Zehn-Tage-Vorrat: Landkreis Stade rät zur Krisenvorsorge

Er setzt sich dafür ein, dass die Bürger Selbstvorsorge betreiben: Landrat Kai Seefried mit der Broschüre des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe. (Archiv) Foto: Landkreis Stade/Beneke
Hochwasser, Schneekatastrophe, Stromausfälle? Das alles ist derzeit nicht in Sicht - und dennoch will der Landkreis das Bewusstsein für den Fall der Fälle schärfen. Was jeder zu Hause haben sollte.
Premium-Zugriff auf tageblatt.de für nur 0,99 €
Jetzt sichern!
Landkreis. Hochwasserlagen, die Corona-Pandemie und andere Katastrophen der vergangenen Jahre haben aus Sicht von Bevölkerungsschützern gezeigt, wo Deutschland bei der Notfallvorsorge noch Nachholbedarf hat. „Wir müssen in allen Bereichen widerstandsfähiger werden“, sagt der Präsident des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK), Ralph Tiesler, der Deutschen Presse-Agentur.
Dazu gehöre auch, die Bevölkerung stärker für Gefahren zu sensibilisieren und zu zeigen, wie jeder in Notfällen Freunden oder Nachbarn helfen und so Menschenleben retten könne. „Es ist wichtig, dass man 72 Stunden durchhalten kann“, sagt Tiesler.
Landkreis Stade erinnert an Sturmfluten und Schneekatastrophe
Diesem Tenor schließt sich der Landkreis Stade ausdrücklich an. Viele Menschen seien „wachgerüttelt“ worden, heißt es von der Kreisverwaltung in einer Mitteilung von diesem Mittwoch. Schon 2023 mit Fortschreiten des Ukraine-Krieges mahnte Landrat Kai Seefried in einer Kampagne des Landkreises: „Treffen Sie Selbstvorsorge!“
Im Landkreis habe es ein tagelanges Schreckensszenario zwar schon lange nicht mehr gegeben, doch die Älteren dürften sich erinnern, so der Landkreis weiter: Bei den schweren Sturmfluten 1962 und in den 1970er Jahren sowie bei der Schneekatastrophe 1978 waren zahlreiche Straßen tagelang unpassierbar. Der Einkaufsladen war nicht mehr zu erreichen oder bekam keinen Nachschub. Die Versorgung einiger Dörfer war nicht möglich oder erfolgte mühsam nach und nach mit Unterstützung der Bundeswehr und Hilfsorganisationen.
„Aus diesen Erfahrungen lässt sich lernen: mit einem Vorrat an haltbaren Lebensmitteln und Getränken, möglichst für zehn Tage“, heißt es weiter.
Katastrophenschutz
Blackout-Gefahr: Fachzug Energie der Feuerwehr nimmt Dienstbetrieb auf
Wie ein Vorrat an Lebensmitteln und Getränken aussieht
Besonders wichtig ist die Versorgung mit Trinkwasser. „Ein Mensch kann unter Umständen drei Wochen ohne Nahrung auskommen, aber nur vier Tage ohne Wasser“, heißt es vom BBK dazu.
Immerhin stellt das Bundesamt inzwischen deutlich mehr Interesse an seinem Notfall-Ratgeber fest als noch vor einigen Jahren. Im Schnitt werden rund 500.000 Exemplare pro Jahr als Heft verschickt und verteilt - hinzu kommen laut BBK zahlreiche Online-Abrufe.
- Die Broschüre ist als Download auf der Landkreis-Internetseite und in gedruckter Form in den Rathäusern und im Kreishaus verfügbar.

