RKI: Hitze verursacht gefährliche Nebenwirkungen bei Medikamenten

Ist der Wirkstoff in bestimmten Medikamenten sehr UV-Lichtempfindlich hat das Auswirkungen bei der Einnahme. Symbolfoto: dpa
Hitze kann zahlreiche Gesundheitsbeschwerden verursachen. Einem RKI-Bericht zufolge kann auch die Einnahme bestimmter Medikamente zur Gefahr werden. Diese Mittel sind besonders betroffen.
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Bestimmte Medikamente können bei Hitze gefährliche Nebenwirkungen verursachen. Das geht aus einem am Mittwoch veröffentlichten Bericht des Robert Koch-Instituts (RKI) hervor. Besonders betroffen seien Mittel zur Entwässerung und blutdrucksenkende Medikamente. Demnach kann etwa eine hitzebedingte Gefäßerweiterung den blutdrucksenkenden Effekt vieler Herz-Kreis-Lauf-Mittel deutlich verstärken.
Mögliche Folgen sind Ohnmacht oder Organdurchblutungsstörungen bis hin zum Herzinfarkt. „Besonders gefährdet sind hier Personen mit systolisch bedingter Herzinsuffizienz (Herzschwäche), sowie Patientinnen und Patienten mit Bluthochdruck“, wie es im Bericht heißt.
Vorsicht vor hitzeanfälligen Medikamenten
Auch Wirkstoffe gegen Herzrhythmusstörungen, Antidiabetika, Opiate, die über die Haut aufgenommen werden, Schmerzmittel und sogenannte anticholinerge Arzneimittel - darunter laut RKI viele Psychopharmaka - können bei Hitze etwa zu Kognitionseinschränkungen oder Problemen mit dem Blutdruck führen. Außerdem könne die Lagerfähigkeit von Medikamenten durch Hitze beeinträchtigt werden, was die Wirksamkeit verringern könne.
Die Veröffentlichung ist der zweite Teil des dreiteiligen Sachstandsberichts „Klimawandel und Gesundheit“ unter der Koordination des RKI. Er ist im „Journal of Health Monitoring“ erschienen. Viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler waren an dem Bericht beteiligt und haben den aktuellen Wissensstand zu möglichen Auswirkungen des Klimawandels auf die menschliche Gesundheit zusammengetragen.
Durch den Klimawandel werden heiße Tage und Hitzewellen in Deutschland dem RKI zufolge weiter zunehmen. Um Krankheits- und Sterbefälle so weit wie möglich zu vermeiden, sei der Schutz der Bevölkerung etwa durch Hitzeaktionspläne wichtig. Darüber hinaus können dem Bericht zufolge künftig auch weitere Phänomene zu gesundheitlichen Problemen führen:
- Extremwetterereignisse: Durch den Klimawandel steigt die Wahrscheinlichkeit für Extremwetterereignisse wie Überschwemmungen, Stürme, Dürren oder Brände. Sie können laut RKI zum Beispiel zu Verletzungen, psychischen Belastungsstörungen, bis hin zu Todesfällen etwa durch Ertrinken bei Überschwemmungen führen.
- UV-Strahlung: Wie sich der Klimawandel auf die individuelle UV-Belastung und das damit verbundene Hautkrebsrisiko auswirken könnte, kann laut RKI bislang nicht eindeutig vorhersagt werden. Allerdings steige die Häufigkeit von UV-bedingten Hautkrebs-Erkrankungen seit Jahrzehnten. Ein wirkungsvoller UV-Schutz sei daher wichtig.
- Allergien: Der Klimawandel verändert Auftreten, Häufigkeit und Schwere von Allergien, wie es im Bericht heißt. Schon jetzt litten Pollenallergiker durch die Klimaveränderungen fast ganzjährig unter Symptomen. Bei fortschreitendem Klimawandel sei davon auszugehen, dass sich die Pollensaison weiter verfrühe.
EU-Klimawandeldienst: Sommer 2023 war so heiß wie nie
Der Sommer 2023 war global gesehen der mit Abstand heißeste seit Beginn der Aufzeichnungen 1940. Das teilte der EU-Klimawandeldienst Copernicus am Mittwoch für die drei Monate Juni bis August mit. Die Durchschnittstemperatur habe in dem Zeitraum bei 16,77 Grad und damit 0,66 Grad über dem Durchschnitt gelegen, noch einmal deutlich höher als im bisherigen Rekordjahr 2019 mit 16,48 Grad.
