Warum diese 4 Photovoltaik-Mythen Quatsch sind

Kann man mit Strom aus dem Steckersolargerät die Kaffeemaschine betreiben? Das sagen Photovoltaik-Experten. Foto: moerschy/Pixabay
Wer sich dafür entscheidet, Strom mit Hilfe von Photovoltaik selbst zu produzieren, sollte sich vorab gut informieren. Weit verbreitete Fehlannahmen können sonst schnell zu Ernüchterung führen.
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Mit dem Balkonkraftwerk die Stromrechnung verringern oder mit einer Photovoltaikanlage auf dem Dach noch mehr günstigen Strom selbst erzeugen: das Interesse an PV-Strom ist in Deutschland groß. Wichtig ist aber immer, vor der Installation für sich zu klären, wie die Technik konkret genutzt werden soll und welche Vorteile man sich von ihr erhofft. „So können Enttäuschungen vermieden und der Sonnenstrom wirklich effizient genutzt werden“, sagt Thomas Zwingmann, Energieexperte bei der Verbraucherzentrale NRW.
Unter Verbraucherinnen und Verbrauchern gibt es allerdings noch immer gängige Fehlannahmen zum PV-Strom. Die Verbraucherzentrale NRW räumt mit vier von ihnen auf:
Irrtum 1: Mit PV-Anlage und Speicher bin ich autark und unabhängig vom Stromanbieter.
Falsch. Selbst mit Batteriespeicher kann eine PV-Anlage nur einen gewissen Anteil der jährlichen Haushaltsstromversorgung übernehmen. Der sogenannte Autarkiegrad kann je nach Einzelfall zwischen 25 und 90 Prozent betragen. Der übrige Stromanteil muss aber immer aus dem Netz zugekauft werden. Gerade in den Wintermonaten, wenn PV-Anlagen weniger Strom produzieren, reicht der PV-Strom nicht aus, um den ganzen Haushalt zu versorgen. Für eine 100-prozentige Autarkie ist den Verbraucherschützern zufolge ein zusätzlicher Saisonspeicher - etwa mit Wasserstoff - nötig, der technisch aufwendig und wirtschaftlich kaum sinnvoll ist.
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Irrtum 2: Photovoltaik lohnt sich nur gemeinsam mit einem Batteriespeicher, weil sich die Einspeisung finanziell kaum rechnet.
Auch das stimmt nicht. Eine PV-Anlage kann sich auch ohne Speicher schon finanziell lohnen. Ob sich zusätzlich der Speicher bezahlt macht, hängt unter anderem vom eigenen Strombedarf und den Stromkosten ab. Kann auch ohne Speicher schon ein großer Anteil des PV-Stroms selbst verbraucht werden, braucht es den Batteriespeicher nicht zwingend. Dieser rentiert sich dann aufgrund seiner hohen Anschaffungskosten kaum.
Irrtum 3: Ein Süddach ist immer besser als ein Ost-West-Dach.
Wenn es darum geht, möglichst viel Strom mit der PV-Anlage zu erzeugen, ist die Ausrichtung nach Süden optimal. Eine PV-Anlage auf einem Ost-West-Dach kann nur etwa 80 Prozent des vergleichbaren Solarertrags erwirtschaften. Dafür bekommt diese Anlage bereits früher am Morgen und länger am Abend Sonne auf die Solarzellen. Damit kann besonders in diesen Zeiten, in denen häufiger Personen zu Hause sind, viel Strom selbst verbraucht werden. Auch das kann die Stromrechnung entscheidend kürzen.
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Irrtum 4: Mit einem Steckersolargerät kann ich meine Kaffeemaschine versorgen.
Falsch. Steckersolargeräte bieten zwar eine gute Möglichkeit, um ohne größeren Aufwand eigenen Strom zu produzieren. Allerdings ist deren Nennleistung mit maximal 800 Watt eher niedrig. Sie eignen sich daher eher dafür, Teile der Grundlast im Haushalt abzudecken, also Kühlschrank, Router oder Radiowecker in der Wohnung zu versorgen. Eine Kaffeemaschine braucht im Betrieb hingegen häufig höhere Leistungen im Bereich von 2000 Watt, um das Wasser aufzuheizen. Dafür reicht der Strom aus dem Balkonkraftwerk längst nicht aus, es muss aus dem Netz zugespeist werden.
Ausbau der Solarenergie in Niedersachsen leicht gestiegen
Der Ausbau der Solarenergie in Niedersachsen ist im vergangenen Jahr leicht gestiegen. Das hat eine Analyse der Klimaschutz- und Energieagentur (KEAN) ergeben. Der Photovoltaik-Zubau stieg demnach von 1,5 Gigawatt im Jahr 2023 auf gut 1,6 Gigawatt, wie die Agentur mitteilte.
Insgesamt erhöhte sich demnach die installierte Leistung von 7,2 Gigawatt auf knapp 8,8 Gigawatt. Damit belege Niedersachsen beim Zubau im bundesweiten Vergleich Platz vier hinter Bayern, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg.
Balkonkraftwerke immer beliebter
Haushalte blieben auch 2024 die treibende Kraft beim Zubau – trotz Rückgangs. Private Hauseigentümer nutzten Photovoltaik-Anlagen, um etwa einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten, zur Senkung des Strompreises und für mehr Unabhängigkeit.
Ein wachsender Faktor seien sogenannte Balkonkraftwerke. Die steckerfertigen Mini-Solaranlagen, die sich am Balkon oder auf der Terrasse installieren lassen, erfreuten sich großer Beliebtheit, hieß es. Sie hätten ihren Anteil beim Zubau von zwei Prozent auf vier Prozent verdoppelt.
Niedersachsen hat noch weiten Weg vor sich
Aber: Vom Ziel ist Niedersachsen noch ein großes Stück entfernt. Bis 2035 sollen 65 Gigawatt Photovoltaik-Leistung installiert sein. Dafür muss den Angaben zufolge der jährliche Zubau mindestens 20 Prozent der bereits installierten Leistung erreichen. Man sei auf einem guten Weg, sagte KEAN-Geschäftsführer Lothar Nolte.
Regionale Unterschiede – das sind die Spitzenreiter
Solar-Spitzenreiter sind laut KEAN die Region Hannover sowie die Landkreise Emsland und Osnabrück. Der Landkreis Friesland, der bislang im unteren Drittel der Landkreise lag, sei mit einem Zubau von über 100 Megawatt nun auch vorn mit dabei. Starke Zubau-Raten habe es außerdem in den Landkreisen Ammerland, Harburg, Celle und Goslar gegeben.