Mit Hund und Fahrradwohnwagen erfüllt sie sich ihr Camperglück

Ein Trike, ein Hund und ein Fahrrad-Wohnwagenanhänger machen Claudia Chomses Radlervergnügen perfekt.Foto: Scheiter
Claudia Chomse leidet unter einer schweren Krankheit, ihre Krankenakte ist prall gefüllt. Trotzdem gab die gelernte Zahnarzthelferin nicht auf und träumte weiter vom Campen in der Natur. Jetzt hat sie einen Weg gefunden - auch zur Freude ihrer Hündin.
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Von Gabriele Scheiter
Claudia radelt. Kreuz und quer durchs Land, gerne und schon immer. Doch das Schicksal hatte etwas dagegen. Die 45-Jährige aus Holste-Hellingst leidet unter Morbus Bechterew, hat hochgradig Rheuma, auch eine Hirnblutung und Leberversagen stehen schon in ihrer Krankenakte. Die Schmerzen im Kreuz machten das Fahren auf zwei Rädern zur Tortur. Und doch: „Ich bin eine Kämpferin. Ich will mich nicht unterkriegen lassen.“ Die Lösung: ein Liegend-Trike. „Viel angenehmer als ein normales Fahrrad. Es ist gefedert, ich bekomme die Schläge von der Straße nicht direkt auf die Wirbelsäule.
Besonders beim Fahren in Schrittgeschwindigkeit, etwa in großen Städten mit viel Fußgängerverkehr, braucht man auf drei Rädern nicht absteigen und kann easy durchfahren.“ Gebraucht gekauft, gab ihr das Trike ihre kleine Freiheit zurück. Zu einer großen Freiheit brauchte es aber noch mehr: Claudia ist heute stolze Besitzerin eines selbst gezimmerten Velo-Wohnwagenanhängers und genießt mit dem E-Trike als Zugmaschine ultratinymäßig ihre Auszeiten, allein mit sich selbst und ihrem Hund zwischen all den notwendigen Arzt- und Behandlungsterminen.
Wohnwagen war nicht das Richtige
„Ich bin schon immer gern Fahrrad gefahren“, erklärt Claudia, die heute mit ihrem Ehemann Oliver am See Achtern Diek in Otterndorf Urlaub macht. Während Oliver den Wohnwagen hergefahren hat, ist Claudia geradelt. „Im Jahr 2019 habe ich mit meiner Schwester eine Tour vom Teufelsmoor zum Wattenmeer gemacht“, berichtet sie.

Das Innenleben: spartanisch, aber praktisch. Claudia Chomse ist zufrieden mit ihrem selbst gebauten Gefährt.Foto: Scheiter
„Das waren über 500 Kilometer. Oliver ist mit dem Wohnwagen von Campingplatz zu Campingplatz vorgefahren. Da dachte ich mir: Das ist blöd. Ich möchte nicht darauf angewiesen sein.“Ein Zelt kam aber nicht infrage: „Mit meinen Knochen, da käme ich nie wieder hoch am Morgen.“ Dann entdeckte sie auf YouTube die Fahrrad-Wohnwagenanhänger: „Das war es.“
Immer wieder hat Claudie Chomse gebastelt und gebaut
Fortan ging’s zur Sache. Es wurde gebaut, gesägt, gezimmert und geschraubt. Claudia, die gelernte Zahnarzthelferin, die vor ihrer Erkrankung gerne in diesem Beruf gearbeitet hatte, lebt jetzt ihr Faible und ihr Talent fürs Handwerkliche aus. Der erste Wohnanhänger wurde im folgenden Winter gebaut und war nur zum Schlafen konzipiert. Nach rund 4.000 geradelten Kilometern und entsprechend häufigen Übernachtungen wurde Claudia dann klar: Ein wenig mehr Platz und Komfort wären auch ganz schön. Anregungen und Tipps gab es aus der WhatsApp-Fahrradwohnwagenanhänger-Community.
Neue Ideen, neue Vorstellungen von Formen und Funktionen nahmen Gestalt an, und wieder wurde gebastelt und gebaut. Anhänger Nummer zwei war dann groß. Zu groß fürs verwendete Material. „Der hatte ein Alu-Gerüst und war nicht stabil genug für das Hunde-Gewicht und die notwendige Zuladung von Wasser und Hundefutter. Auf der ersten Reise brach die Achsaufhängung. Daraufhin habe ich ihn wiederhergerichtet und verkauft.“
Mit jedem Wohnanhänger kommt sie dem Traum näher
Wohnanhänger Nummer drei hat jetzt Wände aus Styrodur, XPS-Schaumplatten, die auch zur Dämmung von Häusern Verwendung finden. Die Platten sind mit Glasfaser laminiert und haben eine Beschichtung aus Epoxit-Harz. „Der ist stabil. Ich könnte ihn den Mount Everest hinunterschubsen und er käme heile unten an“, schmunzelt Claudia. Zur Ausstattung gehören ein Auszieh-Vordach und zwei Solarpanels, mittels derer die Akkus geladen werden. An den Seiten und vorne gibt es Bullaugen, in der Tür Fenster. Auf 1,62 Quadratmetern wird das Camping zum Abenteuer: Tagsüber Sitzfläche, Essplatz, Hundeplatz und Toilette, wird der Raum nachts zum Bett. Der eigene Sonnenuntergang ist stets dabei - als Fototapete unter der Decke.

Aussicht muss sein: Boxerhündin Weda ist nach Möglichkeit dabei.Foto: Scheiter
Besonders aerodynamisch kommt das Gefährt in den Farben Beere und Lime-Grün nicht daher. Doch sobald es rollt, rollt es. „Wenn es Gegenwind gibt, merkt man den Anhänger. Er hat ein Leergewicht von etwa 70 Kilogramm, beladen mit 30 Kilogramm Hund und Gepäck habe ich 120 Kilogramm zu ziehen. Dazu kommen die Packtaschen auf dem Fahrrad. Man sollte aber nicht zu schnell fahren, denn der Bremsweg ist entsprechend lang. Ich bin mit etwa 15, 16 Stundenkilometern unterwegs.“
Hier finden Interessierte Anschluss ans „Glamping“
Wenn Claudia Fahrrad fährt, bleibt Oliver zu Hause und kümmert sich um die zwei Söhne, um Boxerhündin Nummer zwei Ruby und die Laufenten im heimischen Garten. „Ich freue mich, dass meine Frau ihr Hobby gefunden hat und unterstütze sie, wo immer ich kann“, sagt er. Für Claudia indessen ist das Velo-Camping zum Lebensgefühl geworden.
Aus einer eigenen WhatsApp-Gruppe mit Gleichgesinnten ist mittlerweile ein nicht eingetragener Verein mit der Bezeichnung „Interessengemeinschaft pedaliertes Glamping“ entstanden. Claudia hat Freundschaften geschlossen, man trifft sich, die nächsten Fahrten sind schon geplant. Eine Action-Cam gehört dabei für Claudia immer mit ins Gepäck: Von ihren Erlebnissen berichtet sie auf ihrem YouTube-Kanal „Claudi’s Abenteuer“.