prozent an, dies mindestens einmal im Monat zu tun. An der Umfrage nahmen 3450 Personen teil. 19 Prozent kaufen demnach gar kein Essen zum Mitnehmen, 6 Prozent machten keine Angabe.
Kritik von Umweltschützern: Mangelnde Kontrollen, fehlende Sanktionierung
Laut Umweltschützer Fische seien aber auch Verbraucher nach wie vor schlecht informiert. Die Anbieter versuchten offenbar, „sich Mehrweg gezielt vom Hals zu halten, indem die Information schlecht gemacht wird, leicht zu übersehen ist“, kritisiert er.
Der eigentlich einfachste Hebel für bessere Kundeninformationen - nämlich mündliche Hinweise des Verkaufspersonals - habe man im gesamten Jahr bei fast 100 Testbesuchen nicht in einem einzigen Fall feststellen können, sagte Fischer. „Diese aktive Kundeninformation, die gibt es nicht.“ Der Gesetzgeber müsse die Informationspflichten daher viel enger fassen.
Problematisch seien auch die vielen unterschiedlichen Mehrweg-Behälter. „Viele Händler arbeiten nicht zusammen, sondern im Grunde genommen nebeneinander mit eigenen Systemen“, was nicht verbraucherfreundlich sei. Es gelte, wegzukommen von diesem Wirrwarr - und hin zu einer einheitlichen Branchenlösung mit einem flächendeckenden Netz von Rückgabemöglichkeiten, sagte Fischer.
Verbraucherzenrtale: Nachbesserungen am Gesetz nötig
Für wichtig hält er zudem finanzielle Anreize wie im Fall von Tübingen. Die dort geltende Verpackungssteuer auf Einwegverpackungen, -geschirr und -besteck war im Mai vom Bundesverwaltungsgericht in Leipzig für zulässig befunden wurde. Eine Franchisenehmerin der Fastfood-Kette McDonald’s hatte dagegen Verfassungsbeschwerde erhoben, eine Entscheidung steht noch aus.
Auch die Verbraucherzentrale sieht derweil schwere Mängel bei dem Gesetz - allen voran den, dass es nur auf Einwegverpackungen für Speisen aus Kunststoff abstelle, obwohl andere Verpackungsarten ökologisch genauso schlecht oder sogar noch schlimmer seien, wie Philip Heldt sagt, Referent für Ressourcenschutz bei der Verbraucherzentrale. Das führe zu einem Ausweichen auf Pappverpackungen. „Also das ist schon mal ein riesengroßes Schlupfloch, was der Gesetzgeber da den Gastro-Betrieben geschenkt hat“, sagte Heldt.
Die Verbraucherschützer hatten rund 400 Betriebe unter die Lupe genommen. Etwa die Hälfte davon hätte von der Größe und den Gegebenheiten Mehrweg-Angebote für Speisen zum Mitnehmen führen müssen, doch wiederum davon nur etwa die Hälfte habe dies tatsächlich getan. „Das ist natürlich schon krass. Also wenn man überlegt, bei anderen Gesetzen würde sich 50 Prozent der Betroffenen nicht an das Gesetz halten“, sagte Heldt und pochte auf Nachbesserungen am Gesetz.
Mehrwegpflicht: Das sagt die Dehoga
Dass kaum Kontrollen stattfinden, liege nicht nur an der personellen Unterbesetzung der Überwachungsbehörden, sondern auch an den komplexen Regelungen des Gesetzes, das auch Fragen aufwerfe. Es fehlten „klare Vollzugsanweisungen, wie dann genau zu verfahren ist“, das schränke die Behörden in ihrer Handlungsfähigkeit ein.
Auch der Gastronomieverband Dehoga hält die Bestimmungen für unklar. Erst im Mai 2023 - Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes - sei ein behördlicher Leitfaden veröffentlicht worden. „Aber auch dieser hat leider nicht alle Fragen beantwortet, die sich in der Praxis bei der Umsetzung stellen, so dass nach wie vor Rechtsunsicherheiten bestehen“, erklärte Uta Stenzel, Referentin für Lebensmittel- und Verbraucherschutzrecht beim Branchenverband Dehoga.
Generell bedeute das Gesetz einen erheblichen Aufwand und Kosten - „und das alles in Zeiten weiterer großer Herausforderungen, die die Betriebe aktuell zu bewältigen haben“. Die Mehrweg-Nachfrage halte sich in den meisten klassischen Restaurants und Cafés nach wie vor in Grenzen. Um die Mehrwegquote und Akzeptanz zu steigern, müssten die Strukturen und Abläufe verbessert werden - von leicht handhabbaren Behältern bis zur Rücknahme. Erstrebenswert sei ein System ähnlich dem für Pfandflaschen. Als Beispiel verwies Stenzel auf die Initiative Reusable To-Go, die in Pilotmärkten in Hessen und Rheinland-Pfalz die unkomplizierte Rückgabe von Mehrweg-Systemen für Essen testet. (dpa/tip)