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Theater

Stadeum zeigt Juli Zehs Blicks in eine Gesundheitsdiktatur

Juli Zehs dystopisches Gedankenexperiment „Corpus Delicti“ stellt die Frage, was passiert, wenn die persönliche Gesundheit zum Überwachungsobjekt wird. Foto: Nilz Boehme

Juli Zehs dystopisches Gedankenexperiment „Corpus Delicti“ stellt die Frage, was passiert, wenn die persönliche Gesundheit zum Überwachungsobjekt wird. Foto: Nilz Boehme

„Corpus Delicti“ zählt zu ihren großen Erfolgsromanen und ist dieses Jahr Abiturstoff in Niedersachsen. Ursprünglich hatte Juli Zeh ihr Science-Fiction-Drama für die Bühne geschrieben, wo es jetzt auch in Stade zu sehen sein wird.

Montag, 20.02.2023, 13:15 Uhr

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Juli Zeh verfasste „Corpus Delicti“ ursprünglich als Auftragswerk für die Ruhrfestspiele 2006. Die Roman-Variante von „Corpus Delicti“ erschien erst drei Jahre später. In einer Produktion des Theaters der Altmark Stendal kehrt das Theaterstück nun am Donnerstag, 23. Februar, um 19.45 Uhr auf die Stadeum-Bühne zurück. Juli Zehs dystopisches Zukunftsszenario spielt in einer Gesundheitsdiktatur im Jahr 2057, in der alle Krankheiten ausgerottet wurden - dank Genforschung und absoluter Überwachung. Dabei beleuchtet die Inszenierung viele aktuelle Fragen.

Die vielfach ausgezeichnete Autorin spielt darin ein Gedankenexperiment durch und blickt auf die Frage: Was wäre, wenn ein ungesundes Leben strafbar wäre? Wenn wir nicht mehr entscheiden könnten, wie wir mit unseren Körpern umgehen wollen? In ihrer Vision von Deutschland im Jahr 2057 hat der gesunde Menschenverstand, ganz buchstäblich gesagt, gesiegt. Genforschung, Früherkennung und strenge Hygienegesetze verhindern den Ausbruch jedweder Erkrankung. Eine lückenlose Überwachung der Gesellschaft ist dafür natürlich unerlässlich.

Drama um die Überwachung

Die junge Biologin Mia Holl, als Naturwissenschaftlerin den gegebenen Methoden zunächst durchaus zugetan, verliert nach dem Tod ihres Bruders den Boden unter den Füßen. Schnell gerät sie ins Kreuzfeuer des Systems und wird zur glühenden Widerstandskämpferin. Sie prangert an, dass ein System, das sich nur um das Leben kümmert, nicht mehr lebenswert ist. Juli Zehs ursprünglicher Ansatz steht im Zusammenhang mit den 9/11-Anschlägen auf das New Yorker World Trade Centers. In deren Folge wurde im Falle des Terrorismusverdachts ein altes, juristisches Prinzip der westlichen Demokratie außer Kraft gesetzt. Danach kann ein Verbrechen eigentlich erst unter Strafe gestellt werden, wenn es tatsächlich begangen worden ist.

Durch diese Veränderung sitzen im Gefängnis Guantanamo noch heute Menschen ein, ohne dass ihnen ein Prozess gemacht wurde. Das hat die studierte Juristin Juli Zeh zu einem Science-Fiction-Drama angetrieben, in dem es nicht nur um eine Gesundheitsdiktatur, sondern auch um die Rolle der Justiz als Judikative und die der Medien als vierte Gewalt geht. Regisseur Jochen Gehle stellt in seiner Inszenierung Fragen: Wie weit darf sich ein Staat über das Individuum erheben? Welcher Freiraum des Einzelnen hat unangetastet zu bleiben? Was ist eine unabhängige, der Gerechtigkeit dienende Justiz?

Zu dem Theaterstück gibt es vorab eine Einführung mit Beginn um 19 Uhr. Karten für „Corpus Delicti“ kosten zwischen 17 und 33,50 Euro, erhältlich unter Telefon 04141/409140 sowie im Internet unter www.stadeum.de. (bt)

Foto: Nilz Boehme

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