Abzocke bei Amazon mit falschen Lieferungen

Allein bei Amazon sind im vergangenen Jahr mehr als sechs Millionen gefälschte Artikel beschlagnahmt und entsorgt worden. Symbolfoto: Jens Büttner/dpa
Küchenmixer statt Laptop, Shampoo statt Smartphone: Beschwerden über Falschlieferungen bei Amazon werden zum Ärgernis für Online-Kunden. Dahinter steckt Betrug. Ein Mann hofft vergeblich auf Hilfe.
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Die Verbraucherzentrale Niedersachsen warnt vor einer neuen Betrugsmasche bei bestellten Artikeln beim Online-Versandriesen Amazon. Falsche Lieferungen sorgen für Frust bei Kunden. Doch statt einer schnellen Klärung fordert Amazon die Betroffenen auf, den bestellten Artikel zurückzuschicken. Ohne Rücksendung keine Erstattung, so die Aussage.
In einem der Verbraucherzentrale Niedersachsen vorliegenden Fall führt der Hinweis eines Kunden sogar dazu, dass die Polizei die verschollene Ware sicherstellt. Der Kunde erhält sein Geld dennoch nicht zurück.
Falscher Artikel wird geliefert - Amazon sperrt sich gegen Zurücknahme
Die Masche der Betrüger läuft folgendermaßen ab: Verbraucher bestellen ein Produkt auf Amazon. Geliefert wird jedoch nicht das ausgewählte Produkt, sondern eines, das nicht im Warenkorb gelandet ist. Eigentlich würde man meinen, dass das fälschlicherweise versendete Produkt an Amazon zurückgesendet werden könne und das Geld zurückerstattet werde.
Ein Verbraucher aus Niedersachsen hatte einen Laptop für rund 2900 Euro bei Amazon bestellt – erhalten hat er jedoch zwei Küchenmixer. Was zunächst nach einem Irrtum aussieht, wird schnell zum echten Ärgernis: Amazon erstattet den Kaufpreis nur, wenn der Laptop zurückgeschickt wird. Nachdem der Kunde mehrfach erklärte, die bestellte Ware nicht erhalten zu haben, Fotos übermittelte und Strafanzeige gestellt hat, soll das Geld gutgeschrieben werden – doch nichts passiert.
Auf Nachfrage erklärt Amazon schließlich erneut, der Kunde müsse den Laptop erst zurückschicken, bevor eine Erstattung erfolgt.
Aktueller Betrugsfall aus Niedersachsen
„Das Verhalten ist für uns nicht nachvollziehbar“, erklärt Kathrin Körber, Rechtsexpertin der Verbraucherzentrale Niedersachsen. „Spätestens mit der Strafanzeige müsste Amazon den Vorgang als Betrugsfall anerkennen und eine Lösung anbieten“, so Körber. Stattdessen die Rücksendung des nicht erhaltenen Artikels zu fordern, ist absurd.
Doch damit nicht genug: Zwei Wochen später entdeckt der Mann den Laptop auf einem anderen Online-Marktplatz im Internet. Die Polizei wird tätig und kann den Laptop sicherstellen.
Obwohl damit klar ist, dass der Verbraucher die bestellte Ware nicht erhalten hat, lässt die Rückerstattung weiter auf sich warten.
Amazon-Abzocke: Tipps der Verbraucherzentrale
Eine Falschlieferung sollte Amazon immer direkt und nachweisbar gemeldet werden. „Der Fall zeigt aber leider, dass es ratsam sein kann, Pakete unter Zeugen zu öffnen und dies mit Fotos oder sogar per Videoaufzeichnung zu dokumentieren“, erklärt Körber. Auch kann es helfen, bei der Annahme von Paketen auf das Gewicht zu achten und den Paketschein aufzubewahren. Das hier vermerkte Gewicht kann gegebenenfalls belegen, dass der bestellte Artikel nicht enthalten war.
Denn eines ist klar: Wird nicht geliefert, was bestellt und bezahlt wurde, haben Kunden ein Recht auf Nachlieferung oder Erstattung des Kaufpreises, das gilt auch für Amazon.
Amazon: 2022 mehr als sechs Millionen gefälschte Artikel entsorgt
Amazon sieht weitere Fortschritte im Kampf gegen den Verkauf von Produktfälschungen auf der Plattform. Im vergangenen Jahr seien mehr als sechs Millionen Artikel beschlagnahmt und entsorgt worden, teilte der weltgrößte Online-Händler mit. Im Jahr davor war von rund drei Millionen gestoppten gefälschten Produkten die Rede.
