Flüchtlingslage spitzt sich zu: Kommunen stoßen an ihre Grenzen

Zelte zur Unterbringung von Geflüchteten stehen in der Überseestadt in Bremen. Angrenzend sollen künftig winterfeste Leichtbauhallen aufgebaut werden. Foto: Schuldt/dpa
In vielen Kommunen wird der Wohnraum für die Aufnahme von Geflüchteten zunehmend knapp.„Die Lage bei der Unterbringung der Flüchtlinge ist ähnlich wie während der Flüchtlingskrise 2015/2016."
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Hubert Meyer, Geschäftsführer des Niedersächsischen Landkreistages, klagen die einzelnen Landkreise ihre Probleme: „Wir hören durchweg aus den Landkreisen, dass die Unterbringung in privaten Wohnungen weitgehend erschöpft ist. Fast alle Landkreise betreiben Sammelunterkünfte.“
Seit Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine Ende Februar hat Niedersachsen nach Angaben des Innenministeriums bis Ende September rund 106.000 Menschen aus dem Land aufgenommen. Wie viele in Niedersachsen geblieben sind, ist nicht bekannt - denn viele Flüchtlinge reisen nach der Aufnahme auch weiter. Auch rund 13.700 Asylsuchende nahm Niedersachsen in den vergangenen Monaten auf.
Einer Umfrage des niedersächsischen Städte- und Gemeindebundes ergab kürzlich, dass bereits die Hälfte der Kommunen für die Unterbringung von Geflüchteten auf Not- und Sammelunterkünfte zurückgreifen muss. Dabei soll eine solche Unterbringung laut dem Innenministerium eigentlich „weitestgehend vermieden werden“. Aufgrund der angespannten Lage sei dies jedoch vermutlich nicht zu verhindern, hieß es allerdings auch.
In Aurich soll eine ehemalige Kaserne hergerichtet werden
Tatsächlich entstehen vielerorts in Niedersachsen und auch in Bremen schon solche Sammelunterkünfte. In Emden etwa wurde die Stadthalle umfunktioniert, in Aurich soll eine ehemalige Kaserne hergerichtet werden. In Bremen will der Senat winterfeste Leichtbauhallen für bis zu 1.200 Menschen in der Überseestadt aufstellen. Diese sollen die großen Zelte ergänzen, die dort schon stehen. In Leer, Lüneburg und in Helmstedt wird bereits auf Turnhallen zurückgegriffen, die vorerst für den Schul- und Vereinssport nicht zur Verfügung stehen.
Landkreistag: Es fehlt an ausreichendem Wohnraum
„Niemand möchte leichtfertig Turnhallen belegen. Aber wir stehen vor einer Situation, in der sich das in den kommenden Wochen und Monaten nicht vermeiden werden lässt“, sagte Meyer. Nach Möglichkeit würden zunächst leer stehende Liegenschaften gesucht. Doch dieses Angebot sei knapp. Es fehle schlicht an ausreichendem Wohnraum. Gerade in touristisch geprägten Regionen, etwa in Ostfriesland, sei die Nachfrage nach Wohnraum zuletzt weiter gestiegen. „Viele Wohnungen, die wir noch vor fünf, sechs Jahren hatten, stehen in der Zwischenzeit nicht mehr zur Verfügung, da sie mittlerweile etwa als Zweitwohnungen genutzt werden“, sagte Meyer.
Der Landkreistag appelliert daher, auch größere Liegenschaften zu finden. Denn der organisatorische Aufwand sei für viele kleine Hallen und Unterkünfte, was Betreuung oder Sicherheitspersonal angehe, größer als in einzelnen großen Unterkünften.
Große Halle sind nur Zwischenlösung
Bislang habe die Aufnahme der vielen Flüchtlinge sehr gut funktioniert, sagte der Geschäftsführer des Flüchtlingsrates in Niedersachsen, Kai Weber. Die Unterbringung in größeren Hallen sollte nun aber nur eine Zwischenlösung sein. Denn es brauche Wohnraum, um den Geflüchteten ein Ankommen in der Gesellschaft zu erleichtern, sagte Weber. Langfristig sei mehr sozialer Wohnungsbau nötig.
Am 11. Oktober will die Bundesregierung bei einem Treffen mit kommunalen Spitzenverbänden über eine bessere Verteilung von Geflüchteten in Deutschland sprechen. (dpa/bel)