Personalmangel an Schulen: Schwangere Lehrerinnen sollen helfen

Kein Unterricht: An der Förderschule in Ottenbeck kommt das regelmäßig vor. Foto: dpa
Der frühe Mutterschutz ist im Lehrberuf eigentlich heilig. Doch in der Not soll jetzt in Niedersachsen auch daran gerüttelt werden. In Bremen sind zudem nicht mehr höchste Deutschkenntnisse notwendig, um zu unterrichten.
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Von Lars Laue
Einer der wesentlichen Gründe für den Lehrermangel in Niedersachsen ist, dass zumindest an Grundschulen schwangere Lehrerinnen unter Verweis auf besondere Corona-Risiken sofort vom Präsenzunterricht freigestellt werden.
Maßgeblich ist hierbei nach Angaben des Kultusministeriums das Mutterschutzgesetz - ein Bundesgesetz. Es fordere zum Schutz von Schwangeren im Berufsleben, dass an der Arbeitsstätte eine „unverantwortbare Gefährdung“ für die Schwangere ausgeschlossen sein müsse. „Während der andauernden Covid-19-Pandemie ist aus präventiven Gründen zurzeit davon auszugehen, dass eine unverantwortbare Gefährdung vorliegt, wenn die schwangere Beschäftigte beruflich bedingt einen besonderen Personenkontakt hat“, erklärt Ministeriumssprecher Ulrich Schubert.
Den Rahmen der Regelungen zum Schutz von Schwangeren gebe die niedersächsische Gewerbeaufsicht vor. Laut Schubert prüft die jeweilige Schulleitung anhand einer Gefährdungsbeurteilung, ob und inwieweit die Vorgaben zum Schutz der Schwangeren eingehalten werden können, und legt die erforderlichen Maßnahmen fest.
„Das bedeutet nicht, dass schwangere Lehrerinnen wegen der Corona-Gefahr per se nicht in der Klasse stehen dürfen. Außer in den unteren Klassenstufen - also in der Grundschule - dürfen Schwangere unterrichten, wenn bestimmte Vorgaben zu ihrem Schutz eingehalten werden“, erläutert Schubert.
Zu den Schutzvorgaben zählt laut Schubert, dass alle eine Mund-Nasen-Bedeckung tragen (die Lehrerin vorzugsweise eine FFP2-Maske), dass Maskentragedauer und Tragepausen für die Lehrerin eingehalten werden, dass die Räume regelmäßig gelüftet werden und dass es keinen bekannten Corona-Infektionsfall im beruflichen Umfeld der Schwangeren gibt. Diese Vorgaben würden immer wieder aktuell angepasst.
Verständigen sich die Lehrerin, die Schüler und die Schule also darauf, die genannten Schutzregeln einzuhalten, ist Unterricht in Präsenz durch schwangere Lehrerinnen an weiterführenden Schulen durchaus möglich.
Ministerium: Lehrerinnen sind nicht beurlaubt
Wichtig zu wissen ist überdies, dass schwangere Lehrerinnen, die vom Präsenzunterricht befreit wurden, laut Ministerium nicht beurlaubt sind, sondern lediglich einem „Tätigkeitsverbot“ für bestimmte Aufgaben unterliegen. „Sie können dann zum Beispiel grundsätzlich zu Hause arbeiten und von dort Schülerinnen und Schüler im Distanzunterricht betreuen oder Kolleginnen und Kollegen bei der Vor- und Nachbereitung des Unterrichts unterstützen“, betont Schubert. Anders verhalte es sich, wenn ein Arzt ein Beschäftigungsverbot ausspreche. „Das ist gleichbedeutend mit einer Krankschreibung“, stellt Schubert klar, muss aber bei der Frage nach Zahlen passen. Zahlen, wie viele schwangere Lehrerinnen vom Präsenzunterricht freigestellt sind oder auch aus anderen Gründen nicht in Präsenz oder generell unterrichten, sind dem Ministerium nicht bekannt. Diese würden nicht zentral erfasst, heißt es.
„Wenn wir dürften, würden wir schwangere Lehrerinnen auch gerne weiter in der Schule einsetzen, solange es gesundheitlich und für sie persönlich vertretbar ist“, sagt Kultusministerin Hamburg. Über die Frage, ob und unter welchen Rahmenbedingungen dies möglich sei, entschieden allerdings andere. „Wir sind hier als Arbeitgeber nicht die Experten.“ Entscheidend seien nun einmal das Mutterschutzgesetz und die aktuelle Gefährdungslage.
Bremen stellt Lehrkräfte mit geringeren Deutschkenntnissen ein
Um dem Mangel an Lehrkräften zu begegnen, will das Land Bremen Fachkräften mit ausländischen Abschlüssen den Einstieg in den Schuldienst erleichtern. Wer bereits eine Anerkennung seiner ausländischen Abschlüsse habe, werde auch mit geringeren Deutschkenntnissen als bisher eingestellt, teilte Bildungssenatorin Sascha Aulepp (SPD) mit. Künftig reiche das Sprachniveau Deutsch C1. Berufsbegleitend könnten sich die Lehrkräfte zum nächsthöheren Level qualifizieren.
Außerdem werde eine im Ausland erworbene Berufserfahrung noch stärker als bisher bei der Anerkennung berücksichtigt, sagte die Senatorin. In Bremen sollen zudem künftig verstärkt Lehrkräfte eingestellt werden, die nur in einem Fach ausgebildet sind. Nach früheren Kriterien war das bisher nicht möglich. Fachkräfte mit einem im Ausland erworbenen pädagogischen Abschluss würden vor allem in Schulen benötigt, in denen viele Kinder mit Migrationshintergrund unterrichtet werden. "Deshalb müssen wir kreative Wege gehen, um sie schnell in unsere Schulen zu holen", so Aulepp.
Kein Wettbewerb um Lehrer - Bremen will Staatsvertrag
Bremen möchte zudem mit einem neuen Staatsvertrag einen Wettbewerb der Länder um Lehrkräfte vermeiden. Stattdessen sollten im Kampf gegen Lehrermangel alle Länder koordiniert ihre Ausbildung von Lehrkräften ausbauen, forderte die Bremische Bürgerschaft.
Dem Antrag, der ursprünglich von der CDU stammte, schlossen sich auch die Regierungsfraktionen SPD, Grüne und Linke an. Kurz vor der Bürgerschaftswahl im Mai war das Zusammengehen von Opposition und Regierung ungewöhnlich.
Bildungssenatorin Sascha Karolin Aulepp (SPD) wurde beauftragt, sich in der Kultusministerkonferenz für einen solchen Staatsvertrag einzusetzen. "Es geht darum, einem unerbittlichen Wettbewerb um Lehrkräfte entgegenzutreten", sagte sie. Bayern locke Lehrerinnen und Lehrer aus anderen Bundesländern mit Prämien an. Dabei bilde Bayern gemessen an der Einwohnerzahl nur halb so viele Lehrkräfte aus wie das Land Bremen, sagte Aulepp.
Es müsse angenommen werden, "dass Bremen im aktuell schrankenlosen Wettbewerb um Fachkräfte auch zukünftig nicht obsiegen wird", hieß es in dem Antrag. Auch Berlin schlägt einen Staatsvertrag für eine bedarfsgerechte Lehrerausbildung vor. Die Bremer FDP-Fraktion lehnte die Idee eines Staatsvertrages ab, weil das Verfahren zu lange dauern werde. "Wir müssen hier bei uns ausbilden für den Bedarf, den wir hier haben", sagte der Abgeordnete Hauke Hilz. (skw/dpa)