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Hamburger Prozess

Strafe für Tannenbaum-Geschenk – Kita lehnt Versöhnung ab

Der angeklagte Gärtner wollte mit seinem Weihnachtsbaum den Kita-Kindern nur eine Freude machen, wie er sagt.

Der angeklagte Gärtner wollte mit seinem Weihnachtsbaum den Kita-Kindern nur eine Freude machen, wie er sagt. Foto: David Hammersen/dpa

Aus Rücksicht auf nichtchristliche Kinder verzichtet eine Hamburger Kita auf einen Weihnachtsbaum. Ein Gärtner stellt in einer Nacht- und Nebelaktion kurzerhand selbst einen Baum auf - und wird verurteilt.

Von dpa Donnerstag, 13.03.2025, 05:55 Uhr

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Hamburg. „Stille Nacht, heilige Nacht“ erklingt im Gerichtssaal des Hamburger Strafjustizgebäudes, aber von weihnachtlicher Harmonie sind die Beteiligten am Prozess um das heimliche Aufstellen eines Weihnachtsbaums vor einer Kita weit entfernt. Die Strafkammer am Landgericht befasst sich mit der Frage, ob die Aktion eines Gärtners um den Nikolaustag 2023 Hausfriedensbruch war. 

Der Vorwurf: Der Angeklagte hatte in der Nacht zum 7. Dezember den geschmückten Baum aufgestellt und war dabei durch eine Pforte auf das umzäunte Kita-Gelände gegangen. Die Kita-Leitung hatte Strafanzeige gestellt. Das Amtsgericht hatte den 54-Jährigen im vergangenen November zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 100 Euro verurteilt. Dagegen legte er Berufung ein.

„Positive Aktion ohne Hintergedanken“

Die Prozessbeteiligten erörterten, ob das Aufstellen des Baums eine gut gemeinte Überraschung oder eine Aktion gegen den ausdrücklichen Willen der Einrichtung war. „Es war einfach nur eine positive Aktion ohne Hintergedanken“, versicherte der Angeklagte. 

Seine Firma aus dem Kreis Pinneberg habe so etwas schon öfter gemacht, einmal auch Obdachlosen einen Weihnachtsbaum gebracht. Das Gericht zeigte Videos der Aktionen, die die Firma des Angeklagten auf ihre Internetseite gestellt hat. Die Aufnahmen von der Aktion vor der Kita im Stadtteil Lokstedt waren mit dem Weihnachtslied unterlegt. 

Kita ist besonders geschützter Raum

Vor einer Entscheidung über die Berufung des Angeklagten will die Strafkammer noch eine Zeugin an einem Fortsetzungstermin am 26. März hören. Die Mitarbeiterin der Baumschule, die für die Social-Media-Aktivitäten der Firma zuständig ist, soll zu der Motivation für die Weihnachtsbaumaktion befragt werden. Richter Oliver Nass erklärte, dass objektiv viel dafür spreche, dass ein Hausfriedensbruch vorgelegen habe. Eine Kita sei ein besonders geschützter Raum. Einmischungen von außen hätten dort nichts verloren - „das ist meine Auffassung“.

Angeketteter Baum hat Angst gemacht

Die damalige Kita-Leiterin, die die Strafanzeige stellte, konnte das Gericht nicht laden, weil ihre Anschrift unbekannt war. Stattdessen kam ihr Nachfolger zum Prozess, der aber nur wenig zu der Sache sagen konnte. Als der 39-Jährige auf den Vorstand des Trägers verwies, gaben sich zwei Zuschauerinnen als Mitglieder des Vorstandes zu erkennen. Eine von ihnen vernahm das Gericht spontan als Zeugin.

„Das ist kein nettes Geschenk, es hat viel Angst gemacht“, sagte die 46-Jährige. Der Baum sei auf dem Gelände der Einrichtung angekettet worden, der Hausmeister habe ihn mit einem Bolzenschneider lösen müssen. Die Vorständin räumte ein, dass die Eltern der Kita-Kinder einen Baum haben wollten. Die Leitung der Einrichtung und die Kinder hätten sich aber dagegen entschieden. Gleichwohl habe es eine andere weihnachtliche Dekoration gegeben. „Eine Kita ist eine Bildungseinrichtung, nicht ein erweitertes Wohnzimmer“, stellte die Zeugin klar.

