Streik sorgt für Ausfälle: Volle Züge bei Bahn-Konkurrenten

Das Logo der Deutschen Bahn (DB) klebt an einem Zug des Unternehmens. Foto: Peter Kneffel/dpa/Symbolbild
Der Lokführerstreik sorgte am Dienstag auch in Niedersachsen und Bremen für zahlreiche Ausfälle bei der Deutschen Bahn. Private Konkurrenten rechneten dagegen mit volleren Zügen.
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Hannover/Bremen. Wegen des Streiks der Lokführer ist es am Dienstag auch bei Regionalzügen der Deutschen Bahn (DB) in Niedersachsen und Bremen zu massiven Ausfällen gekommen. Während die nicht bestreikten privaten Bahnbetreiber wie Metronom, Erixx und Nordwestbahn mit volleren Zügen rechneten, fielen bei den von der DB selbst betrieben Regionalbahnen zahlreiche Züge aus. Das ging aus einer Übersicht von DB Regio im Internet her.
Betroffen waren demnach fast alle von DB Regio und der DB-Tochter Start Deutschland betriebenen Regionalstrecken in Niedersachsen und Bremen, darunter auch vier Regionalexpress-Verbindungen.
Ausfälle auf den meisten Regionalbahn-Strecken
So sollten laut DB auf den Regionalexpress-Strecken RE 1 Norddeich-Bremen-Hannover nur vereinzelte Züge, ebenso auf den Strecken RE 5 Cuxhaven-Hamburg und RE 9 Osnabrück-Bremen-Bremerhaven. Auf der Strecke RE 8 Bremerhaven-Hannover fielen laut DB alle Züge aus. „Wir versuchen einen Ersatzverkehr mit Bussen einzurichten, können dies aufgrund der Kurzfristigkeit derzeit nicht garantieren“, hieß es in der Mitteilung der Bahn. Normal verkehren sollten dagegen der erst im Dezember gestartete RE 62 Rheine-Osnabrück-Löhne.
24-Stunden-Ausstand
Bahnstreik bremst Pendler aus - Notfahrpläne bei S-Bahn und Start Unterelbe
Ausfälle gab es daneben auch auf den meisten der 13 Regionalbahnstrecken in Niedersachsen und Bremen, die DB Regio und Start Deutschland betreiben, darunter RB 37 Bremen-Soltau-Uelzen und RB 38 Hannover-Soltau-Hamburg-Harburg. Zum Teil fuhren auch hier nur vereinzelt Züge, zum Teil fielen alle aus und sollten durch Busse ersetzt werden. Auf fünf der 13 Strecken wollte die Bahn zumindest im Zwei-Stunden-Takt verkehren.
Privatbahnen fahren weiter
Damit war knapp die Hälfte der Regionalverkehrsstrecken in Niedersachsen und Bremen vom Streik betroffen. Laut Landesnahverkehrsgesellschaft Niedersachsen betreiben DB Regio und deren Tochter Start Deutschland insgesamt 18 der 42 Regionalstrecken in Niedersachsen. Auf den übrigens Strecken fahren private Konkurrenten, die nicht bestreikt werden. Auch die meisten ICEs und Intercity-Züge der DB fallen während des Streiks aus. Die Bahn hat hier einen Notfahrplan aufgelegt, der im Fernverkehr 20 Prozent der Verbindungen aufrechterhalten sollte.
Die Bahn-Konkurrenten rechnen während des Streiks dagegen mit deutlich volleren Zügen in Niedersachsen und Bremen, wie eine dpa-Umfrage ergab. „Auf den klassischen Pendlerstrecken merken wir den Streik mit einem erhöhten Fahrgastaufkommen“, sagte ein Sprecher der zu Abellio gehörenden Westfalenbahn aus Bielefeld, die unter anderem die Strecke Hannover-Braunschweig bedient. Auch bei der zu Transdev gehörenden Nordwestbahn aus Osnabrück hieß: „Die Fahrgäste weichen auf unsere Verbindungen aus“, so ein Sprecher. Das gelte etwa für die Strecke zwischen Bremerhaven und Bremen. Der Anbieter Metronom, der Strecke wie Hamburg-Bremen und Hamburg-Hannover-Göttingen bedient, rechnet mit 20 bis 30 Prozent mehr Fahrgästen.
Die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) hatte ihren Ausstand im Personenverkehr am Dienstag um 2.00 Uhr begonnen. Er sollte 24 Stunden dauern und am Mittwoch um 2.00 Uhr enden. Im Güterverkehr hat der Streik bereits am Montagabend um 18.00 Uhr begonnen. Die Deutsche Bahn war am Montagabend mit dem Versuch gescheitert, den Streik gerichtlich zu verhindern.