Zugleich erkennt Amazon eine abschreckende Wirkung seiner Maßnahmen. So sinke die Zahl der Accounts, die „Akteure mit schlechten Absichten“ anlegen wollten. Im Jahr 2020 habe Amazon noch sechs Millionen solcher Versuche gestoppt, 2021 seien es rund 2,5 Millionen gewesen und im vergangenen Jahr nur noch 800.000. Amazon-Manager Dharmesh Mehta betonte, weitere Daten zeigten, dass es sich um einen tatsächlichen Rückgang der Aktivität handele.
Amazon verkauft Waren nicht nur selbst, sondern tritt auch als Plattform für andere Händler auf - diesen Weg versuchen Produktfälscher oft als Einfallstor zu nutzen. Deswegen weitete der Konzern unter anderem die Kontrollen beim Einrichten eines Händler-Accounts aus. Auch würden täglich acht Milliarden Änderungen von Seiten mit Produktangeboten automatisiert auf Anzeichen für Missbrauchsversuche überprüft.
Bestellung auf fremden Namen: Dreiecksbetrug Ebay und Thalia
Bei der Verbraucherzentrale sind weitere Betrugsfälle eingegangen - auch mit anderen Internetplattformen. So kaufte ein Online-Nutzer bei Ebay ein. Die Ware kam etwas verspätet an. Der Absender des Produkts war jedoch nicht der Verkäufer von Ebay, sondern Thalia, was der Kunde erst im Nachhinein wahrnahm. Einige Wochen später erhielt er eine "letzte Mahnung" per Post von Thalia.
Er rief bei der Hotline an und es stellte sich heraus, dass auf seinen Namen ein eBook und ein weiterer Artikel eingekauft wurden. Thalia schickte Zahlungsaufforderungen an ihn, die er nicht erhielt, denn die E-Mail-Adresse gehörte nicht dem Verbraucher. Es war eine Fake-Adresse. Doch damit nicht genug: Erneut erhielt er eine Mahnung von Thalia, dieses Mal für den tatsächlich gekauften Artikel (auf Ebay), den er auch erhalten hat. Auf seine Bestellung flatterte weitere Post ins Haus: Eine Anzeige wegen Betrugs. Der Verbraucher war nun vollends verunsichert und forderte Akteneinsicht.
Klingt kompliziert, aber funktioniert problemlos
Was passiert war: Wenige Tage nach dem Kauf des zuerst genannten Produktes auf Ebay, eröffnete jemand auf den Namen und der Adresse des Verbrauchers ein Ebay-Konto. Der Verbraucher „verkaufte“ über dieses Konto mindestens fünf Artikel. Diese Artikel versandte nicht der Verbraucher, der von alledem nichts mitbekam, sondern Thalia.
Der Verbraucher fiel selbst auf einen Betrüger rein. Er kaufte, bezahlte und erhielt dann die Ware. Der Betrüger konnte die Ware, die er ja nicht hatte, nicht liefern. Deshalb musste er bei Thalia die Ware bestellen und zwar mit den personenbezogenen Daten des Verbrauchers. Dieser bekam von dieser Bestellung erst etwas mit, als Thalia sich bei ihm meldete und wiederum den Kaufpreis einforderte.
Der Betrüger kassierte also neben dem „Kaufpreis“ auch die personenbezogenen Daten. Mit den Daten eröffnete der Betrüger einen Account bei Ebay und gab sich als der Verbraucher aus. Ein neues Opfer bestellte Ware, wieder kassierte der Betrüger das Geld und Thalia wandte sich an dieses, um sich die versendete Ware bezahlen zu lassen.
Bestellung auf fremden Namen
Für einen Warenkreditbetrug, also den Kauf auf fremde Rechnung, genügt es oft schon, den Namen und die Adresse einer Person zu kennen. Somit ist jeder Mensch gefährdet, der eine Mail-Adresse hat, bei sozialen Netzwerken aktiv ist oder Online-Dienste, -Marktplätze und -Shops nutzt. Die Betrüger bestellen die Ware auf den fremden Namen.
Als Lieferadresse wird zum Beispiel eine Packstation angegeben. So bekommen die Betrogenen zunächst nichts von der Bestellung mit – bis eine Mahnung ins Haus flattert, da die Zahlung ausgeblieben ist.
Verbraucherzentrale rät: Was Sie tun können
- Bestreiten Sie den Vertragsabschluss schriftlich. Schildern Sie, was Ihnen widerfahren ist. Machen Sie deutlich, dass Sie nicht in Zahlungsverzug sind, also nicht zahlen müssen.
- Informieren Sie gegebenfalls auch den Onlineshop, bei dem Sie bestellt haben, über den Betrug.
