Reiter besorgt: Pferdeherpes sorgt für Vorsicht vor Saisonstart

Tim-Uwe Hoffmann sorgt sich nach einem Ausbruch des Pferdeherpes um seine Pferde. Der Springreiter aus Rhade hat bereits ein Tier an das Virus verloren. Foto: Demmer
Im März 2021 verbreitete sich eine Herpes-Variante, die mehrere Pferde getötet hat. Nun kam es in Norddeutschland wieder zu Ausbrüchen. Sind die Turniere in Gefahr? Das sagen Reiter aus der Region.
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Landkreis Rotenburg. Die „grüne Saison“ steht gerade in den Startlöchern. Wie der NDR Niedersachsen jedoch berichtet hat, haben mehrere Vereine geplante Turniere für Ende März abgesagt. Nachdem in einem Reitstall in Osnabrück ein Pferdeherpes-Fall festgestellt wurde, legen Reitvereine im Umkreis strenge Vorsichtsmaßnahmen auf. Teilweise werden Höfe für externe Reiter gesperrt, berichtet die „Neue Osnabrücker Zeitung“.
Doch nicht nur die Region Osnabrück ist betroffen. In Schleswig-Holstein sind 40 Pferde an dem Virus erkrankt, ein Tier verstarb bereits, nachdem es in einem großen Turnierstall zu einem Ausbruch des Herpesvirus gekommen ist.
Pferdeherpes ist sehr weit verbreitet
Bei Pferdeherpes handelt es sich um eine Infektion mit dem Equinen Herpesvirus (kurz EHV). Diese ansteckende Erkrankung ist in der Pferdepopulation sehr weit verbreitet – man geht davon aus, dass 90 Prozent der Pferde das Herpesvirus in sich tragen. In Stresssituationen wie bei Transporten kann es aktiviert werden.
Zu den Herpesviren beim Pferd zählen fünf Typen, die teilweise unterschiedliche Symptome hervorrufen können. Ist ein Pferd einmal infiziert, wird es das Virus nie wieder vollständig los. EHV1 und EHV4 sind die relevantesten Typen beim Pferd, da sie am häufigsten klinische Anzeichen hervorrufen – und sogar zu einem Einschläfern des Pferdes führen können.
Vor allem eine Variante ist sehr gefährlich
Für Pferde ist im Zusammenhang mit dem Thema Impfung hauptsächlich das Equine Herpesvirus-1 (EHV-1) relevant, das in erster Linie für Fehlgeburten und Geburten lebensschwacher Fohlen sowie für fiebrige Atemwegserkrankungen oft bei jungen Pferden verantwortlich ist, in selteneren Fällen aber auch eine neurologische Verlaufsform der Erkrankung hervorrufen kann.
Wer so etwas selbst erlebt hat, weiß, wie tückisch diese Seuche ist. Wir werden in den nächsten Wochen nicht zu Turnieren fahren und abwarten, wie sich die Lage entwickelt.
Tim-Uwe Hoffmann
In diesem Fall zeigen die Pferde Bewegungsstörungen und Lähmungen, die häufig an der Hinterhand beginnen und fortschreiten. Häufig müssen die Pferde dann durch den Tierarzt erlöst werden.
Springreiter aus Rhade hat sein Toppferd verloren
Das musste 2021 auch ein prominentes Beispiel aus der Region erleben: Springreiter Tim-Uwe Hoffmann aus Rhade musste sich für immer von seinem langjährigen Erfolgspferd Casta Lee FRH verabschieden.
Der Reiter hat auf die neusten Meldungen bereits reagiert. Hoffmann verzichtet vorerst auf Starts bei Turnieren. „Wer so etwas selbst erlebt hat, weiß, wie tückisch diese Seuche ist. Wir werden in den nächsten Wochen nicht zu Turnieren fahren und abwarten, wie sich die Lage entwickelt“, so der Springreiter.
