Zähl Pixel
Fuchsgroß

Raubtier zum ersten Mal in der Wesermarsch entdeckt

Auch der Marderhund an der Nordseeküste gehört zu den invasiven Arten. Foto: pa/Julian Stratenschulte/dpa

Auch der Marderhund an der Nordseeküste gehört zu den invasiven Arten. Foto: pa/Julian Stratenschulte/dpa

Als ein Jäger das Tier aus der Falle holte, dachte er zunächst: Was ist denn das? In Nordenham ist eine neue Tierart aufgetaucht. Es handelt sich um ein Raubtier. Ursprünglich stammt es aus Ostasien.

Donnerstag, 23.02.2023, 03:00 Uhr

Premium-Zugriff auf tageblatt.de für nur 0,99 €
Jetzt sichern!

Von Christoph Heilscher

Die in Nordenham erstmals festgestellte Tierart ist ein Marderhund. In anderen Gegenden Deutschlands sind diese fuchsgroßen Raubtiere schon weit verbreitet. In der Wesermarsch bislang noch nicht.

Die eigentliche Heimat des Marderhundes umfasst Südost-Sibirien, den Osten Chinas, Nord-Vietnam und Japan. Wegen ihres dichten Winterfells, das in der Pelzindustrie begehrt ist, wurden im 19. Jahrhundert erstmals Marderhunde diesseits des Urals eingebürgert. Doch vor allem die Jahre 1929 bis 1955, als von der Ukraine im Süden bis Karelien im Norden an 44 Orten knapp 10.000 Exemplare ausgesetzt wurden, um sie für die Pelzindustrie bejagen zu können, wie die Naturschutzorganisation NABU berichtet, führten zur weiteren Ausbreitung gen Westen. 1960 erreichten die auch Enok genannten Tiere Deutschland.

Wie ein Waschbär mit kurzen Beinen

Marderhunde sind etwa fuchsgroß. Ihr Fell ist rot- bis schwarzbraun mit dichter Unterwolle und langem Deckhaar. Die Tiere erinnern an einen Waschbären mit kurzen Beinen. Sie werden zwischen fünf und acht Kilo schwer.

Die Zuwanderer aus Fernost leben bevorzugt in feuchten, vielfältig strukturierten Flachlandgebieten mit Feldern, Kleingewässern, Sumpfwiesen und unterholzreichen Wäldchen. In den Mittelgebirgen trifft man sie vor allem in den Flusstälern an, wo sie busch- und schilfbewachsene Ufer besiedeln.

Wesermarsch wäre ein passender Lebensraum

Die Wesermarsch wäre mit ihren feuchten Wiesen, Gräben und zahlreichen Teichen also ein idealer Lebensraum. In genau solch einem Teichgebiet ist der Marderhund in die Falle gegangenen: im Seenpark IV.

Naturschützer sind nicht erfreut über diesen Fund. Denn auf dem Speiseplan der Marderhunde stehen Gelege von Wiesenvögeln. Genau die sollen im EU-Vogelschutzgebiet Butjadingen, zu dem auch der Seenpark IV und ansonsten weite Teile Nordenhams gehören, geschützt werden.

Der Druck auf den verbliebenen, in den vergangenen Jahren immer weiter geschrumpften Bestand an Kiebitzen, Uferschnepfen, Rotschenkeln und Austernfischern durch Fressfeinde wird immer größer. Die Marsch war einmal weitgehend frei von Raubsäugern. In den 1980er Jahren wanderte zunächst der Fuchs in immer größerer Zahl zu. Dann folgten Dachse. Inzwischen sind auch schon die ersten Waschbären gesehen worden. Und nun hat ebenfalls der Marderhund den Norden der Wesermarsch erreicht, wo die größten Wiesenvogelschutzgebiete der Wesermarsch liegen: die EU-Vogelschutzgebiete Butjadingen und Marschen am Jadebusen. Marderhunde vermehren sich sehr stark.

Berufsjäger versucht Bestand zu regulieren

Unterstützung bekommt der Wiesenvogelschutz daher von einem Berufsjäger. Jens Kleinekuhle versucht, den Bestand an Raubsäugern klein zu halten, um die Überlebenschancen von Kiebitz & Co. zu erhöhen.

Die Gelege von Wiesenvögeln sind einem Fuchs oder Marderhund, hat er sie erst einmal entdeckt, schutzlos ausgeliefert. Die Elternvögel können die Räuber nicht vertreiben. Insbesondere in dem wichtigsten Wiesenvogelbrutgebiet der Wesermarsch, der Weserinsel Strohauser Plate, lässt sich der Einfluss der Raubtiere gut nachvollziehen. Gelingt es, die Insel frei von Räubern zu halten, ist der Bruterfolg auf dieser Naturschutz-Insel sehr hoch. Im vergangenen Jahr haben 125 Kiebitzpaare, 70 Paare der Uferschnepfe und 40 Paare des Rotschenkels auf der Plate gebrütet.

Viele Arten sind in den vergangenen Jahrzehnten zugewandert

In den vergangenen Jahrzehnten sind eine ganze Reihe sogenannter invasiver Arten in der Wesermarsch zugewandert und haben die Fauna verändert. Bei den Säugetieren ist das vor allem die Nutria. Die Biberratte stammt ursprünglich aus Südamerika. Nach Europa kam sie wegen ihres Pelzes. Inzwischen höhlt sie auch in der Wesermarsch Böschungen und Deiche aus.

Wegen ihres Pelzes wurde auch der Mink in Europa gehalten, eine ursprünglich asiatische Marderart. Irgendwann entkamen einzelne Exemplare aus Gefangenschaft und breiten sich seitdem aus.

Neben den Arten, die eigentlich nicht nach Mitteleuropa gehören, gibt es solche, die einen alten Lebensraum zurückerobern. Dazu gehört der Wolf. Einen neuen Lebensraum erschließt sich derzeit der Goldschakal, der in Europa bislang vor allem auf dem Balkan und in Griechenland zu Hause war. Er breitet sich nach Norden aus. Auf der Strohauser Plate ist bereits ein durchziehender Goldschakal gesichtet worden. Niedergelassen haben sich die Schakale in der Wesermarsch bislang ebenso wenig wie der Wolf.

Auch in der Vogelwelt gibt es zahlreiche Veränderungen. Natürlich zugewandert sind in den vergangenen Jahren der Löffler und der Silberreiher. Letzterer überwintert inzwischen in Nordwestdeutschland - eine Folge der milden Winter und damit des Klimawandels. Auf Gehegevögel geht hingegen die immer größer werdende Population an Nilgänsen und Kanadagänsen zurück.

Weitere Themen

Weitere Artikel

Regen in Niedersachsen und Bremen: Temperaturen bis 20 Grad

Das Wochenende startet am Samstag in Niedersachsen und Bremen mit herbstlichem Wetter. Tagsüber erwartet der Deutsche Wetterdienst (DWD) viele Wolken und anhaltender Regen. Im Süden von Niedersachsen kommt zeitweise in Regenpausen die Sonne raus. Für die Küstenregionen (...).

Zahl gesprengter Geldautomaten geht deutlich zurück

Noch immer werden in Niedersachsen regelmäßig Geldautomaten gesprengt - allerdings mit sinkender Tendenz im Vergleich zu früheren Jahren. Bei den Taten besteht wegen einer veränderten Vorgehensweise oftmals eine größere Gefahr.