- Erstatten Sie Strafanzeige bei der Polizei.
- Fordern Sie ein paar Wochen später eine Datenkopie von allen Auskunfteien ein. Schauen Sie, ob dort fälschlicherweise Ihr Zahlungsverzug eingetragen ist. Die Adressen der Auskunfteien finden Sie hier.
EU-Einigung: Online-Einkäufe sollen sicherer werden
Unterhändler des Europaparlaments und der EU-Staaten haben sich auf strengere Regeln zum Schutz von Verbrauchern bei Käufen im Internet geeinigt. So sollen Online-Händler und andere Unternehmen in der Lieferkette mehr Verantwortung für die von ihnen verkauften Produkte tragen. Ziel ist, dass gefährliche Produkte zügig vom Markt zurückgerufen werden können. Die Details im Überblick:
Was ändert sich?
Für Verbraucherinnen und Verbraucher wird vor allem sichergestellt, dass sie besser vor potenziell gefährlichen Produkten geschützt sind und entschädigt werden sollen, auch wenn die gesetzliche Garantie abgelaufen ist. Eine weitere Möglichkeit ist, Ware reparieren zu lassen. Für jedes Produkt muss es zudem eine sogenannte verantwortliche Person geben, die prüft, ob Herstellerinfos zu EU-Sicherheitsstandards korrekt angegeben sind und die mit Stellen für Marktüberwachung zusammenarbeitet.
So werde sichergestellt, dass geprüft werde, ob entsprechende Produkte EU-Standards erfüllten, teilte der Sprecher der SPD im Europaparlament für Verbraucherschutz, René Repasi, mit. Unter gewissen Umständen müsse diese Person auch für Schäden durch mangelhafte Produkte haften.
Welche Fälle sollen verhindert werden?
Potenziell gefährliche Produkte sollen in der EU nicht verkauft werden können. Wenn erst festgestellt wird, dass es Risiken gibt, nachdem die Artikel auf dem Markt sind, soll sichergestellt sein, dass sie innerhalb weniger Tage vom Markt genommen und zurückgerufen werden.
Der Verbraucherschutzverband Beuc hatte etwa 2020 eine Reihe von Produkten untersucht und festgestellt, dass beispielsweise alle untersuchten Rauchmelder, die keinen Rauch erkennen konnten, nicht aus der EU kamen. Ein weiteres Beispiel für unsichere Produkte sind Überwachungskameras aus China, die laut niederländischen Verbraucherschützern einfach gehackt werden konnten, wie Beuc betonte.
Was halten die Verbraucherschützer von den neuen Regeln?
Grundsätzlich lobt Beuc den Kompromiss. Das Gesetz erfülle viele Kriterien, etwa dass nun auch die Cybersicherheit bei Produkten berücksichtigt werden müsse. Zudem werde es einfacher, im Falle eines Rückrufs seine Rechte geltend zu machen. Die Organisation hätte sich aber gewünscht, dass digitale Marktplätze - dazu zählt Amazon - stärker in die Verantwortung genommen werden und sichergestellt ist, dass sie für gefährliche Produkte haften.
Was sagt der Handel?
Der Bundesverband E-Commerce und Versandhandel betont, dass sich Händler und auch Online-Marktplätze bereits für Sicherheit und Verbraucherschutz einsetzen. Aufgaben staatlicher Stellen sollten nicht auf die Marktplätze übertragen werden. Diese sollen nun regelmäßige Stichproben machen, ob die Artikel sicher sind. „Allerdings hat ein Onlinemarktplatz im Gegensatz zum Hersteller Produkte, die über den Marktplatz verkauft werden, in den meisten Fällen noch nicht einmal selbst im Lager.“ Zudem wird bemängelt, dass nicht klar sei, welche Standards und Testverfahren angewendet werden müssten, so dass die Marktplätze selbst Kriterien festlegen müssten.
Ab wann gelten die neuen Regeln?
Der Kompromiss muss noch formell von den EU-Staaten und dem Europaparlament angenommen werden. Dies könnte im ersten Quartal 2023 abgeschlossen sein. Dann kann das Gesetz im EU-Amtsblatt veröffentlicht werden. Rund anderthalb Jahre später sollen die Regeln gelten.
Was erhoffen sich die Gesetzgeber von den Änderungen?
Die neuen Vorschriften sparen Verbraucherinnen und Verbrauchern Schätzungen zufolge in der EU im ersten Jahr rund eine Milliarde Euro und in den kommenden zehn Jahren etwa 5,5 Milliarden Euro ein, wie das EU-Parlament mitteilte. (dpa/tip)