Lernen, mit dem Virus zu leben
Dagegen halten Josch und Jens Löhden aus Zeven an ihren Planungen fest, denn „du kannst Herpes nicht verhindern. Im Frühjahr treten immer wieder mal Fälle auf. Aus unserer Sicht müssen wir lernen, damit zu leben“, so Jens Löhden, der dafür plädiert, besonders sorgsam zu sein, wenn sich mehrere Pferde begegnen können. Verzicht auf Platzierungen und Umsetzung zusätzlicher Hygienemaßnahmen sind für den erfahrenen Reiter Dinge, die dazu beitragen, die Verbreitung der Seuche einzudämmen.
Naturphänomene
T Hochgiftig: 500 Gramm Eibentriebe sollen ein Pferd töten können
Beim bevorstehenden Hallenturnier geht der Reitverein Zeven einen ähnlichen Weg. „Im Umkreis finden bislang alle Turniere statt. Deshalb halten wir zum jetzigen Zeitpunkt an unseren Planungen fest. Allerdings werden wir die Sicherheit für die Pferde erhöhen. So verzichten wir beispielsweise auf die Platzierungen in der Halle“, so Saskia Demmler vom Reitverein Zeven.
KRV Wesermünde hält am Turnierplan fest
Ähnlich verhält es sich auch im Kreisreiterverband Wesermünde. „Aktuell werden die Turniere wie geplant stattfinden. Um diese Jahreszeit gab es schon immer zu einem hohen Aufkommen an Herpesfällen. Aber bei unseren zunächst geplanten Turnieren gibt es keine Stallboxen oder Ähnliches, daher droht da eigentlich keine Gefahr“, berichtet Jan Schalk, 1. Vorsitzender. „Es sind mir auch noch keine Infektionen im Umkreis bekannt.“
Der Verband eröffnet am 12. und 13. April in Elmlohe mit einem Dressur-Turnier bis Klasse S*** die „grüne Saison“ der Reiter in der Region. Am 18. und 19. April folgt das Springturnier im Pferdedorf im Cuxland.
Noch keine Fälle in der Region
Im Landkreis Wesermarsch ist Pferdeherpes natürlich auch ein großes Thema. Konkrete Fälle gibt es dort zwar ebenfalls nicht, allerdings einen Verdachtsfall aus der Gemeinde Butjadingen.
Der 1. Vorsitzende des Reit- und Fahrvereins Nordbutjadingen aus Tossens ist deshalb besorgt. „Vorsicht ist geboten. Wir haben unseren Reitstall komplett gesperrt. Für Sonntag hatten wir einen Lehrgang geplant, den wir abgesagt haben“, teilte Meent Bruncken mit.
Zuletzt waren einige Reiter aus der Wesermarsch bei einem Reitturnier in Vechta. Da war noch alles in Ordnung. Aufgrund des jetzt bekannten Verdachtsfalls reagieren die hiesigen Vereine. „Wir müssen gewaltig aufpassen. Deshalb ist aus Sicherheitsgründen und als Vorsichtsmaßnahme für die nächsten 14 Tage alles dicht. Es darf kein anderes Pferd rein oder kein Pferd von uns raus“, heißt es vom RuF Nordbutjadingen.
(Keine) Impfpflicht
Nach dem großen Ausbruch in Spanien hatte der Beirat Sport der FN im Juli 2021 die Herpes-Impfpflicht für Turnierpferde ab dem 1. Januar 2023 beschlossen. Durch die verpflichtende Einführung der Impfung sollte eine größere Impfdichte sichergestellt. Da auf Turnieren viele Pferde aus unterschiedlichen Beständen aufeinandertreffen, sollte diese Pferdegruppe besonders gut durch eine Impfung geschützt und das Krankheitsübertragungsrisiko gesenkt werden.
Nach nur einem Jahr wurde die Herpes-Impfpflicht für Turnierpferde jedoch wieder aufgehoben. Die Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN) hatte die Mitglieder des Beirates Sport noch einmal um ein Meinungsbild und eine erneute Abstimmung gebeten. Mit dem Ergebnis, dass die Impfung weiterhin empfohlen wird, die Impfpflicht aber ab dem 15. April 2024 aufgehoben wird. 76 Prozent stimmten gegen die Herpes-Impfpflicht.