Kita wollte kein andersgläubiges Kind ausschließen

Der Kita-Vorstand hatte den Eltern damals erklärt, dass sich das Team der Einrichtung gemeinsam mit den Kindern im Sinne der Religionsfreiheit gegen einen Weihnachtsbaum entschieden habe. Dabei sollte es darum gehen, kein Kind und seinen Glauben auszuschließen. 

Für Wirbel sorgte die Entscheidung, weil Medien von der Entscheidung erfuhren und berichteten. Danach sei eine sehr bedrohliche Situation entstanden, sagte die Vorständin. „Es folgte sofort ein Shitstorm.“ Der Vorstand erklärte in einer Pressemitteilung, Berichte, die Kita wolle christliche Traditionen abschaffen, seien falsch. In den zehn Jahren seit Bestehen hätten sich Team und Kinder dreimal für einen Weihnachtsbaum entschieden.

Versöhnungsangebot kommt nicht an

Der Angeklagte sagte im Prozess, er habe nicht gewusst, dass die Kita keinen Baum haben wollte. „Die Kita hat kommuniziert, dass es nicht stimmt, dass sie keinen Baum will.“ Das Aufstellen sei eine spontane Aktion gewesen. „Die Überraschung gehört dazu.“ Im Nachhinein sei ihm klar geworden, dass das keine so gute Idee gewesen sei. Ein Versöhnungsangebot des Angeklagten, gegen eine Pflanzenspende die Strafanzeige zurückzunehmen, wollte die Vorständin der Kita-Stiftung nicht annehmen.

S
Stefan Klein
12.03.202522:26 Uhr

Es beschleicht mich das ungute Gefühl, dass unsere Justiz (oder Teile davon) mittlerweile linksgrün-ideologisch unterwandert sind. Zu meiner Kinderzeit war ein Weihnachtsbaum noch etwas Wunderschönes, er vermittelte Vorfreude und liebevolle Geborgenheit. Heute werden genau diese weihnachtlichen Rituale, die viele Generationen von Kindern glücklich gemacht haben, zur Straftat erklärt. Es ist so unglaublich beschämend, was in diesem Land abgeht.

U
Ulla Bowe antwortete am
13.03.202509:24 Uhr

@s Was hat die Ablehnung einer Versöhnungsvereinbarung durch die Kita mit Ihrer unterstellten politisch ideologisierten Justiz zu tun?? Ich halte Ihre Unterstellung für politisch ideologisiert!
Die Justiz wird u.a.in diesem Fall auf Antrag tätig und dann muss es seinen rechtsstaatlichen Verlauf nehmen.
Die Eskalation wurde durch die "pädagogische" Einrichtung betrieben und nicht durch die Justiz.

Michael Bowe

U
Ulla Bowe
12.03.202517:45 Uhr

Ich glaube nicht, daß ein einziges Kind dieser Kita psychischen Schaden davongetragen hätte, wenn die Erwachsenen entspannt und friedfertig (Weihnachten: Fest des Friedens!?) mit dem Tannenbaum und seinem Aufsteller verfahren wären. Die Erwachsenen bräuchten nur mit den Kindern, - sofern diese sich nach wie vor gegen einen Baum ausgesprochen hätten -, einer anderen Einrichtung den Baum feierlich schenken und eine Freude bereiten.
Aber so ein kleines bisschen pädagogische Diplomatie ist für die damals dort tätigen Pädagogen:innen wohl mit zu viel Fachlichkeit überfordernd gewesen.
Arme Kinder, die solche erzieherischen Vorbilder bekommen haben!
Michael Bowe

Sven-Michael Hübner
12.03.202517:40 Uhr

So etwas hätte auch geschlichtet werden können. Das Versöhnungsangebot abzulehnen zeugt von Kleingeistigkeit. Mit solch einem Verfahren Geld zu verschwenden sowie Lebenszeit anderer ist schlicht unwürdig.

J
Jochen Mextorf
12.03.202516:00 Uhr

3000 €uro Strafe für einen Weihnachtsbaum. Unglaublich.

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