Studie: Finger-Rechnen ist Sprungbrett für Mathematik-Erfolg
Die Kinder wurden über mehrere Jahre beobachtet. (Archivbild) Foto: picture alliance / Marcel Kusch/dpa
Warum das Zählen mit den Fingern bei Grundschulkindern kein Rückschritt ist: Eine Langzeitstudie liefert überraschende Antworten und räumt mit alten Vorurteilen auf.
Premium-Zugriff auf tageblatt.de für nur 0,99 €
Jetzt sichern!
Lausanne. Das Rechnen mit Fingern in der Grundschule muss laut einer Studie kein Zeichen von Schwäche sein, sondern ist ein wichtiges Werkzeug für mathematisches Lernen. Durch Langzeit-Beobachtungen fanden Forscherinnen in der Schweiz heraus, dass Kinder besser Rechnen lernen, wenn sie ihre Hände einsetzen.
Eltern und Lehrer sollten deshalb Kinder nicht vom Zählen mit Fingern abhalten, sagte Studienautorin Catherine Thevenot von der Universität Lausanne der Deutschen Presse-Agentur. „Kinder sollten sich nie dafür schämen, ihre Finger zu verwenden. Sie sollten stolz darauf sein, sie zum Lösen von Rechnungen einzusetzen“, sagte die Psychologin.
Voriges Jahr hatte Thevenot eine Studie zu Kindergartenkindern veröffentlicht. Das Ergebnis: Die Rechenleistung von Kindergartenkindern kann verbessert werden, wenn ihnen das Finger-Zählen beigebracht wird.
200 Kinder über Jahre beobachtet
Andererseits hatten frühere Forschungen gezeigt, dass Kinder ab einem Alter von etwa sieben Jahren ohne Finger-Einsatz bessere Rechenleistungen erbringen als Finger-Rechner. Nun haben sich Thevenot und ihre Kollegin Marie Krenger angesehen, was hinter diesem Phänomen steckt.
Dafür verfolgten sie die längerfristige Entwicklung von rund 200 Schweizer Kindern im Alter von etwa viereinhalb bis siebeneinhalb Jahren - diesmal ohne Anleitung zum Finger-Rechnen. In regelmäßigen Abständen wurden sie dabei beobachtet, wie sie addierten.
Je früher, desto besser
Es zeigte sich: Je früher die Finger zu Hilfe genommen wurden, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass die Kinder später zu den besten Rechnern zählten. Kinder, die über die Jahre nie mit den Fingern zählten, zeigten hingegen die schwächsten Leistungen. Die Ergebnisse wurden im Fachjournal „Developmental Psychology“ veröffentlicht.
Dass Kinder ohne Finger-Hilfe ab etwa sieben Jahren besser abschneiden, liegt laut den Beobachtungen der Forscherinnen daran, dass sie in den Jahren zuvor das Rechnen mit Hilfe ihrer Hände gelernt hatten und dann zum Kopfrechnen übergegangen waren. Die ehemaligen Fingerzähler übertrafen sowohl Kinder, die nie ihre Finger genutzt hatten, als auch solche, die weiterhin damit arbeiteten.
Wenn Kinder über acht Jahren noch immer ihre Hände zum Rechnen brauchen, könne dies ein Anzeichen für Probleme sein, sagte Thevenot. Doch auch dann sollten sie nicht gescholten werden, betonte sie. Denn die Finger würden ihnen wahrscheinlich dabei helfen, die nächste Entwicklungsstufe zu erreichen - nur eben etwas später als andere Kinder.