Ein Vorrat an haltbaren Lebensmitteln sollte in jedem Haushalt vorhanden sein. Foto: Landkreis Stade/Schmidt
Die Empfehlung: Pro Person sollten für eine Woche rund 14 Liter Flüssigkeit vorhanden sein. Beispiel: Zwei Sechserträger mit 1,5-Liter-Flaschen Mineralwasser reichen für fast zehn Tage, um eine Person mit Trinkwasser zu versorgen. Bei dieser Kalkulation (täglich 2 Liter pro Person) gehen die Experten davon aus, dass davon ein halber Liter Wasser für die Zubereitung von Essen verwendet wird.
Die übrigen anderthalb Liter können neben Wasser auch Fruchtsäfte oder andere länger haltbare Getränke wie H-Milch sein.
Zusätzliches Wasser ist für die Hygiene erforderlich. Zeichnet sich ab, dass es Probleme bei der Wasserversorgung geben könnte, sollten Badewannen, Eimer oder Kanister vorsorglich gefüllt werden.
2200 Kilokalorien pro Person und Tag - damit ist im Regelfall der Gesamtenergiebedarf eines Erwachsenen abgedeckt. Klingt abstrakt? Die BBK-Checkliste empfiehlt für zehn Tage:
- 3,5 Kilo Getreideprodukte wie Brot, Kartoffeln, Nudeln, Reis
- 4 Kilo Gemüse und Hülsenfrüchte im Glas oder in Dosen
- 2,5 Kilo Obst und Nüsse, ebenfalls am besten lagerfähig oder in Dosen/eingekocht
- 2,6 Kilo Milch und Milchprodukte
- 1,5 Kilo Fisch, Fleisch, Eier (Volleipulver)
- 0,375 Kilo Fette/Öle
- Sonstiges nach Belieben, etwa Fertiggerichte, Brühen, Suppen, Zucker, Honig, Haferflocken, Mehl, Schokolade. Denn: Der Vorrat sollte natürlich diejenigen Dinge berücksichtigen, die man mag und auch verträgt. „Nicht nur die Haltbarkeit ist entscheidend. Berücksichtigen Sie Allergien, Lebensmittelunverträglichkeiten oder besondere Bedarfe wie Babynahrung, aber auch persönliche Vorlieben beim Zusammenstellen Ihres Vorrats“, heißt es vom BBK.
- Haustiere nicht vergessen, das heißt Nahrung, Einstreu, Medikamente berücksichtigen
Praktische Tipps für die Notfallvorsorge
Die Lebensmittelvorräte sollten ohne Kühlung längerfristig haltbar sein (Mindesthaltbarkeit beachten). Trockenvorräte und Konserven, unter anderem Mehl, Haferflocken, Nudeln, Reis, Konserven (Obst, Gemüse, Wurst), Zucker, Honig, Fertiggerichte (Suppen, Nudelgerichte) gehören auf die Einkaufsliste. Wer Fertiggerichte kauft, etwa in der Dose, sollte aber beim Inhalt nicht zu sehr von den sonstigen Essgewohnheiten abweichen, meinen Ernährungsfachleute.
Es gilt die plattdeutsche Weisheit: „Eten un Drinken hollt Lief un Seel tohoop.“
Ganz praktisch geht das so: Neu gekauften Vorräte gehören nach hinten ins Regal, damit die älteren Lebensmittel zuerst aufgebraucht werden. Wenn der Strom ausfällt, zuerst die tiefgekühlten Vorräte verzehren. Die Vorräte können nach und nach mit Bedacht und Augenmaß aufgestockt werden.
Apropos Stromausfall: Zwar ist das kalte Müsli mit H-Milch auch gut geeignet, um sich im Notfall zu ernähren, doch wenn es etwas Warmes sein soll, sollte auch Kochen ohne zentrale Strom- und Gasversorgung möglich sein. Ein Campingkocher, mit Spiritus oder Gaskartusche betrieben, ist die Alternative, sofern auch der Brennstoff auf Vorrat gekauft worden ist. Auf eine gute Belüftung der Küche ist dann achten. Ein Grill darf nicht in der Wohnung genutzt werden – aus Sicherheitsgründen.
Bevölkerungsschutz-Chef: Müssen widerstandsfähiger werden
Durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und hybride Bedrohungen habe sich die Sicherheitslage in Europa zudem grundlegend verändert, betont Deutschlands oberster Bevölkerungsschützer. Er sagt: „Wir müssen neben der militärischen Abschreckung und Verteidigung daher auch den Zivilschutz weiter stärken.“
Eine der Fragen, die noch beantwortet werden müssen, ist, wo Menschen im Ernstfall schnell Schutz finden können. „Unsere Antwort ist das Schutzraumkonzept, das wir gerade gemeinsam mit allen Ländern, der Bundeswehr und dem Bundesinnenministerium erarbeiten“, sagt Tiesler. Auf den Bau von Luftschutzbunkern setzt die Bundesregierung dabei nicht. Der BBK-Präsident sagt: „Private Keller und innen liegende Räume können schon mit wenigen Handgriffen einen guten Schutz bieten.“

Ralph Tiesler ist seit 2022 Präsident des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK). Die Behörde ist dem Bundesinnenministerium unterstellt. Foto: Thomas Banneyer/dpa
Zu diesen Handgriffen zählen Zivilschutz-Experten etwa eine Verstärkung von Kellerfenstern und Türen mit Sandsäcken oder einfachen Holzplatten. Dadurch soll der Schutz vor Druckwellen und herumfliegenden Trümmern verbessert werden. Das Szenario, das hier zugrunde gelegt wird, sind nicht Angriffe auf Wohnhäuser, sondern auf Infrastruktur, die für Truppenbewegungen genutzt wird.
Außerdem gehe es bei dem Konzept um Schutz im öffentlichen Raum, sagt Tiesler. „Wir sehen hier Tiefgaragen, Keller unter Kaufhäusern, die U-Bahn-Stationen zum Beispiel.“
Anpassung an Klimafolgen
Mehr Warnung per App - Bund legt neue Vorsorgestrategie vor
Um zu wissen, wo der nächstgelegene Schutzraum sei, bräuchten die Menschen aber die entsprechende Information. Diese sollten sie nach den Vorstellungen des Behördenchefs idealerweise künftig zusammen mit der Warnung direkt auf dem Handy erhalten - „damit die Menschen sofort wissen, wo sie hinmüssen und wie sie dort hinkommen“. (dpa/tip)