„Die globalen Temperaturrekorde purzeln 2023 weiter”, sagte Copernicus-Vizedirektorin Samantha Burgess. „Der wärmste August folgt auf den wärmsten Juli und Juni und führt zum wärmsten borealen Sommer in unserem Datensatz, der bis 1940 reicht.” Es habe in den vergangenen Monaten zudem rekordverdächtig hohe Anomalien der Meeresoberflächentemperatur im Nordatlantik und im globalen Ozean gegeben, hieß es weiter.
Das bisherige Jahr (Januar bis August) sei das zweitwärmste in den Aufzeichnungen nach 2016, als es ein starkes wärmendes El Niño-Ereignis gab. Derzeit baut sich das Klimaphänomen erneut auf - was Klimaexperten mit Sorge auf die kommende Zeit blicken lässt.
Guterres: Schlimmstes Klimachaos noch verhinderbar
„Unser Klima implodiert schneller, als wir mit extremen Wetterereignissen, die jeden Winkel des Planeten treffen, fertig werden können”, erklärte UN-Generalsekretär Antonio Guterres zu den Copernicus-Daten. Er forderte die Staats- und Regierungschefs zum Handeln auf. „Wir können das schlimmste Klimachaos immer noch verhindern – und wir haben keinen Moment zu verlieren.”
„Die wissenschaftlichen Beweise sind überwältigend”, sagte Copernicus-Vizedirektorin Burgess. „Wir werden weiterhin Klimarekorde sowie intensivere und häufigere extreme Wetterereignisse sehen, die sich auf Gesellschaft und Ökosysteme auswirken, bis wir aufhören, Treibhausgase auszustoßen.” Das Jahr 2023 liege derzeit nur 0,01 Grad hinter dem aktuellen Rekordhalter 2016.
Im August war es so warm wie noch nie in dem Monat, wie Copernicus in der englischen Stadt Reading mitteilte. Die Durchschnittstemperatur von 16,82 Grad über Land lag um 0,71 Grad höher als der Durchschnitt der Jahre 1991 bis 2000 und schätzungsweise um 1,5 Grad höher als im vorindustriellen Zeitalter von 1850 bis 1900. Damit war der August der zweitwärmste jemals gemessene Monat. Nur im Vormonat Juli war es mit 16,95 Grad noch wärmer.
Die Ergebnisse beruhen auf computergenerierten Analysen, die Milliarden von Messungen von Satelliten, Schiffen, Flugzeugen und Wetterstationen auf der ganzen Welt nutzen. Das historische Klima können Klimaforscher unter anderem aus Baumringen, Luftblasen in Gletschern und Korallen rekonstruieren.
Weltwetterorganisation: Hitzewellen sorgen für schlechte Luft
Hitzewellen verschlechtern die Luftqualität - davor warnt die Weltwetterorganisation (WMO) in Genf. Dieser Aspekt werde oft vernachlässigt, sagte WMO-Generalsekretär Petteri Taalas. Die WMO verweist unter anderem auf Waldbrände und aufgewirbelten Wüstenstaub, der sich über tausende Kilometer ausbreiten kann.
Das neue „Bulletin über Luftqualität und Klimawandel“ bezieht sich auf das vergangene Jahr. Unter anderem hätten Waldbrände in den USA und Hitzewellen mit aufgewirbeltem Wüstenstaub in Europa die Luftqualität stark beeinträchtigt. „Was wir 2023 erlebt haben, war noch extremer“, sagte Taalas. „Der Juli war der heißeste bislang gemessene Monat, mit intensiver Hitze in vielen Teilen der nördlichen Hemisphäre und das hat sich im August fortgesetzt.“ Er verwies auf die verheerenden Brände in der Mittelmeerregion, in Kanada und auf einer der zu den USA gehörenden Inseln von Hawaii.
„Der Rauch von Waldbränden enthält ein Hexengebräu aus Chemikalien, das nicht nur die Luftqualität und die Gesundheit beeinträchtigt, sondern auch Pflanzen, Ökosysteme und Ernten schädigt, und er führt zu mehr Kohlenstoffemissionen und damit mehr Treibhausgasen in der Atmosphäre“, sagte Lorenzo Labrador, einer der Autoren des Bulletins.
Manche Schadstoffe beeinträchtigten die Luftqualität und trügen gleichzeitig zum Klimawandel bei, so die WMO. Deshalb gingen Klimaschutz und die Verbesserung der Luftqualität Hand in Hand. Für beides wichtig seien Parks und andere Grünflächen in Städten. Wegen enger Bebauung liege dort die Temperatur nachts bis zu neun Grad höher als im ländlichen Umland, berichtete die WMO. Das beeinträchtige die Gesundheit. Grünflächen könnten die Temperatur senken, Treibhausgase aufnehmen und die Luftqualität verbessern. (dpa)