S-Bahn: Notfahrpläne in Kraft
„Es ist uns gelungen, im Fernverkehr trotz der kurzfristigen Streikankündigung der GDL wieder ein Grundangebot von rund 20 Prozent des üblichen Fahrplans anzubieten“, sagte eine Bahnsprecherin. Im Regionalverkehr ist das Angebot je nach Region unterschiedlich. Fahrgäste werden gebeten, sich über die Auskunftskanäle der Bahn über ihre Verbindungen zu informieren. Notfahrpläne sind unter anderem im S-Bahn-Verkehr und bei Start Unterelbe in Kraft.
„Wir werden am morgigen Mittwoch wieder sehr schnell zum Normalbetrieb übergehen und im Personenverkehr wieder das volle Programm für unsere Fahrgäste bieten“, sagte Bahnsprecher Achim Stauß. Die Bahn appellierte an die GDL, künftige mögliche Streiks wieder mit mehr Vorlauf anzukündigen. Erst am Sonntagabend hatte die Gewerkschaft über den anstehenden Ausstand informiert. Mit solchen sogenannten Wellenstreiks - kürzere und kurzfristigere Arbeitskämpfe - will GDL-Chef Weselsky den Druck auf die Arbeitgeberseite erhöhen.
Die Bahn hatte am Montagabend versucht, den Streik im letzten Augenblick gerichtlich stoppen zu lassen. Sie scheiterte damit vor dem Arbeitsgericht in Frankfurt. „Das Gericht hat es zum wiederholten Male bestätigt: Die Streiks der GDL sind verhältnismäßig, zulässig, rechtmäßig und somit geeignet, die berechtigten Forderungen der Eisenbahnerinnen und Eisenbahner mittels Arbeitskampf weiterzuverfolgen“, teilte Weselsky mit.
Berufungsverhandlung am Dienstag
Gleichwohl will die Bahn am Dienstag in Berufung gehen. Am Mittag sollen die Verhandlungen vor dem Landesarbeitsgericht Hessen beginnen. „Es ist unsere Pflicht, im Sinne der Kundinnen und Kunden wirklich alles zu tun, um diesen oder auch mögliche spätere Streiks zu stoppen und hier eine Gerichtsentscheidung auch in der Berufungsinstanz herbeizuführen“, sagte Sprecher Stauß.
Sollte das Gericht im Sinne der Bahn entscheiden, wäre der Arbeitskampf zwar formal gestoppt. Die Auswirkungen für die Fahrgäste blieben am Dienstag aber bestehen. Wann eine Entscheidung fällt, war am Vormittag nicht absehbar.
Eine Annäherung hatte es auch vor dem Arbeitsgericht nicht gegeben. Die GDL fordert eine Verringerung der Wochenarbeitszeit für Schichtarbeiter von 38 auf 35 Stunden bis 2028 ohne finanzielle Einbußen. Die Bahn war bisher bereit, sich auf eine Absenkung auf 36 Stunden bei gleichem Lohn einzulassen. Einen entsprechenden Vorschlag hatten externe Vermittler in moderierten Verhandlungen als Kompromiss unterbreitet. Die Gewerkschaft lehnt das ab.
Abschlüsse mit Bahnrivalen
Sie verweist dabei auf Abschlüsse mit knapp 30 weiteren Eisenbahnunternehmen, bei denen sie ihre Forderung durchsetzen konnte. Diese Abschlüsse stehen allerdings unter dem Vorbehalt, dass auch der Branchenführer Deutsche Bahn der 35-Stunden-Woche zustimmt. Andernfalls werden die Tarifverträge bei den Wettbewerbern entsprechend angepasst.
Der Branchenverband Mofair, in dem die Konkurrenten der Bahn im Personenverkehr organisiert sind, wies am Montag zudem darauf hin, dass die eigenen Unternehmen angesichts der angespannten wirtschaftlichen Situation keine andere Wahl gehabt hätten, als sich auf die Forderungen der GDL einzulassen. „Jeder Streiktag bedeutet für die bestreikten Unternehmen massive wirtschaftliche Schäden, die sie nur wenige Tage tragen können“, teilte Mofair mit. Daher seien die Abschlüsse mit der GDL alternativlos gewesen.
Die Wettbewerber der Bahn seien eingezwängt zwischen der Marktmacht der GDL und der fehlenden Unterstützung der Auftraggeber, betonte der Verband. Die 35-Stunden-Woche sei der falsche Weg, um den Arbeitskräftemangel der Branche anzugehen. „Sie würde den vorhandenen Mangel kurz- und mittelfristig drastisch verschärfen.“