Schulattentäter am Bremerhavener Gymnasium: Ich wollte sterben

Ein ehemaliger Schüler des Gymnasiums, Berkan S., muss sich seit November wegen versuchten Mordes verantworten. Foto: Arnd Hartmann
Es ist der 19. Mai 2022 als Berkan S. mit einer Armbrust und einer Schreckschusspistole bewaffnet das Lloyd Gymnasium betritt. Es fallen Schüsse, eine Person wird schwer verletzt. Zum Prozessauftakt hat der Angeklagte eine Aussage gemacht.
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Von Klaus Mündelein
Mit einer persönlichen Erklärung des Angeklagten ist am Landgericht Bremen der Prozess gegen den 21-jährigen Bremerhavener eröffnet worden, der am 19. Mai mit einer Armbrust bewaffnet im Lloyd Gymnasium Angst und Schrecken verbreitet hatte.
Sein Motiv: Er habe durch seinen Angriff in der Schule von der Polizei erschossen werden wollen. „Suicide by Cop“ nennt er das.
Er habe niemanden verletzen wollen, und er entschuldigte sich mehrfach bei der Schulsekretärin, die er mit zwei Bolzenschüssen schwer verletzt hatte. Er entschuldigte sich auch bei den Kindern, Lehrern und allen anderen, die in Mitleidenschaft gezogen wurden.
Angeklagter hat mit Suizidgedanken zu kämpfen
Die Selbstmordgedanken schilderte Berkan S. als Folge einer immer ausgeprägteren Depression und Sozialphobie. Bereits als Kind habe er gestottert und sei auch gemobbt worden. Mit dem Fußballspielen habe er verletzungsbedingt aufhören müssen. Er habe sich dann noch mehr in den Welt der Computerspiele geflüchtet.
Als er die Zulassung zum Abitur nicht bekommen habe, „bin ich in ein tiefes Loch gefallen“, sagte er. Es folgte dann die Trennung der Eltern, was sein Lage weiter verschlechtert habe. Seit dem habe er sich mit Selbsttötungsgedanken beschäftigt.
Auf entsprechenden Internetforen sei er auf die Methode „Suicide by Cop“ gestoßen. Auf E-Bay beschaffte er sich die Armbrust und weitere Waffen sowie die „Kampfklamotten“.
Angeklagter beteuert: Ich wollte niemanden verletzen
Er habe niemanden verletzen wollen, sondern seine ehemalige Lehrerin, die er für sein schulisches Scheitern verantwortlich machte, zur Rede stellen wollen aus einer Position der Stärke. Aber es sei alles anders gekommen.
Nachdem mehrere Lehrer im Schulverwaltungsgebäude ihm nicht gesagt hätte, wo sich die Kollegin befindet, habe er sich an die Sekretärin gewandt: „Sie können sich doch auch noch an mich erinnern. Sie waren doch auch frech zu mir“.
Er habe die Armbrust erhoben und wollte ihr in die Beine schießen. Wegen seiner zitternden Hände und seiner Kurzsichtigkeit habe er sie am Körper getroffen. Als das Opfer den Pfeil herausgezogen habe und sich abwandte, habe er sich wieder nicht ernst genommen gefühlt und gab einen weiteren Schuss ab.
„Ich bin kein Amokläufer“, wiederholte er mehrfach und verwies auf die vielen Personen, die ihm begegnet seien und denen er nichts getan habe. Um die Aufmerksamkeit der Polizei zu erregen, habe er seinen Plan geändert und die Schule verlassen.
Angeklagter sagt, er habe kurzsichtig gehandelt
Weil die Schreckschusspistole nicht mehr funktioniert, habe er die restliche Pfeile verschossen auf der Lloydstraße. Er habe den Mann nicht verletzen wollen, den er zweimal an einem Frisörgeschäft knapp verfehlt hatte. Er nannte in diesem Zusammenhang wieder seine Kurzsichtigkeit.
Die Schulsekretärin nahm sichtlich mitgenommen am Prozessauftakt teil. Sie ist als Nebenklägerin an dem Verfahren beteiligt. Richterin Geza Kasper fragte sie kurz vorher noch, ob sie tatsächlich an dem Verfahren teilnehmen wollen. Um nicht vor der stark gefüllten Pressebank sitzen zu müssen, platzierte Kasper das Opfer und ihre Anwältin an die Seite des Staatsanwalts. (Nordsee-Zeitung)

Claudia Lissé leitet das Lloyd Gymnasium. Am Donnerstag beginnt der Prozess um das Attentat an der Bremerhavener Schule. Foto: Hartmann